Ihr Büro liegt auf einem Berg am Rand der Stadt, nebenan der Wald, das ist praktisch. Sie macht gern Spaziergänge in der Natur, allein oder mit ihren Forscherkollegen. Hat sie vor der Pandemie schon getan. Sie ist eine Frau auf der Suche nach Klarheit, wo Dinge kompliziert sind. Die Spaziergänge helfen beim Nachdenken, sagt sie.

Es ist der 10. November, der sogenannte Lockdown light geht in seine zweite Woche, als Viola Priesemann in Göttingen aus einem Gebäude tritt, vor dem ein Schild steht: Max-Planck-Institut für Dynamik und Selbstorganisation. Sie trägt Halbschuhe aus Leder, die nicht neu sind, eine bunte Mütze und Jeans; No-Bullshit-Kleidung einer Naturwissenschaftlerin. Ein Feldweg. Wiesen. Nebel. Stille. Sie könnte auf diesem Kennenlern-Spaziergang gleich über die Dinge reden, mit denen sie sich seit acht Monaten beschäftigt, Ansteckungsraten, Kontaktnachverfolgungskapazitäten, Dunkelziffern.