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Warum Deutschland ein neues Antennenfernsehen bekommt

Das müssen Sie über die Umstellung beim TV-Empfang wissen

Die Umstellung auf DVB-T2 rückt näher. Verbraucherschützer warnen verunsicherte Konsumenten davor, sich von dubiosen Geschäftemachern beim Kauf neuer Geräte abzocken zu lassen.

Quelle: Die Welt/Peter Haentjes

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Nach 14 Jahren müssen sich die Deutschen erneut auf ein neues Antennenfernsehen einstellen. Die Verantwortlichen preisen das neue System. Doch warum musste das alte eigentlich abgeschaltet werden?

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Teuer, unnötig und der Auslöser für jede Menge Elektroschrott. Die Umstellung des deutschen Antennenfernsehens ist in den vergangenen Wochen von Verbrauchern teilweise stark kritisiert worden. Manche wollen sich sogar der „Zwangsumstellung�� auf DVB-T2 einfach widersetzen und hoffen, dass die Betreiber am Ende doch einlenken. Doch auf ein Weiterbestehen des alten Antennenstandards werden sie vergeblich hoffen. Warum DVB-T abgeschaltet wird, lässt sich mit diversen Nachteilen erklären:

Zu hoher Frequenzbedarf

Das neue Antennenfernsehen muss wegen der Digitalen Dividende II, die durch den Bundestag beschlossen wurde, künftig mit weniger Frequenzen auskommen. Kanäle, die durch die Umstellung in der Nacht vom 28. auf den 29. März frei werden, sind bereits für andere Zwecke eingeplant und versteigert. Künftig funken in diesen Bereichen Smartphones ihre Daten. Ein Weiterbetrieb von DVB-T hätte zu viele Frequenzen belegt, die aber bei einem wachsenden Mobilfunk dringend benötigt werden.

Fernsehsignale müssen sich nun mit einem noch kleineren Spektrum zufriedengeben. Weil DVB-T2 effizienter ist, können trotzdem knapp 40 Programme ausgestrahlt werden. Bereits mit der Umstellung auf DVB-T im Jahr 2003 hat das Antennenfernsehen aufgrund der Digitalen Dividende I einen Teil seiner Frequenzen abgegeben. Heute funken in diesem Spektrum Smartphones im LTE-Netz von Telekom, Vodafone und O2.

HD-TV funktioniert nicht

Aus Sicht von Ulrich Reimers ist die Abschaltung von DVB-T unausweichlich. Denn es ist schlicht nicht zukunftsfähig. Der Professor von der Technischen Universität Braunschweig gilt als Vater des digitalen Fernsehens und hat den Antennenstandard genau wie die digitalen Sendeformate DVB-S (Satellitenempfang) und DVB-C (Kabelfernsehen) maßgeblich mitentwickelt.

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Bisher hatten die beiden letzten Systeme aber einen entscheidenden Vorteil: Sie konnten auch hochauflösende Programme (HD-TV) übertragen. Per DVB-T kamen die Zuschauer im Gegensatz dazu nur in den Genuss von Fernsehbildern, die nur etwas besser waren als die des analogen Zeitalters. „Man muss hier nachziehen, um das Antennenfernsehen auch langfristig attraktiv erhalten zu können“, sagt Reimers.

Nötig sind dafür natürlich auch neue Empfangsgeräte. Laut Zahlen der Marktforscher der Gfk wurden seit Januar 2016 knapp 503.000 Set-Top-Boxen für DVB-T2 verkauft. Im Januar 2017 haben sich die Verkaufszahlen im Vergleich zum Vormonat sogar verdoppelt. Kurz vor der Abschaltung des alten Signals werden weitere Verkäufe erwartet. Dass die Umstellung von Kritikern als gigantische Elektroschrottproduktion bemängelt wird, lässt Reimers allerdings nicht gelten. Smartphones und Consumerartikel würden viel häufiger ersetzt. Das alte System habe schließlich auch 14 Jahre gehalten.

Kleine Reichweite und teure Verbreitung

Nur knapp 3,4 Millionen Haushalte schauen deutschlandweit bisher ihre Programme über DVB-T. Im Vergleich zu der geringen Reichweite sind aber die Verbreitungskosten zu hoch. Per Satellitenempfang können die Sender knapp 18 Millionen Haushalte erreichen. Manche Kritiker fordern deswegen sogar, das Antennenfernsehen komplett einzustellen, um auf diesem Weg einen Teil der Rundfunkgebühren einzusparen.

Bisher hat sich aber nur die RTL-Gruppe aus manchen Regionen Deutschlands mit der Antennenverbreitung zurückgezogen, um Kosten zu sparen. Dort senden nur noch die öffentlich-rechtlichen Programme und eventuell noch die ProSiebenSat.1-Gruppe.

In der Endausbaustufe soll DVB-T2 für 80 Prozent aller Deutschen empfangbar sein
In der Endausbaustufe soll DVB-T2 für 80 Prozent aller Deutschen empfangbar sein

Diese Situation ändert sich mit der Einführung von DVB-T2 nun wieder grundlegend. Auf einmal werden wieder Regionen mit Privatsendern versorgt, in denen bisher nur noch ARD und ZDF funkten. Im Herbst 2018, wenn weitere fehlende Regionen umgeschaltet werden, sollen 80 Prozent der Deutschen versorgt sein.

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Denn pro Frequenz können nun noch mehr Sender übertragen werden. Statt vier sind es nun bis zu sieben. Das senkt die Kosten, doch diese Belegung kann teilweise an den Empfangsrändern zu Problemen führen. Denn mehr Programme pro Frequenz bedeuten entweder geringe Einbußen bei der Empfangbarkeit oder der Bildqualität.

Vor allem die privaten Sender versuchen mit einer stärkeren Belegung noch effizienter zu sein. Bei Freenet TV, der Plattform, über die die privaten Programme verbreitet werden, geht man allerdings nicht davon aus, dass es deswegen zu Problemen bei den Zuschauern kommen wird.

Keine Refinanzierungsmöglichkeiten

Ein weiteres Finanzierungsplus für die Privaten bietet das Bezahlsystem in DVB-T2. Nach einer Freiphase von drei Monaten müssen Verbraucher für den Empfang der privaten Programme 5,75 Euro pro Monat zahlen. 69 Euro werden damit jährlich pro Empfangsgerät fällig. Denn ein Haushaltsabo wird es vorerst nicht geben.

„Pläne für weitere Angebotsformen gibt es, aber bisher können wir keine nähere Auskunft dazu geben“, erklärt Kerstin Köder, die Chefin von Freenet TV. Im Vergleich zu anderen Verbreitungswegen bewege man sich mit 5,75 Euro monatlich aber auch am unteren Kostenrand.

Technik-Experte Reimers weiß, dass die Zahlfunktion das Antennenfernsehen nun deutlich komplizierter macht und viele Kunden vor den Kopf stößt. Doch dieser Weg sei unvermeidbar gewesen. Schließlich kosten die privaten Sender in HD sowohl per Satellitenempfang als auch im Kabelfernsehen extra.

Bei DVB-T2 auf einen Aufschlag zu verzichten, sei keine Option gewesen. Die bisherigen Programme wie im Satellitenfernsehen weiter auszustrahlen ginge ebenfalls nicht, weil nicht genug Frequenzen zur Verfügung stünden. Wie bei anderen Empfangswegen wird künftig auch die Aufnahmefunktion der Programme reglementiert. Bei der RTL-Gruppe können aufgezeichnete Sendungen nicht vorgespult werden. Bei ProSieben, Sat.1 und Co allerdings schon.

Nicht aufwärtskompatibel

Die hochauflösende Übertragung in 1080p und die größere Programmauswahl machen das Antennenfernsehen bereits wieder attraktiver. Doch DVB-T2 bietet im Gegensatz zum alten Standard ein weiteres Feature: „Eine Ausstrahlung von 4K-Inhalten ist technisch durchaus möglich, attraktive Inhalte sind aber noch sehr rar“, erklärt Klaus Steffens, technischer Leiter bei Freenet TV.

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Einzelne hochauflösende Programminhalte ließen sich allerdings per Internetleitung einspeisen. Dafür hat der Anbieter nun auch noch Freenet TV Connect gestartet. Mit einzelnen bereits erhältlichen Geräten lassen sich so weitere Inhalte per Internetanbindung über die DVB-T2-Box auf den Fernseher bringen. So will man auch jüngere Kunden vom Antennenfernsehen überzeugen.

Denn Freenet und auch Experten rechnen damit, dass mit der harten Abschaltung am 29. März auch Zuschauer verloren gehen könnten. Doch gerade die Zahl der künftigen Nutzer wird auch darüber entscheiden, wie lange DVB-T2 in Zukunft erhalten bleibt.

Eine Prognose gibt auch Experte Reimers nicht. Aus seiner Sicht wird künftig das Antennenfernsehen mit dem Mobilfunk verschmelzen, um die Handynetze zu entlasten. Immer mehr Nutzer schauen auf ihren Smartphones Videoinhalte, die teilweise auch durch das Antennenfernsehen bereitgestellt werden könnten. Das würde dem Mobilfunk einen noch umfangreicheren Netzausbau ersparen.

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