Plastikmüll in Gewässern zerbröselt über die Jahre in immer kleinere und für Organismen potenziell gefährlichere Stücke. Anteil an diesem Prozess könnten in bisher kaum erahntem Umfang winzige Tiere haben, berichten Forscher in der Fachzeitschrift „Nature Nanotechnology“. Schon ein einziges Rädertierchen kann demnach mehr als 350.000 Plastik-Nanopartikel täglich erzeugen. Um die Dimension zu verdeutlichen: In einem in der Studie berücksichtigten See leben rund 23.000 Rädertierchen in einem Liter Wasser.
In winzige Stücke zersetzter Plastikmüll ist überall auf der Erde zu finden, in arktischen Regionen ebenso wie in der Tiefsee und auf Berggipfeln. Als Mikroplastik werden Teile von etwa einem bis fünf Mikrometer Größe bezeichnet, als Nanoplastik weniger als einen Mikrometer messende Partikel.
Eine geringere Größe bedeute im Verhältnis eine größere Oberfläche, was Nanopartikel reaktiver und potenziell schädlicher für die Gesundheit von Menschen und anderen Lebewesen mache, erläutern die Forschenden um Jian Zhao von der Ocean University of China in Qingdao. Nanokunststoffe oder chemische Zusatzstoffe darin können dabei selbst giftig oder Träger für andere Schadstoffe aus der Umwelt sein.
Rädertierchen leben im Salz- und Süßwasser
Die Fragmentierung von Mikro- auf Nanometergröße dauere in der Regel hunderte Jahre, zugrunde lägen Prozesse wie physikalische Abnutzung, chemische Reaktionen, Biofouling, Hitze und Sonneneinstrahlung. Als Biofouling wird ein Bewuchs von Unterwasserstrukturen etwa durch Mikroorganismen oder Algen bezeichnet. Bestimmte Arten im Zooplankton von Gewässern – also winzig kleine Tiere – können diesen Prozess allerdings offenbar immens beschleunigen, wie die Laborstudie des Forschungsteams zeigt.
Verwendet wurden dabei Rädertierchen, die weitverbreitet sowohl im Meer als auch in Süßwasser vorkommen und die einen starken Kaumagen besitzen. Nahrung wie Algen oder organische Reste wird darin von kieferartigen Gerüsten aus einzelnen harten Teilen zerquetscht und zermahlen. Weltweit sind rund 2000 Arten von Rädertierchen bekannt. Sie leben den Forschern zufolge in den gemäßigten und tropischen Zonen der Welt - und damit dort, wo die Belastung der Gewässer mit Mikroplastik besonders hoch ist.
Das Team um Jian Zhao gab Mikroplastik unterschiedlicher Größe (5, 10, 20 und 30 Mikrometer) in Behälter mit verschiedenen Arten von Rädertierchen. Nach einiger Zeit wurden die Tiere unter dem Mikroskop betrachtet und Wasserproben analysiert. Die Rädertierchen nahmen demnach vor allem die fünf oder zehn Mikrometer messenden Partikel auf – was der Größe ihrer Algennahrung entspreche.
Tiere wandeln Mikro- zu Nanoplastik
Die Tiere verwechseln die Partikel also offenbar häufig mit ihrer eigentlichen Nahrungsquelle. Im Verdauungstrakt seien später viele Partikel in Nanogröße zu sehen gewesen, erklären die Forschenden. Letztlich hätten die Tiere das fragmentierte Mikroplastik ausgeschieden, es habe sich nicht in ihrem Körper angesammelt.
Allein durch ihre schiere Anzahl produzierten Rädertierchen weltweit wohl unfassbar große Mengen an Nanoplastik. Für den Poyang-See in China, den mit knapp 3700 Quadratkilometern größten Süßwassersee des Landes, errechnete das Team, dass Rädertierchen dort jeden Tag mehr als 13 Billiarden solche Partikel erzeugen. Und es gebe viele Oberflächengewässer mit weitaus höherer Ausgangskonzentration an Mikroplastik als in diesem See.
Rechne man den Wert auf alle Ozeane und Binnengewässer hoch, in denen sowohl Mikroplastik als auch Rädertierchen vorkommen, sei die Zahl der täglich entstehenden Nanoplastik-Partikel atemberaubend. Weitere Analysen auch zur Umsetzung durch andere Arten sind nun nötig, um das Ausmaß der Umsetzung von Mikro- zu Nanoplastik durch winzige Tiere genauer abschätzen zu können.
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