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Wissenschaft Uran-Dilemma

Hochangereichert und waffenfähig – Der Streit um den Garchinger Forschungsreaktor

Castor-Dummy am Forschungsreaktor FRM II Castor-Dummy am Forschungsreaktor FRM II
Angeblich waffenfähig: das Uran in der „Neutronenquelle Heinz Maier-Leibnitz“ in Garching
Quelle: picture alliance/dpa/Bernhard Ludewig, FRM II/TUM/Bernhard Ludewig
Im bayrischen Garching steht ein Forschungsreaktor, dessen Uran angeblich waffenfähig ist. Außerdem soll er „genehmigungslos“ sein. Umweltschützer bringen die Vorwürfe seit Jahren vor, der Freistaat hält dagegen. Nun haben Richter entschieden.
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Die Auffassungen blieben unvereinbar: Für Umweltschützer ist der Betrieb des Forschungsreaktors FRM II mit hochangereichertem Uran illegal. Sie sprechen von atomwaffenfähigem, international geächtetem Material – und verweisen auf die ursprüngliche Auflage, spätestens 2011 auf einen niedriger angereicherten Brennstoff umzurüsten.

Betreiber und Genehmigungsbehörde argumentieren, ein anderer Brennstoff sei zwar in Arbeit, stehe aber bisher nicht zur Verfügung. Eine Umrüstung sei objektiv nicht möglich gewesen, sodass der Reaktor vorerst so weiter betrieben werden könne. Nun befasste sich der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (VGH) in München mit dem jahrelangen Streit: Der Forschungsreaktor FRM II der Technischen Universität München darf auch in Zukunft mit hochangereichertem Uran betrieben werden.

Mit einem am Mittwoch bekanntgegebenen Urteil wies der Bayerische VGH eine Klage des Bundes Naturschutz in Bayern (BN) gegen den Weiterbetrieb ab. Die detaillierten Urteilsgründe liegen nicht vor. Diese würden erst später in den kommenden Monaten bekanntgegeben, sagte ein VGH-Sprecher. Bayerns Wissenschaftsminister Markus Blume (CSU) begrüßte die Entscheidung des Gerichts: „Das ist eine Entscheidung für die Wissenschaft und gegen Ideologie.“

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Der Forschungsreaktor FRM II war 2004 als wichtige Neutronenquelle für Forschung, Medizin und Industrie angefahren. Der Betrieb mit bis zu 93 Prozent angereichertem Uran war bis Ende 2010 genehmigt, danach sollte auf maximal 50 Prozent umgestellt werden.

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Der Reaktor sei seit 2011 „genehmigungslos“, sagte der Anwalt des BN, Ulrich Wollenteit. Die Aufsichtsbehörde – das Umweltministerium – sei zum Einschreiten verpflichtet. Vertreter des Freistaats wiesen das zurück. Sie sehen weiter die atom- und umweltrechtlichen Sicherheitsanforderungen erfüllt. Grundsätzlich sei die Genehmigung für den Betrieb des Reaktors unbefristet, argumentierte ein Ministeriumsvertreter. Die Umweltschützer sehen in der Umrüstungsfrist hingegen eine Genehmigungsvoraussetzung.

Es habe sich bei der Auflage einer Umrüstung ab 2011 wohl vor allem um eine politische Absichtserklärung gehandelt, hieß es seitens des Ministeriums weiter. Vielleicht habe man geglaubt, eine Umstellung samt Genehmigungsverfahren in dieser Frist bewerkstelligen zu können. Das habe sich aber nicht bewahrheitet. „Ich glaube, auch die TUM hätten gerne früher umgestellt“, sagte der Ministeriums-Anwalt Christian Raetzke. Die Technische Universität München (TUM) betreibt den Reaktor, der allerdings seit gut vier Jahren stillsteht.

Pannenserie in der Corona-Zeit

Als der BN im Mai 2020 die Klage einreichte, war der Reaktor schon außer Betrieb. Zwischen März 2019 und Januar 2020 fehlten Brennelemente, im März 2020 wurde er wegen der Corona-Pandemie heruntergefahren. Einmal trat radioaktives C-14 aus. Dann zogen sich Revisionsarbeiten und Reparaturen hin. Anlass für die Festsetzung des Verhandlungstermins war nun die Ankündigung des FRM II, nächstes Jahr wieder hochfahren zu wollen.

Der Physiker Wolfgang Liebert als Sachbeistand der Umweltschützer argumentierte am Rande des Verfahrens, eine Umstellung auf bis zu 50 Prozent angereichertes Uran sei längst – und auch schon 2010 – möglich gewesen. Das auf 93 Prozent angereicherte Uran sei „direkt waffenfähig“. Experten hätten seinerzeit gewarnt, dass man mit dem Betrieb des Reaktors der eigenen Nicht-Verbreitungspolitik entgegenlaufe.

Der BN-Anwalt Wollenteit ergänzte, zudem sei der Reaktor ausgestattet mit einem Brennstoff, der aus Russland stamme. Der „deutsche Alleingang“, einen Forschungsreaktor mit hochangereichertem Uran zu betreiben, habe seinerzeit „international allerhöchstes Unverständnis hervorgerufen“. USA hätten abgelehnt, diesen Reaktor mit Brennstoff zu beliefern.

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„Dass man etwas tun muss, ist klar“, sagte die Vorsitzende Richterin Gerda Zimmerer. Die Frage sei nur, wann und unter welchen Bedingungen dies möglich sei. Es sei klar gewesen, dass ein neuer Brennstoff nicht „vor der Tür stand“. Aus Sicht des Gerichts „spricht vieles dafür, dass diese Frist in der Auflage nicht das Gelbe vom Ei“ gewesen sei, sagte Zimmerer mit Blick auf die in der Betriebsgenehmigung genannte Frist Ende 2020.

Neuer Brennstoff nicht einsatzbereit

Der Technische Direktor des FRM II, Axel Pichlmaier, sagte am Rande des Prozesses, es gehe bei der Umrüstung neben der technischen Machbarkeit um Wirtschaftlichkeit sowie den Erhalt der wissenschaftlichen Nutzbarkeit. Sollte das Gericht tatsächlich der Argumentation der Naturschützer folgen, dürfte sich das Wiederanfahren verzögern.

Zwar ist ein neuer Brennstoff mit auf unter 20 Prozent angereichertem Uran in Arbeit – doch vor Anfang der 2030er wird er nicht einsatzbereit sein. Nächstes Jahr soll die Genehmigung beantragt werden. Diese könnte nach Angaben einer FRM II-Sprecherin voraussichtlich bis Ende 2030 vorliegen. Dann folge eine Übergangphase von ein bis zwei Jahren. Etwa 2032 könne frühestens der Regelbetrieb mit niedrig angereichertem Uran starten.

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Die Neutronenquelle dient, sofern sie läuft, unter anderem der Medizin, etwa zur Herstellung von Radiopharmaka zur Krebsbehandlung. Außerdem wird die Quelle von der Industrie und verschiedensten Forschungszweigen genutzt, von den Materialwissenschaften, Quantentechnologien und Klimaforschung bis hin zur Archäologie.

Zuletzt aktualisiert am 19. Juni 2024, 19.05 Uhr.

mit dpa

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