Die Krypto-Welt gilt als Wilder Westen der Finanzwelt. Viele Millionen Euro an Anlegergeld versinken in dubiosen Kryptoprojekten, und selbst bei so mancher Branchengröße offenbaren sich dunkle Geheimnisse. Der Milliardenskandal rund um die Pleite von FTX, der drittgrößten Kryptobörse der Welt, ist noch keine zwei Jahre her.
In Europa will die Politik den Sumpf nun trockenlegen. Dafür hat sie eine eigene Kryptoregulierung auf den Weg gebracht. Bereits im April vergangenen Jahres hatte sich das Europäische Parlament auf die Einführung der Verordnung „Markets in Crypto Assets“ (MiCA) verständigt. Sie soll den Markt für Anleger sicherer und transparenter machen.
Die MiCA-Regeln sind eine Ansage an Kryptodienstleister: Wer hier Geschäfte machen will, muss fortan strenge Vorgaben erfüllen. Nun greift die MiCA-Verordnung in einem ersten Schritt: Teile der neuen Kryptoregulierung gelten im Europäischen Wirtschaftsraum zum 1. Juli, der Rest zum Jahreswechsel.
Absehbar ist, dass die neue Kryptoregulierung Anleger in Europa einschränken dürfte – und im Zweifel genau das Gegenteil dessen bewirken könnte, was sich die Regulatoren eigentlich erhoffen: Am Ende könnten Anleger vermehrt auf ausländische Kryptoanbieter ausweichen, die keine Handelslizenz in Deutschland haben.
Krypto-Regulierung zielt zunächst auf Stablecoins
Konkret geht es in der ersten Etappe der MiCA-Einführung um sogenannte Stablecoins. Ein Stablecoin ist eine Kryptowährung, die wertstabil bleiben soll und an einen anderen Vermögenswert gekoppelt ist, etwa den Dollar.
Stablecoins sind so etwas wie das Schmiermittel in der Kryptowelt. Sie sind zum Beispiel wichtig, wenn Anleger ihre Kryptobestände nicht auf zentralen Kryptobörsen, sondern in privaten Wallets halten.
Ein Beispiel: Anleger X kauft bei einer Kryptobörse Stablecoin-Anteile für 1000 Euro. Diese Stablecoin-Einheiten tauscht er gegen Bitcoin-Anteile im Gegenwert von 1000 Euro Bitcoin. Später will X diese verkaufen, aber das Geld im Kryptosystem lassen und bei Gelegenheit andere Kryptogeschäfte machen. Mit Stablecoins geht dies schneller und – je nach Plattform – auch günstiger, als würde er über einen zentralen Anbieter handeln. Gerade für handelsfreudige Kryptoanleger sind Stablecoins also essenziell.
Um Stablecoins weiterhin auf europäischen Handelsplätzen anbieten zu dürfen, benötigen die Emittenten fortan eine Lizenz bei einer Aufsichtsbehörde wie der BaFin. Im Genehmigungsprozess müssen die Emittenten unter anderem nachweisen, dass der Token mit ausreichend Reserven gedeckt ist.
Diese Anforderung gibt es aus gutem Grund: Ist der Stablecoin nicht ausreichend abgesichert, kann er bei starkem Verkaufsdruck seine Bindung an den Dollar verlieren und crashen.
„Das hat ein Delisting von US-Stablecoins zur Folge“
Grundsätzlich befürworten auch die meisten Kryptounternehmen die Einführung einer europaweiten Regulierung, weil dies die Akzeptanz in der Bevölkerung stützen könnte.
Nur: Bislang sieht es so aus, als würde sie die Handelsmöglichkeiten für Anleger in Europa beschneiden. „Die MiCA-Regulierung hat ein Delisting von US-Stablecoins zur Folge“, sagt Peter Grosskopf, der die Solarisbank mitgründete und nun mit der Iron Bank ein Krypto-Geldhaus aufbaut. „Letztlich macht das Regelwerk Europa zu einem Monopol von Euro-Stablecoins.“
Die Stablecoin-Anbieter dürfen fortan Transaktionen in Fremdwährungen wie Dollar nur bis zu einem Volumen von 200 Millionen Euro pro Tag abwickeln. Und: Bislang stocken die Genehmigungen.
Der Bitcoin-ETF im Detail
Viele Experten sehen darin einen Ritterschlag für den Bitcoin. Die Genehmigung habe eine große Signalwirkung erzeugt und werde für den Bitcoin deutlich mehr Professionalisierung schaffen, meinen Marktbeobachter. Die neuen Indexfonds wurden nämlich von etablierten Wall-Street-Häusern wie BlackRock aufgelegt.
Mit den neuen Finanzprodukten wird es für Investoren in den USA einfacher, in den Bitcoin zu investieren. ETF steht für „exchange-traded fund“ – übersetzt „börsengehandelter Fonds“. Mit ETFs wird normalerweise ein bestimmter Börsen-Index nachgebildet, etwa der MSCI World, in dem unter anderem die Aktien von Apple, Microsoft, Amazon, Alphabet (Google) und Meta (Facebook) stecken. Die neuen Bitcoin-ETFs setzen nur auf ein Pferd, nämlich den Bitcoin und spiegeln nur die Kursentwicklung der Kryptowährung wider.
Anleger, die selbst Bitcoin kaufen, müssen sich entweder selbst um die Verwahrung in einer digitalen Brieftasche (Wallet) kümmern. Oder sie müssen Dienstleistern wie Coinbase oder Bitpanda vertrauen, die mit ihren Apps auch Online-Wallets anbieten. Bei den nun zugelassenen ETFs kaufen Fonds-Anbieter wie Blackrock ihre Bitcoin-Bestände auf eigene Rechnung ein. Die Anleger erhalten dann nicht die Bitcoins selbst, sondern ein Zertifikat, das den Anspruch darauf bescheinigt. Dafür verlangen die Finanzhäuser Gebühren. Bei Blackrock sind das 0,25 Prozent der Investitionssumme im Jahr.
Der Kurs schwankt sehr stark, und Prognosen für den weiteren Verlauf sind schwierig. Die Bedeutung der ETF-Zulassung kann man aber an dem Kurs der vergangenen Monate ablesen. Mitte Oktober, bevor Gerüchte über eine bevorstehende Zulassung kursierten, lag der Kurs bei rund 26.500 Dollar. Vor der SEC-Entscheidung stieg der Bitcoin auf knapp 48.000 Dollar.
Experten trauen dem Bitcoin zu, 2024 ein Rekordhoch von über 69.000 Dollar zu erreichen und halten auch Kurse von über 100.000 Dollar. Profitieren würde der Bitcoin-Kurs vor allem, wenn institutionelle Investoren in die Kryptowährung investieren. Sogenannte HODL-Investoren, die ihre Kryptobestände halten, egal wie hoch oder niedrig die Preise sind, spekulieren sogar auf ein Überschreiten der Schwelle von einer Million Dollar. Auf der anderen Seite gibt es warnende Stimmen, etwa die deutsche Verbraucherzentrale. Bitcoins seien aufgrund der Risiken – von starken Kursschwankungen bis zum Totalverlust – als Geldanlage nicht zu empfehlen, erklärten die Verbraucherschützer im November.
Nein, solche „One-Trick-Ponys“ widersprechen den Regularien in Deutschland. Deshalb gibt es in der Bundesrepublik im Gegensatz zu den USA auch keine ETFs, die sich ausschließlich am Goldpreis orientieren. Wer virtuell in Gold investieren möchte, muss in Deutschland auf ETCs ausweichen. ETC steht für exchange-traded commodities („börsengehandelte Rohstoffe“). Sie funktionieren ähnlich wie ETFs: Sie können ebenfalls direkt an der Börse gehandelt werden und bilden den Goldpreis annähernd nach. Rechtlich gesehen sind ETCs aber unbefristete Schuldverschreibungen und keine Investmentfonds. Ähnliche Angebote gib es in Deutschland für den Bitcoin. Das sind dann sogenannte ETPs (exchange-traded products) oder ETNs (exchange-traded notes), die den Bitcoin ebenfalls abbilden.
Etliche Krypto-Anleger rechnen durch den Einstieg der traditionellen Finanzwirtschaft in den Bitcoin-Markt mit einer erhöhten Nachfrage nach Bitcoin. Das würde zwangsläufig zu einer Kurssteigerung führen, weil die Gesamtzahl der Bitcoins auf 21 Millionen begrenzt ist. Kritiker sehen den Einstieg dagegen skeptisch, auch weil der Bitcoin einst als Gegenreaktion auf die Finanzkrise entstand, für die traditionelle Geldhäuser verantwortlich waren. Der unter dem Pseudonym Satoshi Nakamoto agierende Bitcoin-Gründer wollte mit seinem Gegenentwurf vermeiden, dass Banken und Vermögensverwalter am Wertaufbau mitverdienen.
Ausgerechnet für den mit Abstand relevantesten Stablecoin liegt bislang keine vor: Tether (USDT). Mit einer Marktkapitalisierung von rund 113 Milliarden Dollar ist er die drittgrößte Digitalwährung.
Auf Anfrage der WirtschaftsWoche teilt Tether mit, dass man sich generell um Lizenzen bemühe. In der jetzigen Form aber würde die MiCA-Regulierung Stablecoins riskanter machen. Diese Argumentation weckt bei so manchen Experten Zweifel, ob man es mit den Genehmigungsbemühen ernst meint. Auch Tether selbst begründet das Resümee nicht, fordert aber „strategische Anpassungen und eine Zusammenarbeit mit Regulierungsbehörden“.
Das bedeutet die fehlende Tether-Lizenz
Wenn Kryptodienstleister nun unregulierte Stablecoins anbieten, könnten sie in den Fokus der Finanzaufsicht geraten. Ein Sprecher der BaFin teilte mit, dass Unternehmen in solch einem Fall „objektiv einen Beitrag zur Durchführung dieser unerlaubten Kryptogeschäfte leisten“ würden. Konkrete Konsequenzen bei Regelverstößen benennt die Aufsicht nicht.
Die bislang fehlende Lizenz von Tether hat Folgen für Anleger. Einige Kryptobörsen haben bereits angekündigt, den Handel mit dem Stablecoin für europäische Anleger einzuschränken. Die Kryptobörsen Uphold und OKX beispielsweise planen in der EU gar ein Delisting unter anderem von Tether.
Bei Binance, der weltweit größten Kryptobörse, soll die „Verfügbarkeit von nicht autorisierten Stablecoins“ für europäische Nutzer eingeschränkt werden. Kunden können diese nur noch verkaufen oder in andere Digitalwährungen umtauschen, allerdings keine neuen Stablecoin-Einheiten erwerben.
Drängt MiCA Anleger zu unregulierten Börsen?
Eine Sprecherin der Kryptobörse Coinbase antwortete auf Anfrage der WirtschaftsWoche zurückhaltend und erklärte: „Wir werden die Situation weiter beobachten, um zu beurteilen, welche Token die neuen MiCA-Compliance-Standards erfüllen, sobald die neuen Regeln in Kraft treten.“
Der Konkurrent Kraken teilte mit, man habe „derzeit keine Pläne, das Stablecoin-Angebot für Kunden in der EU zu ändern“. Krypto-Fachmann Grosskopf interpretiert diese Aussage so: „Wie es aussieht, wollen es manche Kryptobörsen wie Kraken drauf ankommen lassen und riskieren Ärger mit den Aufsehern.“
Wer nur ab und zu Bitcoin kauft, dem treffen die Einschränkungen bei Stablecoins nicht. Die Debatte ist eher für erfahrene Anleger relevant. Für die seien zentrale und in Europa regulierte Kryptobörsen dann aber keine Option mehr, glaubt Alexander Höptner. Der frühere Chef der Börse Stuttgart leitet heute das Kryptounternehmen AllUnity, das unter anderem für die Deutsche-Bank-Fondstochter DWS an einem eigenen Stablecoin arbeitet.
„Anleger müssten ihre Anteile an betroffenen Stablecoins verkaufen, auf die eigene Wallet oder an Kryptobörsen außerhalb Europas transferieren“, erklärt er. Wer zum Beispiel über den US-amerikanischen Auftritt von Binance handelt, umgeht die neue Krypto-Richtlinien in der EU – begibt sich aber in einen unkontrollierten Markt. Ob man das mit der Kryptoregulierung bezwecken wollte?
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