Am ersten wirklich freundlichen Tag nach dem kältesten Mai in Bayern seit 30 Jahren, dem mit dem meisten Regen seit 55 Jahren (und nach dem frostigsten April seit 80 Jahren), an diesem Tag also, den man nach einem Endloswinter und einer mürbe machenden Pandemie so dermaßen nötig hat, da hält Martina Hoppe-Köpsel, nachdem sie eines der ersten Biere rausgebracht hat, kurz inne, um einem vorbeilaufenden Kollegen einen so kräftigen Klaps auf den Po zu geben, dass dem fast das Tablett runterfällt.

Es ist ihre zehnte Schicht, seit die Außengastronomie wieder öffnen durfte und damit auch ihr Bräustüberl im beschaulichen Aying, eine halbe Stunde von München entfernt. Und immer noch scheint Hoppe-Köpsel zwischendurch von Schüben eines Phänomens erfasst zu werden, das man als Öffnungseuphorie bezeichnen könnte. Einer hellen Freude daran, das im Lockdown verschüttgegangene Leben wiederzuentdecken.

Wenn es einen Ort gibt, der zu diesem Gefühl passt, ist es der Biergarten. Ein Ort, den irgendwie jeder mag. Selbst Deutschlands oberster Pandemie-Erklärer Karl Lauterbach von der SPD setzt sich in den Biergarten, um sich volksnah von der Bild-Zeitung zum großen Wann-geht-das-Leben-wieder-los?-Interview mit Maßkrug und Brezn fotografieren zu lassen.

"Die Leute sind so dankbar, dass sie wieder rausdürfen", sagt Martina Hoppe-Köpsel. Die Stammgäste hätten sie in den ersten Tagen reihenweise in den Arm genommen. "Die sind so froh, dass ich noch da bin."

Martina Hoppe-Köpsel ist 51 Jahre alt, hat 30 Dirndl im Schrank und die Hälfte ihres Lebens in Biergärten, Bierzelten und Gaststätten gearbeitet, die vergangenen sieben Monate aber nicht. Weshalb ihr auch die drei Tage Biergarten, die sie diese Woche hinter sich hat, ungewohnt in den Knochen stecken. Sie muss erst wieder in Form kommen.

Der Biergarten des Ayinger Bräustüberls liegt hübsch abgeschirmt zwischen hohen Hecken. Oben rascheln die Kastanien, unten knirscht der Kies. Mittendrin rennt, bedient, wirtshausblödelt und gastroschäkert Martina Hoppe-Köpsel, reichlich tätowiert und gepierct, mit praktischer Kurzhaarfrisur, heute in einem grün-roten Dirndl. Sie muss sich nicht mehr an den Tischen vorbeizwängen, denn die müssen jetzt genauso Abstand halten wie die Menschen. 500 Plätze haben sie hier sonst. Derzeit sind es die Hälfte.

Ihre Schicht hat gerade angefangen, Hoppe-Köpsel bongt drinnen in der Gaststube unter dem eindrucksvollen Klackern ihrer schwarzen Fingernägel schnell ein "Bier im Steinkrug", und während der Kollege am Tresen einschenkt, stellt sie sich an die Schwelle und guckt zu, wie sich der Biergarten langsam füllt. "Die ersten Gäste wollen alle in die Sonne. Immer", sagt sie. "Und dann fragen sie gleich nach einem Sonnenschirm." Fünf Minuten später fragt tatsächlich jemand.

Martina Hoppe-Köpsel packt das Bier, der Kies knirscht, der Gast dankt.

"Dunkles Weißbier, wie immer?" Ein anderer Gast, das Gesicht grob und gemütlich wie die schwere Bank, auf der er sitzt, muss gar nichts sagen, als Martina Hoppe-Köpsel vorbeigeht. Er schaut eh fast jeden Tag auf ein schnelles Vormittagsbier vorbei. Also, jetzt wieder.