Er versucht es ja schon seit einer Ewigkeit. Das Meeting in einem tiefgekühlten Besprechungsraum in der ghanaischen Hauptstadt Accra ist gerade vorbei, da erhebt sich Joachim Stamp. Er nimmt die bunte Blechdose mit dem Haribo-Logo und überreicht sie dem ghanaischen Arbeitsminister mit den Worten "It’s Hans-Riegel-Bonn. From my hometown in Germany". Später im Hotel, wo Frauen in Gucci-Slippern und Männer mit dicken Sonnenbrillen durch die Lobby schlendern, sagt Stamp: "Das mit den Haribo mache ich gerne, damit es etwas persönlicher abläuft."

"Wir müssen endlich im großen Stil abschieben", so ließ Bundeskanzler Olaf Scholz sich im Herbst auf dem Titel des Spiegel zitieren. Nach dem Anschlag in Mannheim Ende Mai – ein Polizist wurde von einem mutmaßlichen Islamisten mit afghanischen Wurzeln getötet – diskutiert das Land, wie kriminelle Asylbewerber schneller abgeschoben werden können. Und zu ihrer Entscheidung bei der Europawahl befragt, sagten 41 Prozent der Wähler, die Migration gehöre für sie zu den größten politischen Problemen. Abschiebung. Möglichst schnell. Die Debatte scheint gar nicht mehr davon zu handeln, ob es richtig ist, viele Menschen abzuschieben. Die Frage lautet: Wie?

Zuständig ist Joachim Stamp, FDP, 54 Jahre alt. Im Februar 2023 wurde er zum "Sonderbevollmächtigten der Bundesregierung für Migrationsabkommen" ernannt. Stamp soll dafür sorgen, dass diejenigen, die hierzulande keinen Anspruch auf Asyl haben, wieder zurück in ihre Heimat gebracht werden. In ihre Heimat oder zumindest außerhalb von Deutschland, Hauptsache, sie müssen nicht mehr vom Staat untergebracht und mit Sozialleistungen versorgt werden. Es ist – das wird klar, wenn man ihn als Reporter der ZEIT über viele Monate begleitet – ein Horrorjob.

Am Flughafen von Accra steht Stamp mit einer Bastelschere in der Hand in einem engen Flur. Um ihn herum Kameraleute, Flughafenpersonal und ernst dreinblickende ghanaische Bürokraten. Stamp soll das neue Abschiebezentrum eröffnen. Er zerschneidet die bunte Schleife an der Tür des Büros. Blitzlicht. Applaus. Künftig sollen hier all jene ankommen, denen in Europa kein Asyl gewährt wurde. Und zur Eröffnung wird gefeiert? "Kennen Sie die Serie ›Stromberg‹?", fragt Stamp über die Schulter. "Manchmal fühlt sich das hier ein bisschen so an."

Stamps Besuch in Ghana ist mittlerweile zweieinhalb Jahre her. Damals reiste er noch als Integrationsminister von Nordrhein-Westfalen nach Afrika. Auch dieses Jahres war er wieder in Ghana. Und? Ein formelles Migrationsabkommen mit dem westafrikanischen Land gibt es bis heute nicht.

Anfang März, Stamps Büro im Bundesinnenministerium in Berlin, richtig gut ist die Stimmung nicht. Der Raum ist karg, keine Pflanzen, keine Bilder, wann soll er dazu auch kommen? Er ist ständig auf Reisen, Kolumbien, Usbekistan, Marokko, außerdem wohnt er mit seiner Frau, die eine Behörde leitet, und den beiden Töchtern in Bonn. Er sagt: "So etwas nervt mich dann schon." Seit Monaten sind die Medien voll mit Kritik, die Grünen etwa werfen ihm "staatspolitische Verantwortungslosigkeit" vor. Gleichzeitig drängt die CDU, es müsse jetzt "konkrete Ergebnisse statt immer neuer Ankündigungen" geben.

Stamp atmet tief durch, er sagt: "Für die einen bin ich der böse Abschiebeonkel. Den anderen geht alles nicht schnell genug."

Menschen können nur abgeschoben werden, wenn ein Land sie aufnimmt. Deshalb verhandelt Stamp mit den Regierungen der Herkunftsländer darüber, dass sie ihre Staatsbürger zurücknehmen, falls Deutschland ihnen kein Asyl gewährt. Damit das gelingt, muss Stamp den Regierungen etwas anbieten, Visafreiheit für all jene, die regulär einreisen zum Beispiel, oder legale Wege in den deutschen Arbeitsmarkt. Geht alles glatt, lassen sich so gleich zwei Probleme auf einmal lösen: Abgelehnte Asylbewerber verlassen das Land. Und die deutsche Wirtschaft bekommt dringend benötigte Fachkräfte.