Asienreise Habecks Härte

Robert Habeck bei einem bilateralen Gespräch mit dem chinesischen Handelsminister im Rahmen seiner Reise in die Volksrepublik China. Quelle: Sebastian Gollnow/dpa

Samtpfötigkeit alleine hilft halt auch nicht: Robert Habeck und die chinesischen Gastgeber liefern sich in Peking einen bemerkenswert offenen Austausch.

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Die schlechte Nachricht ist: Robert Habeck setzt sich manchmal über diplomatische Gepflogenheiten hinweg. Die gute Nachricht ist: Er ändert sich auch in China nicht.

Freitagabend, die Innenstadt von Peking. Es ist noch immer drückend-schwül, über 30 Grad. Der Wirtschaftsminister hat schon einen langen Tag hinter sich, einen Flug aus Südkorea, Treffen mit den EU-Botschaftern, Gartenempfang in der Deutschen Botschaft. Gleich soll es noch eine Führung durch die Gassen eines Altstadtviertels geben.

Habeck steht ein bisschen abseits des Pulks, das Jackett über der Schulter, unterhält sich mit seinen Mitarbeitern. Kurz mal durchpusten. Dann fahren die Lichter der Kameras hoch. Und der Minister, Jackett wieder angezogen, setzt zur offenen Aussprache an.

Das Verhältnis zu China sei „komplex und anspruchsvoll“, sagt er und die „geopolitische Situation enorm herausfordernd“. Anschließend kommt er direkt zur Sache: „China spielt bei der Bewältigung der Situation, auch des Kriegs Russlands in der Ukraine, eine besondere Rolle, zum Besseren oder zum Schlechteren, das muss man sagen.“ Mit Russland würde der Handel wachsen, und die Chinesen wiederum kauften russischen Rohstoffe günstig ein. „Das ist ohne Frage so“, schiebt er hinterher, „und es ist aus meiner Sicht falsch.“

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Man muss sich kurz in Erinnerung rufen, dass der deutsche Wirtschaftsminister eigentlich auf einer handelspolitischen Abkühlungsmission unterwegs ist. Die EU hat jüngst Ausgleichszölle gegen chinesische E-Autohersteller abgekündigt, die chinesische Seite bereits mit Gegenmaßnahmen gedroht. Habeck ist nicht zuletzt hier, um Kompromisse auszuloten und Auswege zu erkennen, die beide Seiten davon abbringen könnten, sich in einen größeren Handelskonflikt hochzuschaukeln. Da könnte man – wohlgemerkt noch vor den ersten Gesprächen mit seinen Amtskollegen – etwas mehr öffentliche Vorab-Freundlichkeit erwarten, und sei sie noch so gespielt. Einerseits.

Andererseits darf man dem grünen Vizekanzler durchaus unterstellen, dass er es auf einer übergeordneten Ebene gar nicht so schlecht findet, dass Europa einmal die Zähne zeigt. Soll heißen: Habeck, der Minister, muss und will die deutsche Autoindustrie natürlich nicht in den Strudel einer Zollspirale schicken und die Einheit der europäischen Verhandler wahren. Robert, der grüne Chinaskeptiker, aber hält das geo- und wirtschaftspolitische Gebaren vieler in der Heimat gegenüber dem Land für bestenfalls naiv und kurzsichtig. Da kann ein bisschen Härte nicht schaden. Denn Härte bringt wenigstens Klarheit.

Die Zölle, obwohl im Zentrum der Aufmerksamkeit auf seiner Asienreise, sind aus dieser Perspektive tatsächlich eher ein Randaspekt. Habeck besitzt ein sehr scharfes Sensorium dafür, wie die USA und China in wirtschaftspolitischer Hinsicht aufrüsten: Washington mit dem Inflation Reduction Act, der einen ungeheuren Investitionssog erzeugt, auch und gerade für deutsche Firmen. Peking mit massiven Subventionen, billigen Rohstoffen und gezielter Industriepolitik. Das ist das große Spiel.

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Habeck vermisst ein Bewusstsein für ökonomische Wehrhaftigkeit in Brüssel, aber besonders in Berlin; er schüttelt den Kopf angesichts alter ordnungspolitischer Glaubenssätze (Schuldenbremse! Keine Subventionen!), die aus seiner Sicht an der neuen Wirklichkeit zerschellen. Ihm fehlen Ehrgeiz und Entschlossenheit, dem Ehrgeiz und Entschlossenheit der anderen etwas entgegenzusetzen. Hat Europa, hat Deutschland verstanden, was die Stunde geschlagen hat?

Noch am Freitag erfährt Habeck, dass ein erhoffter Termin mit Ministerpräsident Li Qiang nicht stattfindet. Über die Gewährung und Nicht-Gewährung solcher Termine schicken die Chinesen ihre eigenen diplomatischen Botschaften. Das Gespräch auf höchster Ebene fällt also aus, kein Bedarf beim Gastgeber. Und so entscheidet der Gast aus Deutschland sich seinerseits, seine klare Botschaft zur nächsten passenden Gelegenheit noch einmal zu verdeutlichen.



Der Samstag beginnt mit der ersten Sitzung des Deutsch-Chinesischen Klima- und Transformationsdialog. Habecks Gastgeber ist Zheng Shanjie, Chef der Nationalen Reform- und Entwicklungskommission, ein hochrangiges Mitglied des Apparats. Schon der Handshake ist eher von der unterkühlten Sorte, da ist die Atmosphäre schon mal gesetzt.

Vielleicht fühlt Habeck sich auch zusätzlich provoziert, als er hört, was Zheng ihm zu sagen hat. Überkapazitäten in Erneuerbaren-Sektor? „Absurd“, sagt der Chinese. Strafzölle auf E-Autos? „Eine solche Vorgehensweise ist nicht akzeptabel.“ Die Wettbewerbsfähigkeit der heimischen Industrie verdanke sich schließlich nicht den Subventionen. Sein Lob für die deutsche Kritik an den Zollplänen klingt dazu fast gönnerhaft.

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Habeck ist nach Zheng an der Reihe. Und auch er hält sich nicht nach lange mit freundlichen Floskeln auf. Er fängt auch nicht mit dem Klima an, sondern mit dem Krieg. „Wir würden anders und nicht so hart bei der Analyse vorgehen, wenn es die Unterstützung von China für Russland nicht geben würde“, sagt er. Die deutschen und europäischen Sicherheitsinteressen seien hier unmittelbar berührt. Seine Botschaft ist unmissverständlich: Wer unseren Feind unterstützt, kann auf Dauer kein Freund und Partner bleiben.

Jemand aus der Delegation hatte übrigens schon vor Abflug prophezeit, man fliege nicht nur nach China, um Pfötchen zu geben. Da hat er recht behalten.

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