Mit der Statistik im Fußball ist es so eine Sache. Mal ist es einfach nur wunderbar, sich ihr zu bedienen und sich beim Studieren dieser ins Gedächtnis zu rufen, wie locker, leicht und entspannt es ist mit dem einen oder anderen Gegner in der Vergangenheit zuging.
Mal aber fühlt sich das auch einfach nur schlecht an. So wie jetzt, wenn alle Welt auf die Vergleiche zwischen Deutschland und Spanien schaut, jenen zwei Mannschaften, die am Freitag (18 Uhr, ARD und MagentaTV) in Stuttgart das erste Viertelfinale bei der EM bestreiten.
Insgesamt liest sich die Bilanz aus deutscher Sicht zwar gar nicht so schlecht, weil die Auswahl des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) von 26 Duellen immerhin neun für sich entscheiden konnte – bei acht Siegen für Spanien und neun Remis. Aber, und nun kommt es: beim näheren Betrachten sorgen zwei Details dann schon für arge Bedenken.
Der letzte deutsche Pflichtspiel-Sieg gegen Spanien liegt 36 Jahre zurück, ein 2:0 bei der EM 1988 – der bislang letzte Sieg in einem Testspiel datiert immerhin auch vom November 2014. Mutmacher sind das nicht, ganz zu schweigen vom 0:6 im November 2020, als die spanische die deutsche Elf während der Corona-Pandemie in der Nation League regelrecht demütigte.
Auch wenn die spanischen Medien im Überschwang der vier Siege aus vier EM-Spielen schon tönen, dass Deutschland nun zittern solle („Marca“), Angst und Bange muss der Mannschaft von Bundestrainer Julian Nagelsmann nicht werden. Auch für sie gilt das, was die „AS“ schreibt: „Wenn wir feiern wollen, müssen wir bereit sein, mit jedem zu tanzen.“
Die deutschen Nationalspieler und ihr Trainer haben das Ziel EM-Titel ausgegeben. Also, auf in den Tanz mit Spanien! Bei allem Respekt für die Leistungen der „La Furia Roja“, der roten Furie, wie die spanische Elf genannt wird: Es liegt auch am Gegner, wie die Furie zur Entfaltung kommt, mit all ihren Top-Spielern, die teilweise noch so jung, aber schon so gut am Ball sind.
Das große Ausrufezeichen fehlt noch
Die deutsche Elf hat bei diesem Turnier bislang noch keinen ganz großen Brocken aus dem Weg räumen müssen. Wie stark sie also wirklich ist, ist noch ihr Geheimnis. Das ganz große Ausrufezeichen setzte sie noch nicht, aber sie hat gelegentlich schon angedeutet, wozu sie fähig ist. Und das erkämpfte 1:1 gegen die Schweizer erscheint nach deren 2:0 im Achtelfinale gegen Titelverteidiger Italien auch noch einmal in neuem, etwas hellerem Licht.
Deutschlands Stärke wird auch den Spaniern nicht entgangen sein. Sie werden sicher nicht so hoch pressen und anlaufen, wie sie es bislang taten. Für eine solche Taktik dürften sie ob der individuellen Qualität der deutschen Spieler, wie etwa Jamal Musiala, Florian Wirtz oder Ilkay Gündogan, gewarnt sein.
Die deutsche Elf, die wie die Spanier gern Ballbesitz hat, wird sicher mehr Möglichkeiten bekommen, ihr Spiel zu machen. Zudem sollte ihr nicht entgangen sein, dass die spanische Abwehr bislang nicht stabil wirkt. Und wer weiß, vielleicht spielt ja am Ende auch der Faktor Toni Kroos eine Rolle – jener Spieler, der bis zu diesem Sonntag für zehn Jahre in Diensten von Real Madrid stand und beim Star-Ensemble Regie im Mittelfeld führte. Jeder Spanier weiß um die Qualität des Lenkers der deutschen Mannschaft.
Deutschland ist nicht chancenlos, ganz im Gegenteil – es muss am Freitagabend gegen einen so spielerisch starken Gegner bereit sein zu leiden. Es wird sehr viele Druckphasen der Spanier geben, gute Ballstafetten. Doch wenn es den deutschen Spielern gelingt, über sich hinauszuwachsen, kompakt zu agieren, dagegenzuhalten und sich im Sinne ihres Ziels zu entfalten, ist es möglich, dass die Spanier ihre Tanzkarte bei der EM verlieren – und die deutsche Elf im Halbfinale zu einem weiteren Tanz bittet.