Auf dem Weg zur Klassentür huschen die Schülerinnen und Schüler an einem großen Peace-Zeichen im Flur vorbei. Blau, grün und gelb ist es an die Wand gemalt, verziert mit Blumen und Schmetterlingen. Drinnen wartet ein Soldat in Uniform darauf, dass die Jugendlichen ihre Tische erreichen. Gerade hat es geläutet an der Integrierten Gesamtschule Querum in Braunschweig. Die Schüler der 11.2 müssen an diesem Vormittag im Juni noch eine Biologieklausur schreiben. Doch erst steht die Bundeswehr auf dem Stundenplan.

Gut zuhören müsse die Klasse, sagt die Politiklehrerin Stefanie Wedde; Smartphones, Tablets und Unterlagen müssten jetzt weg. Manche hatten noch für die Klausur lernen wollen. Aber nun richten sich alle Blicke auf den Soldaten. Sehr nach Militär sieht der gar nicht aus, trägt keine Flecktarn-Uniform, sondern die "Erste Geige", die Ausgehuniform der Marine, dunkelblau mit goldenen Knöpfen. Und natürlich hat er keine Waffe dabei. Er greift die Worte der Lehrerin auf: Noch lieber als nur zuhören sei ihm, wenn die Klasse mitdiskutiere. Florian Rohmann ist Jugendoffizier, Bildungseinrichtungen, Vereine und andere Interessierte können ihn als Referent zu sicherheitspolitischen Themen anfragen. Die Jugendlichen sollten ihn duzen, schlägt der Kapitänleutnant der Marine vor. So sei er das von seinem Dienst an Bord gewohnt. Rohmann ist 36 Jahre alt und überragt die Schüler, 1,97 Meter ist er groß, Gardemaß. Seine weiße Mütze liegt ordentlich auf dem Pult vor ihm, daneben aufgereihte Broschüren wie "Verteidigungspolitische Richtlinie" und "Auftrag Landes- und Bündnisverteidigung", dazu die Charta der Vereinten Nationen und das Grundgesetz.

Rohmann hat so viel zu tun wie lange nicht mehr. "Nach dem 24. Februar 2022 ist das Interesse an der Bundeswehr und der Nato stark gestiegen", sagt er. Seit dem russischen Überfall auf die Ukraine wollten die Schüler wissen, wie gefährlich die Welt geworden sei und was das für sie bedeute. "Ein Topthema" sei auch immer die Wehrpflicht, berichtet der Kapitänleutnant. Vor der russischen Invasion in die Ukraine sprach er vor allem über Auslandseinsätze der Bundeswehr. Nun steht mehr die Bündnis- und Landesverteidigung im Fokus.

Besuche von Jugendoffizieren an Schulen sind umstritten. Landesschülervertretungen lehnen sie ab. "Kein Werben fürs Sterben – Bundeswehr raus aus Schulen" heißt eine Kampagne, die mehrere Organisationen tragen. Die Hilfsorganisation terre des hommes rät Schulen, keine Soldaten in den Unterricht einzuladen, und Eltern, notfalls Ersatzunterricht zu beantragen.

Tatsächlich entscheidet jede Schule selbst, ob sie Soldaten in den Unterricht einlädt. Aber seit Bundeskanzler Olaf Scholz die "Zeitenwende" ausgerufen hat und Verteidigungsminister Boris Pistorius fordert, Deutschland müsse "kriegstüchtig" werden, steigt der Druck auf Schulen, sich der Bundeswehr zu öffnen. In Bayern will die Landesregierung per Gesetz den "ungehinderten Zugang der Bundeswehr zu Forschung und Entwicklung an Hochschulen sicherstellen und ihr den Zutritt zu Schulen erleichtern". Mitte Juli soll das Gesetz im Landtag beschlossen werden. In Niedersachsen gibt es keine Pflicht. Aber das Interesse an den Schulen ist groß. Die Besuche von Jugendoffizieren haben sich dort seit dem Überfall auf die Ukraine fast verdoppelt.

An der Gesamtschule Querum ist die Teilnahme an Rohmanns Vortrag heute Teil des normalen Unterrichts mit Anwesenheitspflicht. Auch dessen Titel klingt nach Pflichtstoff: "Grundzüge internationaler Sicherheitspolitik. Krisen, Konflikte, Kriege – ein sicherheitspolitischer Paradigmenwechsel". 160 Folien habe er dabei, sagt Florian Rohmann. Er werde die aber nicht alle zeigen.

Gleich zu Beginn betont er, dass er nicht hier sei, um Nachwuchs für die Truppe zu rekrutieren. Das dürfe er gar nicht. Dafür seien die Karriereberater zuständig, die säßen auch in Braunschweig, in der Nähe eines Kinos. Mehr Werbung für den Dienst bei der Bundeswehr macht Rohmann nicht. Das untersagt ihm tatsächlich die Zentrale Dienstvorschrift A-600/1 zur "Informationsarbeit". Darin heißt es: "JgdOffz betreiben keine Personalwerbung oder Personalgewinnung."