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Wirtschaft Vorstoß der Milchindustrie

Ein Spezialeinsatzkommando soll den Vegan-Hype kontern

Freier Korrespondent Handel und Konsumgüter
Berlin, Germany - May 26, 2017: Close up of a woman with brown curls and blue eyes, dressed in a striped T-shirt and jeans, drinks a glass of milk in front of a yellow background in a Berlin photo and film studio. Berlin, Germany - May 26, 2017: Close up of a woman with brown curls and blue eyes, dressed in a striped T-shirt and jeans, drinks a glass of milk in front of a yellow background in a Berlin photo and film studio.
Milch hatte sehr lange ein gutes Image, bis der Vegan-Boom einsetzte. Nun schlägt die Milch-Lobby zurück
Quelle: Getty Images
Die Molkereien wollen sich die Milch nicht mehr schlechtreden lassen. Denn längst nehmen vegane Drinks der Milchwirtschaft Marktanteile ab. Dabei geht es oft nicht fair zu, beklagt die Branchenlobby. Abhilfe soll nun eine Spezial-Organisation schaffen.

Der Mensch braucht Milch, am besten viel – das galt in früheren Zeiten der Mangelernährung als unumstößliche Weisheit. „Die Milch macht’s“, dieser schlichte Spruch reichte selbst um die Jahrtausendwende noch als Slogan.

Heute ist die weiße Flüssigkeit hochumstritten. Akne, Darmbeschwerden, Laktoseintoleranz und Schlimmeres schreiben Milchgegner ihr zu. Auch wenn die große Masse der Verbraucher extremen Aussagen nicht folgt – die Verunsicherung wächst. Das Image von Milch ist angeschlagen.

Nun hält die Milchwirtschaft mit einer branchenweiten Kampagne dagegen. „Wir wollen eine gute, moderne Kommunikation über Milch aufbauen“, sagte Eckhard Heuser, Hauptgeschäftsführer des Milchindustrieverbands (MIV), am Dienstag. Ziel sei es, Milch wieder vorne in der öffentlichen Aufmerksamkeit zu platzieren, „und nicht Erbsendrinks und Hafersoßen“.

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Vegane Milchersatzprodukte verfügen zwar derzeit nur über einen geringen Marktanteil von schätzungsweise zwei bis drei Prozent, aber sie erreichen, analog zur Entwicklung bei Fleisch, hohe Zuwachsraten. Der Weltmarkt von zuletzt 16,8 Milliarden Dollar (2019) wird sich nach einer Prognose der Marktbeobachtungsfirma Future Market Insights bis zum Ende des Jahrzehnts auf rund 28,7 Milliarden Euro etwa verdoppeln.

Der Werbefeldzug für Milch soll bereits im Februar starten. Eine Gesellschaft für die Umsetzung befinde sich in Gründung, sagte Heuser. Sie werde vom MIV gemeinsam mit dem Raiffeisenverband und dem Deutschen Bauernverband getragen.

Bis zu vier Millionen Euro Budget

Für einen Geschäftsführer werde man sich in den nächsten Tagen entscheiden. Unterstützt wird die Branche von der Agentur Fischer Appelt. Das Budget umfasst zunächst 3,5 bis vier Millionen Euro jährlich, finanziert über eine Abgabe von 0,15 Euro je Tonne verarbeiteter Milch. Die große Mehrheit der Molkereien beteiligt sich nach Heusers Angaben an der Aktion – aber nicht alle.

Etliche Molkereien haben den Trend zu Erbsendrink und Hafersoße immerhin selbst aufgegriffen, bringen solche Produkte auf den Markt oder verfolgen entsprechende Pläne. „Wir wollen vegane Drinks nicht verteufeln“, sagte Heuser denn auch, „wir wollen nur, dass ordentlich kommuniziert wird.“

Milch sei ein wertvolles Lebensmittel. So lasse sich ein Gramm Protein damit dreimal günstiger erzeugen als im veganen Bereich. „Wir müssen darüber aufklären, wie gut wir sind, und nicht mit dem Finger auf andere zeigen und sagen, wie schlecht die sind. Das tun aber derzeit die Veganer, indem sie über die Milch schimpfen“, ärgerte sich Heuser.

Teure Werbespots seien angesichts des begrenzten Etats nicht geplant, vielmehr werde das Geld unter anderem in die sozialen Medien fließen. Eine der wichtigsten angepeilten Zielgruppen sind junge Familien.

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In das neue Jahr ist die Milchwirtschaft mit begrenztem Optimismus gestartet. 2021 könne unter der Voraussetzung, dass die Umsetzung der Brexit-Regelungen und der Verlauf der Corona-Pandemie keine bösen Überraschungen bereithielten, ein gutes milchwirtschaftliches Jahr werden, so der Verband.

Schwieriges Jahr

Die abgelaufenen zwölf Monate hatten allerdings reichlich Unerwartetes zu bieten. „Vor einem Jahr sah die Welt noch rosig aus“, schaute MIV-Vorsitzender Peter Stahl zurück, „doch Corona hat die Märkte durcheinandergewirbelt.“ Weil Restaurants, Hotels und Kantinen über Monate geschlossen waren, sank der Absatz an Milchprodukten über diesen Vertriebsweg.

Gleichzeitig wurde mehr über Supermärkte und Discounter verkauft. Bewährt habe sich die Branche, als es ab Mitte März im Einzelhandel zu „extremen Hamsterkäufen“ von haltbaren Lebensmitteln wie H-Milch gekommen sei. „Trinkmilch wurde zum Symbol eines für den Verbraucher wichtigen Lebensmittels, völlig entgegengesetzt zum Trend der letzten Jahre“, so der Verband.

Mit Beginn der zweiten Schließungswelle hätten die Verbraucher angesichts ihrer Erfahrungen mit dem funktionierenden Nachschub gelassener reagiert, so Stahl. Es sei im Herbst zu weitgehend weniger Hamsterkäufen gekommen.

Die zu Jahresbeginn vorherrschenden Hoffnungen der Milchbauern auf steigende Erzeugerpreise gingen allerdings nicht in Erfüllung. Stattdessen dürfte der durchschnittliche Vorjahrespreis von 33,7 Cent für ein Kilo Rohmilch leicht unterschritten worden sein.

Vor dem Hintergrund der Marktturbulenzen belege dies Ergebnis indes eine „solide und erfolgreiche Milchvermarktung in einem schwierigen Marktumfeld“, macht der MIV geltend. Auch in naher Zukunft sei keine nachhaltige Steigerung der Erzeugerpreise zu erwarten, so Stahl. Darauf deute die Preisentwicklung in den USA und Neuseeland hin, von der Europa sich nicht komplett werde abkoppeln können.

Corona lässt die Bio-Branche boomen

Das ist doch mal eine schöne Nebenwirkung von Corona: Einer Studie des Bundeslandwirtschaftsministeriums zufolge kaufen viel mehr Menschen vor allem Bio-Lebensmittel ein und kochen mehr zu Hause als vor der Krise.

Quelle: WELT/ Erdmann Hummel

Für mit dem Erzeugerpreis unzufriedene Milchbauern, die Händler durch die Blockade von Auslieferungslagern immer wieder zu besseren Konditionen zwingen wollen, hat der MIV wenig Verständnis. „Wir stehen an der Seite der Milcherzeuger“, versicherte Heuser, „aber Blockaden sind kein geeignetes Mittel, um Interessen durchzusetzen.“

Auch die Milchbauern wüssten, dass gerade 30 Prozent des Absatzes über den deutschen Lebensmittelhandel liefen. Etwa 50 Prozent ihres Umsatzes macht die Branche im Auslandsgeschäft, weitere 20 Prozent mit Weiterverarbeitern wie Herstellern von Babynahrung oder Backwaren.

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