Geldpolitik Wie die Fed den Kurs der EZB beeinflusst

Die Präsidentin der Europäischen Zentralbank (EZB), Christine Lagarde, und der Präsident der Federal Reserve (Fed), Jerome Powell. Quelle: via REUTERS

Die EZB schickt sich an, die Leitzinsen zu senken. Damit laufen die Geldpolitiken zwischen Europa und den USA auseinander. Das hat Folgen für die Finanzmärkte. Ein Gastbeitrag.

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Alle Augen nach Frankfurt. In der deutschen Bankenmetropole treffen sich am Donnerstag die Notenbanker der Europäischen Zentralbank (EZB), um über den weiteren Kurs in der Geldpolitik zu beraten. Die Mehrheit der Beobachter geht davon aus, dass die EZB die Zinswende nach unten einleitet. Dabei steht sie jedoch vor dem Problem, dass sie die Geldpolitik vor der amerikanischen Notenbank Fed, der wichtigsten Zentralbank der Welt, lockert. Die Fed macht derzeit keine Anstalten, der EZB rasch zu folgen. Vielmehr deuten Äußerungen aus der US-Notenbank darauf hin, dass die Leitzinsen in den USA auf absehbare Zeit unverändert bleiben. 

Hintergrund ist, dass die US-Inflation im April bereits im dritten Monat in Folge über den Erwartungen lag. An den Märkten hegt man daher keine Hoffnung mehr, dass die Fed die Leitzinsen noch im Juni senkt. Wir hatten schon lange vorher gewarnt, dass die Fed zögern und wegen der unerwartet robusten Konjunktur in diesem Jahr sogar ganz auf Zinssenkungen verzichten könnte.

Zur Person:

Im Euroraum ist die Lage anders: Die Wirtschaft schwächelt und die Inflation ist deutlich gesunken. In den nächsten Monaten dürfte sie sich weiter dem Zwei-Prozent-Ziel der Europäischen Zentralbank (EZB) annähern. Die Kerninflation ohne die volatilen Preise für Lebensmittel, Energie, Alkohol und Tabak liegt aktuell bei 2,9 Prozent und dürfte Anfang nächsten Jahres die Zwei-Prozent-Marke erreichen.

Gerechtfertigte Abweichung

Auch gibt es in Europa kaum Anzeichen, dass die Inflation wieder anspringen könnte. Zwar steigen die Löhne deutlich, dieser Anstieg stellt jedoch eher einen gesunden Aufholprozess dar und lässt allmählich nach. Die Inflationserwartungen bewegen sich weiterhin in einer engen Spanne, das Preissetzungsverhalten der Unternehmen hat sich normalisiert.

Unserer Ansicht nach wird die EZB auf der heutigen Sitzung daher die Zinsen senken und damit vom Kurs der Fed abweichen, die ihrerseits den Leitzins für den Rest des Jahres unverändert belassen wird. An den Märkten sorgt die Aussicht auf geldpolitische Divergenz für Skepsis, schließlich folgt die EZB meist der Fed-Politik, oft in einem gewissen zeitlichen Abstand. Beispiele hierfür sind der Zinssenkungszyklus Anfang der 2000er-Jahre sowie der Zinserhöhungszyklus Mitte der 2000er-Jahre. 

Dieses Mal könnte es jedoch anders kommen, denn die Lage im Euroraum unterscheidet sich so weit von der in den USA, dass eine geldpolitische Abweichung gerechtfertigt ist. Wichtige Entscheidungsträger in der EZB, darunter auch EZB-Präsidentin Christine Lagarde, vertreten diese Einschätzung.

Negativer Rückkoppelungseffekt

Zudem gibt es für eine divergierende Ausrichtung der Geldpolitik sehr wohl einen Präzedenzfall: Gegen Ende des letzten Jahrzehnts senkte die EZB ihre Zinsen geringfügig und weitete ihr Anleihekaufprogramm aus, während die Fed ihre Zinsen anhob. Die Entscheidung der EZB war damals durch die Lage im Euroraum gerechtfertigt, und genau wie damals wird die EZB auch diesmal nicht zögern, die Fed bei den Zinssenkungen zu überholen. 

Wie es nach einer Zinssenkung im Juni weitergeht, ist allerdings schwer zu sagen, denn je mehr Divergenz die Märkte erwarten, desto geringer dürften die Abweichungen tatsächlich ausfallen. 

Dieser negative Rückkopplungseffekt hat seinen Ursprung an den Devisenmärkten: Eine wachsende Zinsdifferenz zwischen der Eurozone und den USA würde den Euro/Dollar-Wechselkurs unter Druck setzen. Ein schwächerer Euro wiederum könnte den Inflationsdruck im Euroraum erhöhen und die EZB veranlassen, von schnellen Zinssenkungen abzusehen.

Folgen für die Geldanleger

Ein weiteres Risiko für die Zinsprognosen im Euroraum geht von den Energiepreisen aus. Auch wenn der Ölpreis in den vergangenen Wochen gesunken ist und aktuell mit rund 77 Dollar je Fass der Sorte Brent in etwa auf dem Niveau zu Jahresbeginn liegt, könnte er durch eine Eskalation des Konflikts im Nahen Osten kräftig anziehen. Nach unseren Berechnungen würde ein nachhaltiger Anstieg der Preise für Rohöl der Sorte Brent auf über 100 US-Dollar für mindestens zwei Quartale ausreichen, um eine deutliche Verlangsamung des Tempos der geldpolitischen Lockerungen der EZB zu rechtfertigen.

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Eine Abwertung des Euros wäre nicht ohne Folgen für global diversifizierte Anlageportfolios. Für Anlegerinnen und Anleger aus den USA sänken die Renditen, die sie mit Aktien aus dem Euroraum erzielen können, da sie mit ihren Erträgen weniger Dollar kaufen könnten. Für Anlegerinnen und Anleger aus dem Euroraum bedeutet ein schwächerer Euro das Gegenteil: Ihre Renditen aus Aktienanlagen in US-Dollar würden steigen.

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