EM 2024 So kommen Sie durch die EM-Hochphase

Brauche ich den Smalltalk über Fußball um Karriere zu machen? Quelle: Getty Images

Sie haben keine Ahnung von Fußball? Und jetzt geht’s um alles. Mit diesen Kniffen punkten Sie beim Smalltalk in der K.o.-Runde.

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Monika Schnitzer bringt beste Voraussetzungen mit: Die Ökonomin kennt sich aus mit Fußball. Und, womöglich noch wichtiger, begeistert sich für Fußball. „Mir hilft es vielleicht, dass ich mich für Fußball interessiere“, sagte sie im „Chefgespräch“, einem Podcast der WirtschaftsWoche. „Und das ist ein Thema, über das kann ich mich auch in diesen Herrenrunden sehr gut unterhalten.“ Schnitzer hält einen Lehrstuhl für Komparative Wirtschaftsforschung an der Ludwig-Maximilians-Universität München – und wurde im Oktober 2022 als erste Frau zur Vorsitzenden des Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung ernannt.

Im Chefgespräch erzählte sie, dass sie an sehr vielen Stationen ihrer Karriere, vielen anderen Gremien, die erste Frau gewesen sei – und dann oftmals auch die einzige. Und so belebend und wichtig Vielfalt sei: „Das ist gar nicht immer so lustig.“ Beispielsweise beim Smalltalk vor wichtigen Besprechungen, wo sie schnell merkte, dass ihre Lebensumstände mit 40 Jahren und drei kleinen Töchtern doch eine andere war als die all der anderen im Raum.

Schnitzer hat bereits eine beachtliche Karriere hingelegt. Und sie dürfte auch in den nächsten Wochen der Fußball-Europameisterschaft keinerlei Schwierigkeiten haben, über Fehlentscheidungen des Schiedsrichters oder die Aufstellung von Bundestrainer Julian Nagelsmann zu plaudern. Aber was, wenn man (oder eben: frau) keine Ahnung von Fußball hat? So tun, als ob? Das im Kollegenkreis angesetzte Public Viewing meiden – und bei der Nachbesprechung am nächsten Tag in der Kantine schweigen? Oder ganz ungeniert zu den eigenen Wissenslücken stehen?

Vielleicht zunächst einmal: sich die Bedeutung von Smalltalk in Erinnerung rufen.

Smalltalk, sagt die Expertin Annette Kessler, diene dazu, Gemeinsamkeiten zu stärken, eine gute Stimmung zu schaffen. Wer also mit dem Chef auf dem Weg zur Besprechung über die tolle Parade von Manuel Neuer fachsimpelt, erhöht seine Chancen, beim nächsten prestigeträchtigen Projekt dabei zu sein. Und wer mit Kunden gemeinsam Fußball schaut, erfährt nebenbei Dinge, die bei der nächsten Akquise hilfreich sein können. Deshalb lautet auch Kesslers Rat, sich diese Gelegenheit nicht entgehen zu lassen.

Die wichtigste Regel: zuhören – und nachfragen

Kessler gibt Trainings und Seminare zu Smalltalk vorwiegend bei Banken und Unternehmensberatungen und ist Lehrbeauftragte an der Universität Konstanz. Die Fußball-EM, sagt sie, sei für Smalltalk perfekt geeignet, „weil jeder und jede überall damit in Berührung kommt – und es viele berührt.“ Wer mit anderen über Fußball spricht, der erfahre eine Menge über sein Gegenüber, das auch im Arbeitsalltag wertvoll ist: „In einem Gespräch über das jüngste EM-Spiel kriegt man etwa raus: Wie fällt jemand Urteile? Wie viel Abstand hat er zu etwas, was ihn emotional mitnimmt? Oder auch: Wie geht er damit um, wenn jemand die Gegenposition einnimmt?“

Die Grundregel bei der Plauderei über Fußball sei dieselbe wie bei jedem Smalltalk: zuhören, sich auf den anderen einlassen – und interessiert nachfragen. Und das, betont Kessler, schaffe schließlich auch jeder (und jede), der (oder die) von Fußball keine Ahnung hat. „Manche erklären einem ja ohnehin ganz gern mal die Welt“, sagt die Expertin. Vermutlich fühlt sich der eine oder andere Kollege, der sich zuletzt sagen lassen musste, dass Mansplaining nicht mehr zeitgemäß ist, also durchaus gebauchpinselt, wenn er darlegen kann, warum die Engländer dieses Mal wirklich die besten Chancen auf den Pokal haben. Der Smalltalk zur EM kann somit helfen, Spannungen, die im Arbeitsalltag anfallen, etwas zu glätten.

Fun Facts lockern die Situation auf

„Sie müssen nicht Abseits erklären können, um ins Gespräch zu kommen“, erinnert Kessler. „Sie können auch nachfragen, was den Kollegen denn am Fußball so fasziniert.“ Nicht alles, was mit der EM zu tun hat, dreht sich schließlich um Fußball. Wer mal eine lustige Geschichte über einen Spieler gehört hat, etwa die von Stürmer Kai Havertz, der beim FC Arsenal den Spitznamen Donkey trägt, weil der Esel seit seiner Jugend sein Lieblingstier ist, der kann diese auch einwerfen. „Das lockert auf“, so Kessler. Und hilft, wegzukommen von der Fachsimpelei.

Der junge Unternehmensberater, der bei seinem ersten Job nach dem Studium Schwierigkeiten hatte, Anschluss zu finden, wählte einen anderen Weg. An der Uni hatte er sich mit seinen Kommilitonen häufig über Computerspiele ausgetauscht, beim Mittagessen mit Kollegen ging es jedoch meist um die Bundesligaergebnisse vom Wochenende – oder das nächste Champions League Spiel. Um reinzukommen, schloss er ein Abo der Sportzeitschrift Kicker ab, schaute sogar ab und an die Sportschau am Samstag.

Kessler hält das für eine riskante Strategie: „Stellen Sie sich vor, Sie sind ein Experte auf einem Gebiet – und dann kommt da jemand mit seinem Halbwissen und stellt wilde Thesen auf. Vermutlich wäre der ihnen nicht sonderlich sympathisch.“ Kesslers Rat: „Tun Sie nicht so, als ob Sie Ahnung haben!“ Und Sorgen, gleich als inkompetent zu gelten, nur weil man keine Ahnung von Fußball hat, sind aus ihrer Sicht auch unbegründet. Schließlich gebe es im Arbeitsalltag deutlich mehr Situationen, um mit anderen Dingen zu punkten. Und vor und nach der EM vermutlich auch weitere Smalltalkthemen, in denen man sich besser auskennt – und glänzen kann.

Improvisieren? Ja! Kokettieren? Eher nicht!

Wenn es in einer Männergruppe abends auf einer Grillparty im Oberbergischen Land oder in der Lausitz partout kein Entrinnen aus der Fußball-Fachsimpelei gibt, könnte auch eine andere Taktik ziehen: vortäuschen. Das hat ein Programmierer immer wieder erlebt. Und festgestellt, warum er sich vor Unwissenheit nicht fürchten muss: Die anderen haben oft auch keine Ahnung. Die Oberflächlichkeit vieler Smalltalkdebatten ist für Menschen, die sich ihrer eigenen Unwissenheit bewusst sind, absolut anschlussfähig.

Der Programmierer antizipiert solche Situationen auf die immer gleiche Weise: höchstens zwei Minuten „Kicker“ lesen, Schlagzeilen aufgreifen, bei passender Gelegenheit einwerfen – und mit etwas Meinung garnieren. „Wahnsinn, Stürmer Harry Kane trifft diese Saison wirklich aus jeder Lage“ oder „Uli Hoeneß muss sich endlich mal beim FC Bayern raushalten“ – solche Sätze schmeißt er ab und an ein, lässt die „wahren“ Experten darüber brüten – und hat selbst wieder seine Ruhe.

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Mit Unwissen zu kokettieren, sei allerdings auch nicht sonderlich klug, warnt Kessler. Schnell wirke man da überheblich. Oder einfach nur albern. „Das können Sie nur machen bei Leuten, die Sie sehr gut kennen – und auch dann nur mit viel Humor“, sagt die Expertin.

Lesen Sie auch: Die Belegschaft will das Spiel verfolgen doch der Chef will, dass die Arbeit erledigt wird. Eine arbeitsrechtliche Antwort auf die heikelsten Fragen zur EM. 

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