Wer sonst?, fragte man sich 1957, als Ludwig Erhard Vizekanzler wurde. Wer sonst als der überparteilich als "Vater des Wirtschaftswunders" verehrte Erhard sollte den Platz des damals 81-jährigen Konrad Adenauer einnehmen, wenn das Alter in absehbarer Zeit seinen Tribut fordern würde?

Ihm schien einfach alles zu gelingen. Sein Versprechen "Wohlstand für alle" war angesichts hoher Wachstumsraten und der herrschenden Vollbeschäftigung glaubwürdig und hatte viel zur absoluten Regierungsmehrheit der CDU/CSU beigetragen. Im Wahlkampf war er ein Zugpferd – auch wenn er auf sein Umfeld oft depressiv, schlecht gelaunt und brummig wirkte. Betrat er eine Bühne, war davon nichts mehr zu spüren: Er sprach üblicherweise frei. Und wenn er einmal in Fahrt kam, strömte es ihm zu und aus ihm heraus, gewaltig und bedenkenlos. Ein Wort gab das andere. Sätze wie "Ich habe es nicht nötig, den Menschen etwas zu versprechen. Was ich tat, ist steingewordenes Wort" trafen den Kern: Es war nicht der Inhalt seiner Reden, der begeisterte. Man klatschte, weil Erhard da war. Sein Mythos ließ schnöde Sachfragen in den Hintergrund treten.