WirtschaftsWoche: Herr Schwämmlein, in diesem bisher kurzen Jahr hat die GDL sechs Mal gestreikt. Es fuhren kaum Züge. Wie hat das Flix in die Karten gespielt?
André Schwämmlein: So unangenehm es ist, wenn Streiks Störungen im Verkehrssystem verursachen, können wir als Flixbus oder Flixtrain zeigen, dass wir ein zuverlässiges Verkehrsmittel sind. Für uns bieten die GDL-Streiks eine Chance, Neukunden zu gewinnen. Es ist eine Herausforderung, zusätzlich Kapazität zur Verfügung zu stellen, also etwa mehr Busse pro Strecke fahren zu lassen. Das hat aber alles seine Grenzen, man kann das Angebot nicht spontan verdoppeln.
Wie viel höher war die Nachfrage in den Streikzeiträumen?
Die Nachfrage an Streiktagen hat sich zeitweise im Vergleich zu herkömmlichen Tagen verdoppelt.
Und die Preise?
Flix hat ein dynamisches Preissystem. Das heißt, wenn die Busse und Züge voller werden, steigen auch die Preise. Die letzten Tickets sind dann immer etwas teurer.
Zur Person
André Schwämmlein ist einer der drei Mitgründer des Münchner Unternehmens Flix. 2012 startete er mit seinen Kommilitonen Daniel Krauss und Jochen Engert das Start-up Flixmobility. Das Portal bietet weltweit Fahrten in Reisebussen an. Eigene Fahrzeuge besitzen die Münchner nicht, dafür kooperiert Flix mit Subunternehmen. Seit 2018 ist Flixtrain auf der Schiene unterwegs. Schwämmlein ist seit 2022 alleiniger CEO.
Inwiefern war Flixtrain durch die GDL-Streiks eingeschränkt?
Die letzten Male konnte Flixtrain fast wie gewohnt fahren. Wenn aber zum Beispiel Stellwerke bestreikt werden, dann hat das auch Auswirkungen auf unseren Fahrplan.
Trägt diese erhöhte Nachfrage auch zum Umsatzwachstum in Europa bei?
Die Streiks führen nicht dazu, dass Menschen deswegen permanent ihr Verkehrsmittel wechseln. Wir sehen aber, dass die Neukunden aus dieser Zeit in den folgenden Monaten und Jahren genauso häufig wiederkommen und Fahrten buchen wie andere Neukunden. Streiks vergrößern zwar nachhaltig die Kundenbasis, bei einer Hausnummer von 81 Millionen Reisenden weltweit im Jahr 2023 verändert das die Zahl fairerweise aber nicht fundamental.
Flix hat im Jahr 2023 ein Rekordergebnis von zwei Milliarden Euro Umsatz erzielt. Das bereinigte Ebitda war zum zweiten Mal positiv und lag bei 104 Millionen Euro. Die Prognose hat Flix deutlich übertroffen. Woran lag es?
Tatsächlich war der Reisemarkt sehr gut. Die Nachfrage war das komplette Jahr über stark, sowohl im Reisesommer, als auch an Weihnachten und Silvester. Und wir versuchen natürlich immer auch, unsere Prognose zu treffen.
Also war die Strategie tief stapeln, um am Ende besser dazustehen?
Nein, unser Geschäft ist saisonal und auf Umsatzseite sehr kurzfristig. Wir können zwar entscheiden, wie voll das Netz befahren wird und auf Nachfrage reagieren. Aber die Buchungen finden oft mit wenig Vorlaufzeit statt.
Das meiste Geld macht Flix mit Abstand noch immer in Europa. Der Umsatz lag bei fast 1,2 Milliarden Euro. Wie sind die Zahlen für Deutschland?
Wir fassen die Länder in Segmente zusammen, einzelne Zahlen geben wir nicht raus. Nur so viel: Mit der Entwicklung in Deutschland sind wir sehr zufrieden.
Flix ist im Oktober in Chile gestartet und fährt mit hoher Auslastung. Im Februar ging es nach Indien. Sind Schwellenländer die Zukunft für das Wachstum?
Global gesehen ist Europa die einzige Region, in der der Zugmarkt größer als der Busmarkt ist. Wir haben hier in Europa mit unserer Plattform eine Basis gebaut, die wir jetzt nutzen, um auch in den Schwellenländern mit Fernbussen erfolgreich zu sein. Indien oder Brasilien sind zum Beispiel enorm große Busmärkte. Dort sehen wir dann auch große Wachstumschancen. Das heißt aber nicht, dass sich Europa und vor allem Nordamerika im Busgeschäft nicht mehr weiterentwickeln.
Das 49-Euro-Ticket wurde vor fast einem Jahr eingeführt. Sie haben damals versucht, Flix ebenfalls in das Angebot hineinzubekommen. Steht das noch auf der Agenda?
Ja, wir sind immer noch im Dialog mit dem Verkehrsministerium. Es ist mir natürlich klar, dass die Politik gerade einige andere Themen lösen muss. Ich erwarte keine kurzfristigen Lösungen, aber wir arbeiten weiter dran.
Wie hoch sehen Sie die Chancen, sind Sie optimistisch?
Ich bin Realist. Ich glaube, wir haben gute Argumente. Ob und wann dann der politische Wille da ist, kann ich schwer vorhersagen.
In Deutschland hat Flixbus mit 95 Prozent Marktanteil eine Monopolstellung. Auch die Deutsche Bahn ist im Personenverkehr Monopolist, wird von Ihnen aber immer wieder verurteilt. Finden Sie das gerecht?
Erstens gibt es immer wieder neue Busanbieter, die mit uns im Wettbewerb stehen. Zweitens ist der große Unterschied natürlich, dass wir uns den Erfolg über zehn Jahre selbst erarbeitet haben. Das Geschäftsmodell haben wir auf einem weißen Blatt Papier entwickelt: Wir nutzen Technologie, um diese Größe und dieses Netz zu erreichen. Die Deutsche Bahn wird mit Milliarden durch den Staat finanziert und bewegt sich in einem geschützten regulatorischen Umfeld, in dem sie einen enorm hohen Marktanteil hat.
Und?
Wir haben gezeigt, dass wir mit jeder Staatsbahn in Europa konkurrieren können. Die meisten haben ihre Busunternehmen wieder aufgegeben – Österreich und Frankreich etwa. Das heißt, wir haben keine Angst vor Wettbewerb mit staatlichen Anbietern.
Seit einem Jahr steht das Thema Börsengang im Raum. Noch ist das finanzielle Umfeld nicht optimal für einen IPO. Wie sieht die Strategie von Flix aus?
Dazu gibt es aktuell nichts zu sagen.
Ihr Unternehmen wurde im Sommer 2021 mit drei Milliarden Dollar bewertet. Kann Flix diese Bewertung gerade halten?
Am Ende stellt eine Bewertung das Resultat der vorherigen Arbeit und des Potenzials für die Zukunft dar. Da gilt das Marktprinzip. Zur Höhe äußern wir uns nicht.
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