Quiet Vacationing Warum Sie im Urlaub wirklich abschalten sollten

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Homeoffice am Strand macht als „Quiet Vacationing“ die Runde. Anwälte raten hingegen dazu, Arbeit und Urlaub strikt zu trennen – und bei Ausnahmen rechtzeitig um Verständnis beim Chef zu werben.

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Mit dem Laptop am Pool – was für viele Beschäftigte wie ein Horrorszenario klingt, ist für viele Vertreter der Generation Z ein zunehmend beliebter Weg, um mehr Urlaub in den Alltag zu holen. Als „Quiet Vacationing“ macht dieser Trend zumindest in sozialen Netzwerken die Runde. Und so stellt sich gerade jetzt, da das Wetter endlich schöner wird und eben zum Laptop am Pool einlädt, die Frage: Wie sehr vertragen sich Arbeit und Urlaub wirklich?

Im Grunde gar nicht, sagen Anwälte. Vorgesetzte dürften deshalb generell nicht verlangen, dass man in den Ferien das Diensthandy mitnimmt, erklärt der auf Arbeitsrecht spezialisierte Anwalt Jan Aufterbeck. „Der Urlaub dient der Erholung“, betont er. Und wer ständig erreichbar sein müsse, könne sich nicht erholen. Eine kleine Einschränkung gibt es allerdings.

Handy im Urlaub ausschalten

So hat das Bundesarbeitsgericht im vergangenen Jahr entschieden, dass Angestellte in bestimmten Fällen durchaus auch in ihrer Freizeit Dienstliches erledigen müssen (Az. 5 AZR 349/22). Demnach können Unternehmen per Betriebsvereinbarung Angestellte in die Pflicht nehmen, auch im Urlaub eine SMS zu lesen – und darauf zu antworten. Im konkreten Fall ging es um Dienstplanänderungen für den nächsten Tag. „Zumindest am Vorabend des ersten Arbeitstages empfiehlt sich daher ein kurzer Check des (privaten) Handys auf mögliche Nachrichten des Chefs“, rät Corinne Klapper, Fachanwältin für Arbeitsrecht.

Andernfalls aber kann das Diensthandy laut der Expertin während des Urlaubs ruhigen Gewissens ausgeschaltet bleiben. Um Konflikte oder Missverständnisse mit Kollegen zu vermeiden, rät die Partnerin bei der Kanzlei Advant Beiten: „Kommunizieren Sie klar, dass Sie während des Urlaubs oder ab einem bestimmten Zeitpunkt keine Nachrichten lesen.“ 

Doch was tun, wenn Kollegen sich dennoch auf der privaten Nummer oder via Chat mit Anliegen melden? „In den meisten Fällen bietet es sich an, nicht zu reagieren“, sagt Aufterbeck. Ausnahme: Es gibt eine Betriebsvereinbarung, die Beschäftigte dazu verpflichtet, im Urlaub erreichbar zu sein. Trotzdem muss sich selbst dann die Kontaktaufnahme im Urlaub laut Klapper auf Extremfälle beschränken. Wie genau die aussehen könnten, hängt vom Einzelfall ab. „Eine gesetzliche Definition, was noch Urlaub und was schon Arbeit ist, gibt es nicht“, erläutert die Juristin.

Das Recht auf Erholung ist auch eine Pflicht

Manch ein Arbeitnehmer möchte im Urlaub aber durchaus erreichbar sein – oder sogar ein wenig arbeiten. In solchen Situationen ist laut den Experten Vorsicht geboten. Denn wenn der Arbeitgeber Urlaub gewährt, hat er auch ein Recht darauf, dass der Beschäftige energiegeladen zurückkehrt. Wer im geringen Maß arbeiten möchte, ohne seine Erholung zu beeinträchtigen, sollte dies laut Klapper stets vorab mit dem Arbeitgeber besprechen.

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Aufpassen sollte man in den Ferien übrigens auch beim ehrenamtlichen Engagement. Dies könne als Erwerbstätigkeit gelten, die laut Bundesurlaubsgesetz untersagt sei, warnt Aufterbeck. Wer im Urlaub ausgiebig beispielsweise als Rettungsschwimmer oder Notfallhelfer im Einsatz ist, riskiert laut dem Anwalt, dass der Arbeitgeber den Urlaub nachträglich streicht.

Beim „Quiet Vacationing“ hingegen geht es weniger um den Urlaub – und mehr um die Stille: Schließlich wird dabei das Homeoffice an den Ferienort verlegt. Das ist laut den Experten durchaus möglich, wenn der Job vernünftig erledigt werden kann. Klammheimlich darf das aber nicht geschehen. Denn generell besteht kein Anspruch auf mobiles Arbeiten, wie Klapper betont. Der Arbeitgeber dürfe die Tätigkeit am Ferienort deshalb sogar grundlos verweigern. Anders sehe es aus, wenn mobiles Arbeiten laut Betriebsvereinbarung oder Arbeitsvertrag grundsätzlich erlaubt sei und der Ort frei gewählt werden dürfe.

Tipps für die Arbeit im Homeoffice

Homeoffice-Pauschale gibt's nicht in der Ferienwohnung

Wer allerdings plant, im Ferien-Homeoffice eine Steuervergünstigung zu erhalten, wird enttäuscht. Die Homeoffice-Pauschale darf nach Ansicht des Lohnsteuerhilfevereins Vereinigte Lohnsteuerhilfe (VLH) nicht beantragt werden. Laut Gesetz gilt die Pauschale von sechs Euro pro Tag (jährlich maximal 1260 Euro) nämlich nur für Arbeit in der häuslichen Wohnung. Eine Ferienwohnung oder ein Hotelzimmer seien damit nicht gemeint, urteilen die Experten.

Auch für andere Option, die das hybride Arbeiten erst möglich macht, gilt: Es kann sich lohnen, dafür beim Chef zu werben. Etwa eine Stelle zwei Wochen auf halbtags zu reduzieren und dafür nur eine Woche Urlaub zu nehmen – nach dem Motto: vormittags am Schreibtisch, nachmittags am Pool. Wenn sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer einig seien, sei eine solche Vereinbarung möglich, sagt Aufterbeck. Es herrsche Vertragsfreiheit.

Homeoffice im Ausland? Nicht mit Touristenvisum!

Um gute Chancen auf Homeoffice im Urlaub zu haben, sollte vielleicht lieber Nordseeküste statt Malediven auf dem Reiseplan stehen. Denn bei der Arbeit am Ferienort müssten auch Fragen wie Datenschutz oder Steuer- und  Sozialversicherungsrecht beachtet werden, gibt Virginia Mäurer von Advant Beiten zu bedenken. Wer mit Diensthandy oder -laptop ins Ausland reisen will, sollte laut der Rechtsanwältin zusätzlich vorher klären, ob der Arbeitgeber das gestattet. Hinzu kommt: Wer mit einem Touristenvisum verreist, darf im Zielland meist keiner Arbeit nachgehen – auch nicht am Computer für ein deutsches Unternehmen, warnt Mäurer.

Selbst in Deutschland kann es rechtliche Probleme geben, wenn Arbeit und Urlaub vermischt werden. So ist es laut Klapper nicht eindeutig geklärt, ob die Unfallversicherung greift, wenn man sich bei der Ausübung des Jobs in den Ferien verletzt. „Bereits die Arbeit im Homeoffice kann anders zu beurteilen werden. Vom Campingplatz ganz zu schweigen“, ergänzt Mäurer.

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Eindeutig ist die Rechtslage hingegen, wenn ein Arbeitnehmer im Urlaub krank wird. Dann werden die Krankheitstage grundsätzlich nicht auf den Jahresurlaub angerechnet, wie Aufterbeck erläutert. Beschäftigte sollten den Arbeitgeber unverzüglich informieren, auch die voraussichtliche Dauer der Krankenzeit und bei Urlaub im Ausland die Adresse des Aufenthaltsortes mitschicken. Je nach Land könne es Pflicht sein, die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung in Papierform vorzulegen, sagt der Jurist. Eine Gutschrift von Urlaubstagen sollte laut Mäurer auch vereinbart werden, wenn es ein Notfall im Betrieb nötig macht, dass der Betroffene einspringt und dafür mehr Zeit braucht, als kurz eine SMS zu lesen.

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