Der Management-Moment der Woche Wie Unternehmen Mitarbeiter reibungsloser entlassen als Siemens

Quelle: imago images

Der Management-Moment der Woche und was sich daraus lernen lässt: Siemens verweigert einer Führungskraft nach der Elternzeit die Rückkehr in Teilzeit. Der Streit eskaliert. Wie Unternehmen es besser anstellen können.

  • Teilen per:
  • Teilen per:

Das ist passiert 

Die Vorgesetzte einer schwangeren Führungskraft bei Siemens schrieb dieser per E-Mail, sie solle sich einen neuen Job suchen. Man habe das Vertrauen in sie, die Verantwortliche für den Kundenservice der Fabrikautomation, verloren. Zu einem Treffen der beiden kam es wohl erst Monate später, als das Baby schon geboren und die Managerin in Elternzeit war. Siemens verweigerte der Managerin die Rückkehr in den Job – diese geht vor Gericht. Das Unternehmen warf ihr schlechtes Führungsverhalten vor, was ein Compliance-Verstoß sei. Recherchiert hatte das für Siemens die Kanzlei CMS, die als Arbeitgeberanwalt engagiert worden war, obwohl Compliance-Untersuchungen normalerweise separate Aufträge für Compliance-Experten und Strafrechtler sind. Deren Ergebnis: Drei Mitarbeiter hätten der Chefin vorgeworfen, sie würde mobben, verbal aggressiv auftreten und die Machtstellung ihres Ehemanns ausnutzen. Die Richter konnten das jedoch nicht nachvollziehen und sahen keinen Pflichtverstoß.

Dieses Vorgehen des Konzerns veranlasste wiederum den Mann der Betroffenen, Personalchef Jochen Wallisch, Siemens zu verlassen, wie der Konzern in den Medien vor wenigen Tagen bestätigte. Nun geht der Fall durch die Medien, das Arbeitgeberimage dürfte leiden.

Das lässt sich daraus lernen

1. Von vornherein nur den Typus Diplomat verhandeln lassen

Ganz entscheidend für erfolgreiche Trennungsgespräche ist die Auswahl des richtigen Verhandlungsführers, rät Arbeitgeberanwältin Bettina Steinberg. Es muss nicht der Personal-Abteilungsleiter sein, weil der gerade auf dem Posten sitzt, bei dem solche heiklen Aufgaben angesiedelt sind. Es könne ebenso gut ein nachgeordneter Mitarbeiter ganz ohne eine Vorgesetztenrolle sein, meint die Kölner Juristin. Kurz: Es sollte jemand sein, der als Charmebolzen gilt, dem man kaum etwas übel nimmt. Jemand mit zusätzlicher Mediatorenausbildung würde meist auch passen. Oder eine Person mit natürlichem Diplomatengeschick, die es versteht, andere Menschen ihr Gesicht wahren zu lassen. „Der unliebsam gewordene Mitarbeiter, dem vielleicht gar nichts Greifbares vorzuwerfen ist, muss mitgenommen statt sauer gefahren werden“, rät die Anwältin.

Der Fall einer Siemens-Managerin, die schwanger wurde und nun um ihren Job kämpfen muss, erschüttert den Dax-Konzern. Nun wurde der mit ihr verheiratete Personalchef in Mitleidenschaft gezogen.
von Angela Maier

„Das alles gilt umso mehr, wenn der wahre Trennungsgrund, dass man prinzipiell keine Teilzeitkräfte beschäftigen will, üblicherweise nicht ausgesprochen wird“, konstatiert sie. Das komme bei etlichen Unternehmen – auch renommierten Markenartiklern oder Luxuslabels – vor, trotz gesetzlichen Anspruchs der Angestellten auf Teilzeit. Etwa, weil Arbeitgeber dabei schlechte Erfahrungen wegen organisatorischer Probleme machten, weil Vollzeitkräfte sich ärgerten, dass sie für die privilegierten Kollegen mitarbeiten, ständig Rücksicht nehmen und selbst draufzahlen müssten. Oder weil die Geschäftsführung kritisiert, dass etwa Vertriebler in Teilzeitjobs niedrigere Umsätze als die Kollegen einfahren. Dabei übersähen die Unternehmenslenker oft, dass die Ergebnisse erst dann vergleichbar würden, wenn sie auch den halben Lohn und die halbe Einsatzzeit berücksichtigten, stellt Steinberg immer wieder fest.

Auch Arbeitsrechtler Thomas Müller von der Kanzlei GvW Graf von Westphalen in München zieht das Resümee: „Viele Unternehmen werben für sich als Arbeitgeber mit internen Frauenzirkeln, Quoten und Hochglanzbroschüren, doch sie leben das Gegenteil und wollen nur zur Not Teilzeitkräfte – auf allen Ebenen.“ Eben weil sie erfahren haben, wie ihre Planungen von Projekten mit Teilzeitkräften nicht funktionierten und der Betriebsfrieden litt, wenn Teilzeitarbeitnehmer Groll unter den Vollzeitkräften schürten. Die müssten dann nämlich Überstunden machen, sehr oft auch unbezahlte, um die Arbeitsmengen zu bewältigen. Während die Teilzeitkräfte konsequent zum regulären Feierabend zur Tür hinausgingen, weil sie die Kinder pünktlich bei der Kita abholen müssten.

Das Grundübel ist in den meisten Unternehmen hausgemacht, wenn die Personaldecke aus Kostenspargründen so stark ausgedünnt wurde, dass ohnehin viele Arbeitnehmer über Arbeitsverdichtung, hohen Effizienzdruck und gestiegenes Arbeitstempo klagen, wie das Analyseunternehmen Gallup in einer Langzeitstudie seit dem Jahr 2001 stets aufs Neue analysiert. Müller rät seinen Klienten deshalb gleich davon ab, „zu hochtrabende Unternehmenswerte aufzuschreiben und zu verbreiten“.

2. Mitarbeiter mit Ehrlichkeit entwaffnen

Die häufigste Vorgehensweise der Unternehmen ist tatsächlich ein taktischer Fehler, mit dem sie sich keinen Gefallen tun: Sie suchen nach vorgeschobenen Gründen wie Fehler in früheren Spesenabrechnungen oder nach vermeintlichen Compliance-Verstößen wie Führungsfehlern, Mobbing oder Überschreitungen von Vollmachten. „Dabei führen gerade vorgeschobene oder konstruierte Vorwürfe nur dazu, dass sich Führungskräfte unfair behandelt fühlen und ihre Kooperationsbereitschaft gen Null sinkt“, weiß Müller. Besser sei, man meide die persönliche Ebene und kaufe ihnen ihr Einverständnis regelrecht ab. Zumal sie nun ohnehin wüssten: Es geht in dieser Firma nicht weiter für sie.

Miele baut in Deutschland 1300 Arbeitsplätze ab. Oft bekommen Betroffene eine Abfindung. Mit vier Schritten holen Angestellte bei den Verhandlungen mehr heraus.
von Niklas Hoyer

Anwältin Steinberg rät Unternehmen deshalb zu einer ganz anderen Taktik, die auf ersten Blick verblüfft. Und zwar mit entwaffnender Ehrlichkeit. Die Arbeitgeber sollten sagen: „Wir wissen, dass wir gar keinen Kündigungsgrund haben.“

Und weiter: „Wir möchten aber einen Weg finden, uns zu trennen“. Und dass sie den Betreffenden keinen Vorwurf machen. Sie sollten betonen, dass auch die Firma keine Schlammschlacht will und kein Interesse an einem jahrelangen Gerichtsprozess hat. Geht der Fall erst mal vor Gericht und durch zwei Instanzen, dauert es nicht unter zwei Jahren – und schadet der weiteren Karriere des Betroffenen ebenso wie dem Image des Unternehmens.

Da Arbeitnehmer immer die Kosten ihres Prozesses in erster Instanz selbst zahlen müssen, auch wenn sie am Ende gewinnen sollten, müssen sie bei einer renommierten Kanzlei mit rund 30.000 Euro an Kosten rechnen. Rechtsschutzversicherungen zahlen so hohe Kosten nicht, sondern nur die niedrigen, gesetzlichen Gebühren. Und da die Firmen sofort den Lohn stoppen, kann es für Arbeitnehmer finanziell schnell eng werden.

3. Großzügig sein: Die Wahl der Modalitäten und viel Spielraum lassen

„Der Mitarbeiter soll die Möglichkeit haben, am Trennungsprozess teilzuhaben“, betont Steinberg. Die Firma soll kein Abfindungsangebot mit einer festen Summe auf den Tisch legen, sondern ein Budget benennen. In dem Rahmen entscheidet der Mitarbeiter, ob er zum Beispiel eine normale Kündigung mit einer Frist und einer Abfindung möchte. Oder ob er etwa einen Teil des Budgets als Abfindung ausbezahlt haben will und den anderen Teil umwandeln in eine entsprechende Verlängerung seines Arbeitsverhältnisses, um noch mehr Zeit für die neue Jobsuche zu bekommen. Und ob er freigestellt werden will oder nicht. In Homeoffice-Zeiten entfällt oft die Sorge, als Freigestellter enttarnt zu werden.

GvW-Anwalt Müller rät Unternehmen, unbedingt Verschwiegenheitsklauseln mit Vertragsstrafen zu vereinbaren. So wie es im Fall Siemens wohl auch beim Ehemann Jochen Wallisch der Fall ist.

Geschickter sei es bei solchen doppelten Trennungen von Paaren im Übrigen, beide zeitversetzt zu verabschieden, das sei unauffälliger. Das sei kein Problem, wenn einer der zwei ohnehin noch in Elternzeit ist, bei dem bleibt mehr Zeit. „Auf die richtige Reihenfolge kommt es bei der Trennung von Paaren an.“

Betriebliche Altersvorsorge Kann ich den Krankenkassenbeitrag auf meine Betriebsrente vermeiden?

Unser Leser wird eine große Einmalzahlung aus einer Betriebsrente erhalten. In der gesetzlichen Krankenversicherung muss er darauf Beiträge zahlen. Oder gibt es Auswege?

Die besten Strategien Richtig schenken und vererben

Berliner Testament, Kettenschenkung, Güterstandsschaukel: Viele Familien wollen Vermögen übertragen, etwa an die Kinder. Mit den passenden Strategien gelingt das steuergünstig – und konfliktfrei. Das sollten Sie wissen.

Nvidia, ASML, TSMC und Co. Wie geht es nach dem Kurssturz mit den Chip-Aktien weiter?

Eine Aussage von Donald Trump schickt die Kurse der großen Chip-Konzerne in den Keller. Doch der KI-Hype dürfte noch eine ganze Zeit lang weitergehen.

 Weitere Plus-Artikel lesen Sie hier

Beide Arbeitsrechtler rechnen vor, dass Trennungen von Arbeitnehmern für Unternehmen doppelt so teuer werden, wenn sie sich vor Gericht verklagen lassen. Insoweit haben auch sie ein klares Kostenrisiko, denn erfahrene Richter lassen sich nicht von Nebelbomben wie angeblichen Fehlern in Spesenrechnungen oder nur schwer beweisbarem Fehlverhalten beirren.

Hinweis: In einer früheren Version dieses Textes stand, dass Siemens die Rückkehr der Managerin verweigere, „weil sie in Teilzeit zurückkehren möchte“. Zudem konnte der Eindruck entstehen, als wolle Siemens grundsätzlich keine Teilzeitkräfte in der Führung. Diesen kausalen Zusammenhang aber gibt es aus Sicht des Unternehmens nicht. Wir haben uns deshalb entschieden, diese Passagen zu streichen.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%