Alexander Zverev ist nur noch zwei Siege vom ersten Grand-Slam-Turniersieg entfernt. „Ich bin froh, dass ich wieder in einem Halbfinale stehe. Ich hoffe, ich kann mal eins gewinnen“, sagte der Hamburger lächelnd im Sieger-Interview nach dem Viertelfinale der French Open. In der Runde der besten Vier trifft der Olympiasieger am Freitag auf den Norweger Casper Ruud, der von der verletzungsbedingten Viertelfinal-Absage von Titelverteidiger Novak Djokovic profitierte. Das zweite Halbfinale bestreiten Jannik Sinner (Italien) und Carlos Alcaraz (Spanien).
„Es war sehr wichtig, mal wieder in drei Sätzen zu gewinnen und nicht viereinhalb Stunden zu spielen. Auch mit Blick auf das Halbfinale ist es einfach besser, dass ich auch physisch bei hundert Prozent bin“, sagte der 27-Jährige nach dem 6:4, 7:6 (7:5), 6:4 gegen den australischen Außenseiter Alex De Minaur am Mittwochabend.
Sein Halbfinalgegner Casper Ruud wird am Freitag dennoch deutlich ausgeruhter auf dem Court Philippe Chatrier aufschlagen. Der Norweger hat drei Tage spielfrei, nachdem sein Viertelfinalgegner Novak Djokokovic verletzt zurückgezogen hatte. Zverev glaubt jedoch nicht, dass er deswegen zwingend Nachteile haben werde: „Physisch fühle ich mich gut. Ich habe keine Sorgen im Körper. Ich hoffe, dass es auch dabei bleibt und ich ein gutes Match zeigen kann. Ich glaube, du musst härter arbeiten als alle anderen, um der beste Spieler zu sein. Das machen die guten Spieler alle. Ich mag das, ans Limit zu gehen.“
Über einen solchen Moment im zweiten Satz, als er im Tiebreak mit 0:4 hinten lag, sagte er: „Zum Glück habe ich einen Coach, der mein Vater ist. Den interessiert das null, wie ich mich fühle. Seit meinem dritten Lebensjahr sagt er: ‚Renn dahin, renn dorthin‘. Er vergisst manchmal, dass ich zwei Meter groß bin. Er hat mir wirklich die spanische Methode gezeigt, immer wieder fighten.“
Der Tennis-Sport habe ihm alles gegeben, sagte Zverev in einem emotionalen Fazit noch: „Er hat mir meine erste Liebe gegeben, den ersten Herzschmerz, die glücklichsten und schmerzhaftesten Momente meines Lebens. Wenn ich davon ein bisschen zurückgeben kann, auch an die Leute, die zuschauen, dann bin ich glücklich.“
Zverev, der zum vierten Mal in Serie im Halbfinale des Grand-Slam-Turniers auf Sand steht, das Finale aber bislang immer verpasst hat, sagte mit Blick auf das Duell mit Taktiker Ruud: „Ich denke, ich muss mein bestes Tennis spielen, um eine Chance zu haben.“
In der Profi-Ära haben vor ihm nur zehn andere Spieler viermal nacheinander im Stade Roland Garros das Halbfinale erreicht. Von den noch aktiven Profis gelang dies nur dem 24-maligen Grand-Slam-Turniergewinner Novak Djokovic, dem spanischen Sandplatz-König Rafael Nadal, Großbritanniens Tennisstar Andy Murray und dem Österreicher Dominic Thiem.
Zverev trat beim Viertelfinale als klarer Favorit an, von den neun Duellen zuvor hatte der Deutsche sieben gewonnen – inklusive des bislang einzigen auf Sand vor zwei Jahren in Rom. Aber: „Die für mich große Frage ist: Wie fit ist Sascha Zverev?“, sagte Tennis-Ikone Boris Becker bei Eurosport angesichts der jüngsten Strapazen für die deutsche Nummer 1.
Zverev wirkte in manchen Phasen des Matches zumindest etwas unkonzentriert. Selbst nach dem gewonnenen ersten Satz schlichen sich beim Weltranglisten-Vierten immer wieder Fehler vor allem mit der Vorhand ein, die der flinke Defensivkünstler aus Australien aber auch geschickt provozierte.
„Man muss einfach ruhig bleiben“, sagte der Deutsche später, „es waren Punkte dabei, die ich selbst verloren habe. Das Wichtigste ist fokussiert zu bleiben und einen Weg zu finden. Das habe ich heute in vielen Situationen gemacht und darüber bin ich glücklich.“ Eurosport-Experte Boris Becker zeigte sich nach dem Sieg euphorisch: „Ich reiß die Arme in die Höhe, was für ein Wahnsinnserfolg“. Und weiter: „Das war eine fantastische Leistung. Wunderbar.“
Beim Thema Ruud hatte Zverev zuvor im Eurosport-Interview den Reporter förmlich auflaufen lassen. Warum das Halbfinale gegen den Norweger anders als im Vorjahr diesmal nicht in drei Sätzen verloren gehen werde, wurde der Hamburger gefragt. „Ich weiß nicht, ob es ein anderes Ergebnis wird. Wir sehen das am Freitag“, antwortete Zverev sichtlich genervt. Auf die Nachfrage, wie er das Match denn einschätze, sagte er: „Das waren drei Fragen.“ Dann brach er das Interview zu nächtlicher Stunde ab. Offenbar hatte er zuvor darum gebeten, dass es schnell gehen möge.
Eine Deutsche im Finale
Eine Deutsche steht bereits im Finale und greift im Mixed-Wettbewerb nach dem Titel. Laura Siegemund gewann im Halbfinale an der Seite des Franzosen Edouard Roger-Vasselin gegen Ulrikke Eikeri aus Norwegen und Maximo Gonzalez aus Argentinien im Match-Tiebreak mit 10:7. Im Finale am Donnerstag (12.00) Uhr warten Desirae Krawczyk aus den USA und Neal Skupski aus Großbritannien. „Ein Grand-Slam-Finale – davon träumt jeder, egal in welchem Wettbewerb. Ich finde es mega, auf so einer Bühne zu spielen“, sagte die 36-jährige Siegemund.
Da ihr Doppel-Partner ein Franzose ist, dürfte die Unterstützung des Publikums auf dem Court Philippe Chatrier dem deutschen-französischen Duo beim für 12.00 Uhr angesetzten Match gegen Desirae Krawczyk aus den USA und Neal Skupski aus Großbritannien sicher sein. „Es ist natürlich mega, den Heim-Vorteil zu haben“, sagte Siegemund.