Normalerweise bilden Tech-Aktien und der Bitcoin eine Symbiose an den Märkten. Fast wie im Gleichschritt steigen oder fallen der Kurs der US-Techwerte-Index Nasdaq und der Preis der Kryptowährung. Gerade sieht die Lage aber anders aus: Während der Technologieindex binnen eines Monats immerhin gut drei Prozent Plus machte und jüngst ein neues Rekordhoch knackte – befeuert vor allem durch die Kursentwicklung beim Chiphersteller Nvidia –, ging es beim Bitcoin gut 12 Prozent nach unten.
Zuletzt notierte die Kryptowährung am Dienstagvormittag bei rund 60.900 Dollar und damit deutlich unter ihrem im März neu aufgestellten Allzeithoch von fast 73.800 Dollar. Ein Absturz unter die psychologisch wichtige 60.000-Dollar-Marke scheint nicht mehr unrealistisch. Sollte es zu weiteren Kursrückschlägen kommen, hätte der Bitcoin bei etwa 57.570 Dollar eine wichtige Unterstützungslinie. Dort verläuft momentan die 200-Tage-Linie, die aus charttechnischer Sicht Trends markiert.
Auch andere Digitalwährungen verlieren derzeit kräftig an Wert. Insbesondere einige Altcoins – also kleinere, alternative Coins – stehen auf Wochensicht sogar zweistellig im Minus. „Es scheint sich eine bärische Stimmung breit zu machen“, sagte Caroline Mauron von der Derivateplattform Orbit Markets. „Der Markt hat Schwierigkeiten, große Verkaufsaufträge zu verdauen.“
Für den Kursrutsch bei Bitcoin und Co. gibt es mehrere Gründe.
1. Miner machen Kasse
Seit Ende vergangenen Jahres stoßen Miner laut Daten des Krypto-Analyseportals Glassnode einen Teil ihrer Bitcoin-Bestände ab. Miner stellen die Rechenleistung ihrer Computer zur Verfügung, um Bitcoin-Transaktionen zu ermöglichen und dabei neue Einheiten der Kryptowährung zu erschaffen. Dass sie sich nun von ihren Beständen trennen, ist nicht überraschend. Denn das Mining ist seit April für sie weniger lukrativ.
Fürs Mining erhalten die Bitcoin-Produzenten eine Belohnung. Bis vor kurzem waren es noch 6,25 Bitcoins für jeden verifizierten Block, den die Minder der Blockchain hinzufügten. Die Blöcke enthalten die Informationen über alle Bitcoin-Transaktionen, die Blockchain ist das digitale Datenprotokoll des Bitcoin. Seit einem Ereignis am 20. April, dem sogenannten Halving, sind es nur noch 3,125 Bitcoin. Um die alte Menge zu schürfen, müssten sie kräftig in Hardware investieren. Das rechnet sich nicht für jeden. Wegen der reduzierten Belohnung steigen einige Miner aus und versilbern ihre sogenannten Block Rewards.
Dass weniger Miner im Netzwerk aktiv sind, zeigt sich auch an der Hashrate. Sie misst die gesamte Rechenleistung des Bitcoin-Netzwerkes und ist sowohl für die Ertragschancen von Minern als auch die Sicherheit des Systems wichtig. Die Hashrate liegt gerade bei 605 Exahashes pro Sekunde – gut sieben Prozent weniger als noch vor dem Halving.
Interessant sind auch Daten des Blockchain-Analysehauses Arkham. Sie zeigen, dass das Bundeskriminalamt (BKA) gerade massiv Kryptowährungen transferiert. Im Januar hatten Behörden fast 50.000 Bitcoins im Rahmen eines Verfahrens gegen die illegale Videodienstplattform movie2k – der Nachfolger der bekannten Seite kino.to – beschlagnahmt. Nun verschickt eine dem BKA zugeordnete Walletadresse regelmäßig Bitcoin-Tranchen an verschiedene andere digitale Geldbörsen, unter anderem bei den Kryptobörsen Coinbase und Kraken. In der Szene wird diskutiert, ob das den Bitcoin-Kurs bewegt hat. Von außen lässt sich nur darüber spekulieren. Gegen einen großen Einfluss der BKA-Transfers spricht, dass die größten Bestände an andere Regierungswallets geschickt wurden.
2. Zinssorgen bleiben bestehen
Für den Bitcoin sind hohe Zinsen Gift. Anleger verdienen mit ihm nur Geld, wenn der Kurs steigt. Wenn Assets wie Anleihen oder Festgeld sicher und solide Zinsen abwerfen, ist die Kryptowährung für Anleger weniger attraktiv. Während die Europäische Zentralbank vor wenigen Wochen bereits die Wende von der Zinswende eingeleitet hatte und damit den Grundstein für wieder sinkende Zinsen am Kapitalmarkt legt, blieb die US-Notenbank Fed bislang auf Kurs. Für den Bitcoin deutlich relevanter, was in den USA und auf dem dortigen Markt geschieht.
Der Leitzins in den USA bleibt damit in einer Spanne von 5,25 bis 5,5 Prozent. Fed-Chef Jerome Powell betonte in seiner Rede, dass sie zwar eine Abschwächung der Inflation registriere. Tatsächlich ist die Teuerungsrate von 9,1 Prozent im Juni 2022 auf zuletzt 3,3 Prozent im Mai gesunken. Das liegt aber noch immer deutlich über dem Inflationsziel der Fed von zwei Prozent. Und: Die letzte Meile, also die Inflation unter drei Prozent zu bekommen, erweist sich offenbar als schwierig. Einige Marktteilnehme stellen sich also gerade auf ein „higher for longer“ ein.
Ein mögliches Szenario ist, dass es in diesem Jahr zu nur einer Zinssenkung kommt – je nachdem, wie sich Inflations- und Arbeitsmarktdaten entwickeln. Ende vergangenen Jahres hatten Marktteilnehmer noch mit mehreren Zinsschritten nach unten gerechnet. Diese Erwartung war ein Treiber der Aktien- und Kryptomärkte.
3. Bitcoin-ETFs schwächeln
Anfang des Jahres wurden in den USA die neuen Bitcoin-ETFs zugelassen, mit denen Anleger so einfach wie noch nie in die Kryptowährung investieren können. Auch institutionelle Investoren wie Pensionskassen sind eingestiegen. Seit einigen Wochen verzeichnen die Indexfonds allerdings Mittelabflüsse.
Der Bitcoin-ETF im Detail
Viele Experten sehen darin einen Ritterschlag für den Bitcoin. Die Genehmigung habe eine große Signalwirkung erzeugt und werde für den Bitcoin deutlich mehr Professionalisierung schaffen, meinen Marktbeobachter. Die neuen Indexfonds wurden nämlich von etablierten Wall-Street-Häusern wie BlackRock aufgelegt.
Mit den neuen Finanzprodukten wird es für Investoren in den USA einfacher, in den Bitcoin zu investieren. ETF steht für „exchange-traded fund“ – übersetzt „börsengehandelter Fonds“. Mit ETFs wird normalerweise ein bestimmter Börsen-Index nachgebildet, etwa der MSCI World, in dem unter anderem die Aktien von Apple, Microsoft, Amazon, Alphabet (Google) und Meta (Facebook) stecken. Die neuen Bitcoin-ETFs setzen nur auf ein Pferd, nämlich den Bitcoin und spiegeln nur die Kursentwicklung der Kryptowährung wider.
Anleger, die selbst Bitcoin kaufen, müssen sich entweder selbst um die Verwahrung in einer digitalen Brieftasche (Wallet) kümmern. Oder sie müssen Dienstleistern wie Coinbase oder Bitpanda vertrauen, die mit ihren Apps auch Online-Wallets anbieten. Bei den nun zugelassenen ETFs kaufen Fonds-Anbieter wie Blackrock ihre Bitcoin-Bestände auf eigene Rechnung ein. Die Anleger erhalten dann nicht die Bitcoins selbst, sondern ein Zertifikat, das den Anspruch darauf bescheinigt. Dafür verlangen die Finanzhäuser Gebühren. Bei Blackrock sind das 0,25 Prozent der Investitionssumme im Jahr.
Der Kurs schwankt sehr stark, und Prognosen für den weiteren Verlauf sind schwierig. Die Bedeutung der ETF-Zulassung kann man aber an dem Kurs der vergangenen Monate ablesen. Mitte Oktober, bevor Gerüchte über eine bevorstehende Zulassung kursierten, lag der Kurs bei rund 26.500 Dollar. Vor der SEC-Entscheidung stieg der Bitcoin auf knapp 48.000 Dollar.
Experten trauen dem Bitcoin zu, 2024 ein Rekordhoch von über 69.000 Dollar zu erreichen und halten auch Kurse von über 100.000 Dollar. Profitieren würde der Bitcoin-Kurs vor allem, wenn institutionelle Investoren in die Kryptowährung investieren. Sogenannte HODL-Investoren, die ihre Kryptobestände halten, egal wie hoch oder niedrig die Preise sind, spekulieren sogar auf ein Überschreiten der Schwelle von einer Million Dollar. Auf der anderen Seite gibt es warnende Stimmen, etwa die deutsche Verbraucherzentrale. Bitcoins seien aufgrund der Risiken – von starken Kursschwankungen bis zum Totalverlust – als Geldanlage nicht zu empfehlen, erklärten die Verbraucherschützer im November.
Nein, solche „One-Trick-Ponys“ widersprechen den Regularien in Deutschland. Deshalb gibt es in der Bundesrepublik im Gegensatz zu den USA auch keine ETFs, die sich ausschließlich am Goldpreis orientieren. Wer virtuell in Gold investieren möchte, muss in Deutschland auf ETCs ausweichen. ETC steht für exchange-traded commodities („börsengehandelte Rohstoffe“). Sie funktionieren ähnlich wie ETFs: Sie können ebenfalls direkt an der Börse gehandelt werden und bilden den Goldpreis annähernd nach. Rechtlich gesehen sind ETCs aber unbefristete Schuldverschreibungen und keine Investmentfonds. Ähnliche Angebote gib es in Deutschland für den Bitcoin. Das sind dann sogenannte ETPs (exchange-traded products) oder ETNs (exchange-traded notes), die den Bitcoin ebenfalls abbilden.
Etliche Krypto-Anleger rechnen durch den Einstieg der traditionellen Finanzwirtschaft in den Bitcoin-Markt mit einer erhöhten Nachfrage nach Bitcoin. Das würde zwangsläufig zu einer Kurssteigerung führen, weil die Gesamtzahl der Bitcoins auf 21 Millionen begrenzt ist. Kritiker sehen den Einstieg dagegen skeptisch, auch weil der Bitcoin einst als Gegenreaktion auf die Finanzkrise entstand, für die traditionelle Geldhäuser verantwortlich waren. Der unter dem Pseudonym Satoshi Nakamoto agierende Bitcoin-Gründer wollte mit seinem Gegenentwurf vermeiden, dass Banken und Vermögensverwalter am Wertaufbau mitverdienen.
Zuletzt umfassten die Bitcoin-ETFs der elf Anbieter zusammen rund 14,6 Milliarden Dollar – knapp eine Milliarde Dollar weniger als noch vor gut zwei Wochen. Eine Konsolidierung dürfte angesichts der jüngsten Rally nicht überraschen. Insbesondere die Zulassung der ETFs hatte den Kurs der Kryptowährung getrieben, und zwar bereits Monate zuvor. Seit September vergangenen Jahres ist der Kurs um fast 140 Prozent gestiegen.
4. Mt. Gox-Geschädigte könnten verkaufen
In der Kryptowelt gibt es viele Geschichten des Scheiterns. Vor etwa zehn Jahren, als Bitcoin und Co. noch absolute Nischenprodukte waren, ging die Kryptobörse Mt. Gox pleite. Es begann ein langes Insolvenzverfahren, bei dem knapp 142.000 Bitcoins geborgen werden konnten. Insgesamt schuldet Mt. Gox seinen Anlegern knapp neun Milliarden Dollar.
Nun will Mt. Gox im Juli damit beginnen, den Geschädigten ihr Bitcoins auszuzahlen, wie aus einem Statement des Insolvenzverwalters von diesem Montag hervorgeht. Für die Geschädigten könnte die Verlockung groß sein, diese Bestände zu verkaufen. Damals notierte Bitcoin bei rund 320 Dollar. Der Wert der verloren geglaubten Digitalmünzen ist also um gut 18.900 Prozent gestiegen.
Hinweis: Dieser Artikel erschien zuerst am 24. Juni. Wir haben ihn aktualisiert und zeigen ihn erneut.
Lesen Sie auch: Mit dieser riskanten Strategie können Krypto-Anleger jetzt mehr rausholen