Er hat es wieder getan. In seinem Drittrundenmatch der French Open gegen den Niederländer Tallon Griekspoor hatte Alexander Zverev vier Stunden und 14 Minuten kämpfen müssen, um den Platz nach Rückstand noch als Sieger verlassen zu können.
3:6, 6:4, 6:2, 4:6, 7:6 (10:3) stand am Samstag als Zahlenreihe nach dem denkwürdigen Kraftakt, dem sich in der Nacht zu Dienstag im Achtelfinale gegen Holger Rune gleich der nächste anschloss. Wieder ging es über fünf Sätze, und erneut stand er dabei unmittelbar vor dem Aus.
Nach seinem zweiten Krimi sehnte sich Zverev nur noch nach etwas Erholung: „Jetzt muss ich so schnell wie möglich zurück zum Hotel, Behandlung und dann schlafen gehen, und dann werde ich hoffentlich morgen frisch sein“, sagte der 27-Jährige bei seiner Medienrunde um 2:30 Uhr am frühen Dienstagmorgen.
Zuvor hatte Zverev in seinem dramatischen Achtelfinale den Dänen mit 4:6, 6:1, 5:7, 7:6 (7:2), 6:2 niedergerungen und zum insgesamt sechsten Mal das Viertelfinale beim Grand-Slam-Turnier auf Sand in Paris erreicht. „Ich bin einfach froh, dass ich überlebt habe und jetzt im Viertelfinale bin“, sagte der Hamburger.
Ob er auch die Kraft für drei weitere Fünf-Satz-Matches bis zum ersehnten ersten Grand-Slam-Titel habe, wurde Zverev gefragt. „Ich will ,Ja‘ sagen“, antwortete der Weltranglisten-Vierte schmunzelnd, denkt aber auch an seine schwindenden Kraftreserven: „Ich hoffe, dass ich auch irgendwann mal nicht in fünf Sätzen gewinne.“
Dabei weist die deutsche Nummer 1 in dieser Hinsicht eine herausragende Bilanz auf: Von elf Fünf-Satz-Matches in Paris gewann Zverev zehn. Und noch eine andere Statistik beweist seine riesige Qualität in der Crunchtime: Seine Tiebreak-Bilanz bei den French Open steht bei 22:2 – ein phänomenaler Wert!
Jetzt geht es gegen Alex De Minaur
„In den Momenten musst du einfach ruhig bleiben“, erklärte Zverev das Erfolgsgeheimnis: „Durch die Schmerzen gehen und einfach durchhalten.“ Auch der parallel in Berlin stattfindende Prozess gegen ihn wegen des Vorwurfs der Körperverletzung an seiner damaligen Freundin scheint Zverev nicht in seinem Fokus zu stören.
Dass er in seinen zwei jüngsten Matches insgesamt 8:25 Stunden auf dem Platz stand, könne er aber nicht allein mit ein bisschen Regeneration aus dem Körper schütteln. „Das kriegt man durch die Arbeit raus, die du jahrelang gemacht hast“, erklärte er. Sein ultimativer Lohn dafür soll der „Coupe des Mousquetaires“ sein, die Trophäe für den Sieger der French Open. Und die Zeichen dafür stehen gut.
Als nächster Gegner wartet am Mittwoch der Australier Alex De Minaur, der sich am Montag überraschend gegen den russischen Weltranglisten-Fünften Daniil Medwedew mit 4:6, 6:2, 6:1, 6:3 durchgesetzt hatte. Zverev hat von neun Matches gegen den Hartplatz-Spezialisten sieben gewonnen. Doch er warnte: „Alex hat ein unglaubliches Match gegen Medwedew gespielt, wirklich super Tennis gezeigt. Ich gehe davon aus, dass es wieder ein schwieriges Match wird.“
Djokovic am Knie verletzt
Ganz ähnlich wie Zverev kämpft sich bislang die Nummer eins durch die obere Hälfte des Turnier-Tableaus. Auch Novak Djokovic rettete sich ein zweites Mal über fünf Sätze in die nächste Runde – doch ob der Drama-König von Paris im Viertelfinale am Mittwoch überhaupt antritt, ist offen. „Ich weiß nicht, was morgen oder übermorgen passiert, ob ich in der Lage sein werde, auf den Platz zu gehen und zu spielen“, sagte der 37 Jahre alte Serbe am späten Montagabend: „Ich hoffe es. Lasst uns abwarten, was passiert.“
Im Achtelfinale hatte sich der 24-malige Grand-Slam-Turniersieger mit 6:1, 5:7, 3:6, 7:5, 6:3 gegen den argentinischen Außenseiter Francisco Cerúndolo durchgesetzt, obwohl er Anfang des zweiten Satzes auf dem Sand weggerutscht war und sich am Knie verletzt hatte. Er müsse sehen, was die Untersuchungen am Dienstag ergeben und wie es sich anfühlt, wenn das Adrenalin und die Schmerzmittel nicht mehr wirken, erklärte der Titelverteidiger.
Vom Arzt habe er während des Matches die Höchstdosis an Schmerzmitteln erhalten, verriet der Serbe: „Er sagte: Okay, das ist es. Das ist alles, was ich dir im Moment geben kann.“ Nach 45 Minuten habe er die Wirkung gespürt und das Duell mit dem krassen Außenseiter trotz körperlicher Einschränkungen erfolgreich zu Ende gebracht.
Sein rechtes Knie habe sich in den vergangenen Wochen nicht hundertprozentig gut angefühlt, doch die Verletzung habe er sich auf dem rutschigen Untergrund im Court Philippe Chatrier zugezogen. Schon während des Matches hatte sich Djokovic deswegen beim Oberschiedsrichter beschwert: „Ich habe mir das Knie verrenkt. Ich rutsche und schlittere die ganze Zeit.“
Doch auch das konnte den „Djoker“ nicht stoppen. Über die Comeback-Qualitäten staunte sogar sein Ex-Trainer Boris Becker. Es sei „nicht von dieser Welt“, sagte die Tennis-Ikone bei Eurosport, „wie er das jedes Mal im vierten und fünften Satz rumreißt“. Seine einzige Erklärung lautete: „Es ist ein Grand Slam, und er will unbedingt seinen 25. Titel. Da holt er noch mal alles raus.“
Zwei Tage nach seinem nächtlichen Drittrunden-Sieg über viereinhalb Stunden gegen Lorenzo Musetti musste Djokovic wieder einen 1:2-Satzrückstand aufholen und über 4:39 Stunden gehen. Gegen Vorjahresfinalist Casper Ruud aus Norwegen, der sich gegen den US-Amerikaner Taylor Fritz mit 7:6 (8:6), 3:6, 6:4, 6:2 durchsetze und am Mittwoch als Viertelfinalgegner wartet, braucht Djokovic aber seine Topform.