Am Ende war es nur ein kurzer Satz, den die Verhandlungsführer von SPD, FDP und Grünen in ihren Koalitionsvertrag schrieben: „Wir wollen das UHF-Band dauerhaft für Kultur und Rundfunk sichern.“
Damit, so die Hoffnung von Vertretern der Rundfunksender, Kultureinrichtungen und Herstellern von Veranstaltungstechnik, sollte der Streit um die in Deutschland noch verbliebenen Rundfunkfrequenzen zu den Akten gelegt werden. Mit der neuen Regierung an ihrer Seite: Was kann da noch passieren?
Was die Fachleute als UHF-Band bezeichnen, sind elementare Funkfrequenzen – und die wecken Begehrlichkeiten. Die meisten Bürger dürften die Technologie unter dem Begriff „DVB-T2“ kennen: Rundfunksender strahlen über die „Ultra High Frequency“-Frequenzen zwischen 470 und 694 Megahertz zurzeit bis zu 40 Programme aus, die über winzige Antennen in Deutschlands Wohnzimmer kommen.
Für diesen Empfang benötigen Nutzer weder einen TV-Kabelanschluss noch einen Internetzugang oder eine Satellitenantenne. Immerhin mehr als 2,6 Millionen Haushalte empfangen ihre Sendungen über dieses Antennenfernsehen, heißt es im jüngsten Digitalisierungsbericht der Landesmedienanstalten. Das entspricht etwa sieben Prozent aller TV-Haushalte.
Doch hinter den Rundfunksendern stehen andere Interessenten Schlange, allen voran die Mobilfunkanbieter. Sie wollen die Frequenzen, um schnelles Internet in ländliche Regionen zu bringen. Kulturveranstalter wiederum benötigen die Technologie für größere Events. Behörden wollen leistungsfähige Kommunikationskanäle in Notfällen. Und nicht zuletzt die Bundeswehr hätte gerne mehr von den attraktiven Bandbreiten. Dass UHF also exklusiv bei Kultur und Rundfunk verbleibt, ist alles andere als ausgemacht.
Telekom, Vodafone und Telefónica betonen digitale Teilhabe
Weil die besagten Frequenzen langwellig sind, braucht es für ihre Verbreitung nur wenige Antennen. Und sie sind in der Lage, weiter in die Häuser einzudringen als andere Frequenzen, weil sie durch dicke Mauern kommen. Trotz des Koalitionsvertrags wollen Deutsche Telekom, Vodafone und Telefónica ihr Anliegen nicht aufgeben: Das Funkspektrum, so ihre Begründung, sei bei ihnen besser aufgehoben.
Der Mobilfunk benötige „perspektivisch zusätzliche Ressourcen, um insbesondere in ländlichen Regionen den wachsenden Bedarf nach mobilen Breitbandangeboten auf ökonomisch sinnvoll und verträgliche Art und Weise befriedigen zu können und in Bezug auf digitale Teilhabe eine Benachteiligung dieser Regionen gegenüber städtischen Gebieten zu verhindern“, heißt es dazu bei der Telekom. Ähnlich äußern sich auch Vodafone und Telefónica.
Derzeit können die Mobilfunker nicht auf das Frequenzband unter 694 Megahertz zugreifen, weil die Nutzung primär dem Rundfunk zugewiesen ist. Nun setzen sich die Unternehmen dafür ein, dass sie zumindest nach 2030 nicht von der Nutzung dieser Frequenzen ausgeschlossen werden.
Damit nicht jedes Land über die Nutzung unterschiedlich entscheidet, soll die weitere Verwendung auf der Weltfunkkonferenz 2023 in Dubai festgelegt werden. Deutschland bereitet derzeit im Arbeitskreis der nationalen Vorbereitungsgruppe (NVG) seine Empfehlung dafür vor. In welche Richtung diese gehen könnte, deutet der Koalitionsvertrag aber bereits an.
Dass die Mobilfunker trotzdem nicht aufgeben, ist kaum verwunderlich. In der Vergangenheit waren sie nämlich schon zweimal erfolgreich, als wegen der Digitalisierung des Rundfunks mehrere Frequenzbänder frei geworden waren. Denn im Vergleich zur analogen Übertragung von Rundfunkprogrammen über Antenne benötigt die digitale Aussendung deutlich weniger Funkspektrum.
Daher mussten die Rundfunkanstalten bereits zweimal Spektrum an die Mobilfunker abgeben, was die Branche als erste und zweite digitale Dividende bezeichnete. Nun soll nach Meinung der Mobilfunker die dritte digitale Dividende erfolgen.
Doch was wird dann aus dem Antennenfernsehen? „Eine gute Frequenzpolitik sollte sich immer nach den Bedürfnissen der Nutzung und den technischen Entwicklungen richten“, sagt Achim Berg, Präsident des Digitalverbandes Bitkom, im Gespräch mit WELT AM SONNTAG.
TV-Sender bezeichnen sich als zuverlässiger
Die steigenden Anforderungen an die Leistungsfähigkeit von Mobilfunk und neue Dienste in der Fläche seien mithilfe der bisher zugewiesenen Mobilfunkbänder absehbar nicht mehr realisierbar. „Zugleich nimmt die Nutzung des klassischen linearen Fernsehens ab und verlagert sich hin zu nicht linearen, internetbasierten Angeboten“, sagt Berg.
Diese Entwicklung werde sich fortsetzen, sodass im Jahr 2030 von ganz anderen Bedürfnissen auszugehen sei. „Perspektivisch sollte daher neben den bestehenden Nutzungen, sofern diese weiter nachgefragt werden, dieses Frequenzband auch für Mobilfunkanbieter geöffnet werden.“
Die TV-Sender haben jedoch ein starkes Argument auf ihrer Seite. Im Vergleich zum Mobilfunk ist der Rundfunk der zuverlässigere Übertragungsweg. „Die Hochwasserkatastrophe hat gezeigt, dass neben der inhaltlichen Berichterstattung auch die Infrastruktur eine Herausforderung für Rundfunk, Behörden, Mobilfunk und diverse Infrastrukturanbieter darstellte, um die Grundversorgung der Bevölkerung zu sichern“, sagt Birgit Spanner-Ulmer, Direktorin Produktion und Technik beim Bayerischen Rundfunk.
„Nur der terrestrische Rundfunk ist in der Lage, mit Notstromversorgungen an sicheren und exponierten Sendestandorten über Tage und Wochen weiter zu senden.“ Als terrestrischer Rundfunk wird die landgestützte Ausstrahlung über Antenne bezeichnet.
Auch Heike Raab, Koordinatorin der Rundfunkkommission der Länder und rheinland-pfälzische Medienstaatssekretärin, spricht sich dafür aus, die Frequenzen dem Rundfunk zu belassen. „Wenn Rundfunk- und Kulturfrequenzen gesichert werden, dann hat das einen enormen Effekt für Demokratie, Pluralismus und Vielfalt“, sagte sie. „Denn es geht um mediale Teilhabe.“ Raab sitzt außerdem im Beirat der Bundesnetzagentur.
Dass das Funkspektrum auch als Kulturfrequenzen bezeichnet wird, liegt an seiner Nutzung für die Medienproduktion. Denn auch Funkmikrofone und andere drahtlose Produktionsmittel werden darüber betrieben. Weil hier die Sendeleistung deutlich geringer ist, können sie parallel zur Rundfunkausstrahlung genutzt werden.
Auch die Bundeswehr will das Frequenzband
Die Funkwellen sind zudem in der Lage, in Theatern, Konzerten und auf anderen Veranstaltungen problemlos Kostüme und Bühnenaufbauten zu durchdringen. Eine parallele Nutzung zum Mobilfunk wäre hingegen auf diesen Frequenzen nicht ohne Störungen möglich.
Um die Frequenzen nun langfristig für die terrestrische Rundfunkverbreitung und für Veranstaltungstechnik zu sichern, haben sich Sennheiser, ARD, ZDF, der Privatsenderverband Vaunet, Deutschlandradio, die Medienanstalten, Media Broadcast und die Initiative SOS – Save Our Spectrum zu einer „Allianz für Rundfunk- und Kulturfrequenzen“ zusammengeschlossen.
Neben den Mobilfunkern wollen aber noch andere Akteure ihren Anteil an den Frequenzen, darunter die Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS). Beim Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr heißt es, derzeit stehe kein ausreichend freies Spektrum für breitbandige Digitalfunkanwendungen der Bundeswehr zur Verfügung.
„Zum Erhalt der Führungsfähigkeit der Streitkräfte bei zunehmender Digitalisierung ist eine entsprechende Berücksichtigung in dem zur Diskussion stehenden Frequenzbereich zwingend erforderlich“, sagte ein Sprecher. „In Krisensituationen sind eine funkbasierte Koordination und Führung der Sicherheitskräfte und die Information der Bevölkerung gleichermaßen unabdingbar.“
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