Die Inflation in Deutschland lässt wieder nach. Im Juni lagen die Verbraucherpreise um 2,2 Prozent über dem Niveau des Vorjahresmonats – nach 2,4 Prozent im Mai, wie das Statistische Bundesamt auf Basis vorläufiger Zahlen in Wiesbaden mitteilt. Die Inflationsrate ohne Nahrungsmittel und Energie – die sogenannte Kerninflation – beträgt demnach 2,9 Prozent. Während sich vor allem Dienstleistungen verteuerten, wurde Energie günstiger. Gemessen am Vormonat Mai legten die Preise nach Angaben der Statistiker um 0,1 Prozent zu.
Der Ökonom Sebastian Dullien vom gewerkschaftsnahen Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) nannte den Anstieg im Mai einen Ausreißer. „Der Abwärtstrend bei der Inflation ist intakt und hat sich im Juni nun wieder durchgesetzt. In den kommenden Monaten sei mit einem weiteren leichten Rückgang der Inflation zu rechnen.
Ifo erwartet weiteres Abebben der Inflation
Das Münchner Ifo-Institut erwartet nach einer aktuellen Umfrage unter Unternehmen zu ihren Preisplänen ebenfalls, dass die Inflation zurückgeht und im August unter zwei Prozent fällt. „Daher dürfte die Inflationsrate ihren Rückgang langsam fortsetzen und im August erstmals seit März 2021 unter die Zwei-Prozent-Marke sinken“, sagt Ifo-Konjunkturchef Timo Wollmershäuser.
Zwar sind die extrem hohen Inflationsraten der vergangenen beiden Jahre Geschichte. Im Jahresschnitt erwarteten führende Wirtschaftsforschungsinstitute eine deutliche Abschwächung der Inflation in Deutschland auf 2,3 Prozent – nach 5,9 Prozent 2023. Doch zuletzt verlief der Rückgang zäh. Noch im Mai hatte die Inflation erstmals in diesem Jahr wieder an Tempo gewonnen – vor allem wegen teurerer Dienstleistungen. Bereits im April war der Rückgang der Inflation bei einer Rate von 2,2 Prozent ins Stocken geraten. Volkswirte verwiesen auf gestiegene Löhne, die zu Preiserhöhungen von Unternehmen führen können.
Auch spüren Verbraucher beim Einkauf von Lebensmitteln weiter kräftig gestiegene Preise. Nahrungsmittel haben sich in den vergangenen Jahren im Schnitt um mehr als 30 Prozent verteuert, zeigt eine Sonderauswertung des Statistischen Bundesamtes für den Zeitraum von Januar 2020 bis Mai 2024. Sie lag der „Wirtschaftswoche“ vor.
Schneller schlau: Inflation
Wenn die Preise für Dienstleistungen und Waren allgemein steigen – und nicht nur einzelne Produktpreise – so bezeichnet man dies als Inflation. Es bedeutet, dass Verbraucher sich heute für zehn Euro weniger kaufen können. Kurz gesagt: Der Wert des Geldes sinkt mit der Zeit.
Die Inflationsrate, auch Teuerungsrate genannt, gibt Auskunft darüber, wie hoch oder niedrig die Inflation derzeit ist.
Um die Inflationsrate zu bestimmen, werden sämtliche Waren und Dienstleistungen herangezogen, die von privaten Haushalten konsumiert bzw. genutzt werden. Die Europäische Zentralbank (EZB) beschreibt das wie folgt: „Zur Berechnung der Inflation wird ein fiktiver Warenkorb zusammengestellt. Dieser Warenkorb enthält alle Waren und Dienstleistungen, die private Haushalte während eines Jahres konsumieren bzw. in Anspruch nehmen. Jedes Produkt in diesem Warenkorb hat einen Preis. Dieser kann sich mit der Zeit ändern. Die jährliche Inflationsrate ist der Preis des gesamten Warenkorbs in einem bestimmten Monat im Vergleich zum Preis des Warenkorbs im selben Monat des Vorjahrs.“
Eine Inflationsrate von unter zwei Prozent gilt vielen Experten als „schlecht“, da sie ein Zeichen für schwaches Wirtschaftswachstum sein kann. Auch für Sparer sind diese niedrigen Zinsen ein Problem. Die EZB strebt mittelfristig eine Inflation von zwei Prozent an.
Deutlich gestiegene Preise belasten Verbraucherinnen und Verbraucher. Sie können sich für ihr Geld weniger leisten. Der Privatkonsum ist jedoch eine wichtige Stütze der Konjunktur. Sinken die Konsumausgaben, schwächelt auch die Konjunkturentwicklung.
Von Disinflation spricht man, wenn die Geschwindigkeit der Preissteigerungen abnimmt – gemeint ist also eine Verminderung der Inflation, nicht aber ein sinkendes Preis-Niveau.
Hohe Tarifabschlüsse und steigende Renten stärken Kaufkraft
Sinkt die Inflation in Deutschland wie auch im Euroraum insgesamt, gäbe das der Europäischen Zentralbank im Jahresverlauf Spielraum für weitere Leitzinssenkungen. Sie hat im Juni erstmals seit der Inflationswelle im Währungsraum die Leitzinsen um 0,25 Prozentpunkte gesenkt. EZB-Präsidentin Christine Lagarde dämpfte zugleich aber die Erwartung an weitere Zinsschritte.
Höhere Teuerungsraten schwächen die Kaufkraft von Verbraucherinnen und Verbrauchern. Das bremst den privaten Konsum, der eine wichtige Stütze der Konjunktur in Deutschland ist. Gewerkschaften versuchen, die Preissprünge mit hohen Tarifabschlüssen auszugleichen. Auch steigen die Renten deutlich: Die Bezüge für mehr als 21 Millionen Rentnerinnen und Rentner in Deutschland legen zum 1. Juli um 4,57 Prozent zu.
Inflationswelle nach Ukraine-Krieg belastet Haushalte
Auf längere Sicht aber ist die Kaufkraft von Verbraucherinnen und Verbrauchern inmitten der enormen Inflation der vergangenen Jahre gesunken. Zwar wuchs das mittlere Haushaltseinkommen nach Angaben des Statistischen Bundesamts von 2022 auf 2023 um 5,1 Prozent – die Teuerungsrate lag aber bei 5,9 Prozent. Das zeigen jüngste Daten, die das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) bei der Behörde abgefragt hat. Vergleicht man die Jahre 2021 und 2023, ist die Lücke noch größer. „Die Deutschen sind deutlich ärmer geworden“, schloss die BSW-Vorsitzende Sahra Wagenknecht aus den Zahlen.
Die Inflation hatte sich nach dem russischen Angriff auf die Ukraine Anfang 2022 rasant beschleunigt, weil Energie und in der Folge auch Produktion und importierte Waren viel teurer wurden. Die Europäische Union hatte Ölimporte aus Russland eingeschränkt und weitere Sanktionen verhängt. Moskau wiederum stoppte den Gasexport nach Deutschland über die Nord-Stream-Pipelines.
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