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EM Regenbogendebatte

Die fortschreitende Politisierung der Profifußballer

Keine Arena in Regenbogenfarben und ein verletztes Knie

Am Mittwoch geht es für Deutschland im Spiel gegen Ungarn um den Einzug ins Achtelfinale. Sicher ist bereits jetzt: Die Arena in München wird nicht in Regenbogenfarben leuchten. Im DFB-Team herrschen vor dem letzten Gruppenspiel indes noch einige Unklarheiten.

Quelle: WELT/ Max Seib

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Der Fußballer als politischer Mensch? Diese Vorstellung war lange ziemlich absurd. Mittlerweile stellen sich immer mehr Profis bewusst und selbstbewusst gesellschaftlich schwierigen Fragen. Sie praktizieren das, was unbeholfene und unbelehrbare Verbände wie die Uefa bei der EM nicht wagen.

Schafskopfen war vorgestern. Die Playstation allein macht Fußballer auch nicht mehr glücklich. Die intensive Debatte über eine Regenbogenbeleuchtung der Münchner Arena beim EM-Spiel Deutschland gegen Ungarn hat eine schon durch die Corona-Pandemie verstärkte Entwicklung im Profi-Fußball offensichtlicher gemacht.

Eine neue Spielergeneration von Leon Goretzka und Joshua Kimmich bis zu Ungarns Torwart Peter Gulacsi, dem Spanier Juan Mata oder dem Engländer Marcus Rashford mischt sich selbstbewusst in brennende soziale Fragen ein. Sie verstecken sich nicht hinter Karten oder Konsolen.

Während die großen Verbände vom chronisch taumelnden DFB bis zur Fifa und der beim eigenen Turnier massiv in die Kritik geratenen Uefa trotz bemühter Goodwill-Kampagnen in ihren wirtschaftlichen Interessen und politischen Zwängen verhaftet bleiben, hebeln viele Profis das überholte Dogma vom unpolitischen Sport einfach selber aus. „Wir sind uns bewusst, dass wir eine große Reichweite haben“, sagte Bayern-Profi und DFB-Star Kimmich. Und er will sie nutzen.

Ungarn-Spiel wurde zum Exempel

Corona-Hilfsfonds, Slogans für Menschenrechte als Verbalattacke auf WM-Gastgeber Katar, der Kniefall gegen Rassismus und nun das klare Bekenntnis zu Vielfalt und zur Freiheit auf sexuelle Selbstbestimmung – und sei es nur mit der Regenbogenbinde von DFB-Kapitän Manuel Neuer. Mehrfach haben die als satte Millionarios mit perfekten Marketingstrategien verschrienen Profis bewiesen, dass ihre privilegierte Stellung einen öffentlichen Effekt haben kann, den sich die großen Verbände nicht zu nutzen trauen.

Untersucht und von der Uefa als „good cause“ eingestuft: Manuel Neuer trägt auch gegen Ungarn die Kapitänsbinde in Regenbogenfarben
Untersucht und von der Uefa als „good cause“ eingestuft: Manuel Neuer trägt auch gegen Ungarn die Kapitänsbinde in Regenbogenfarben
Quelle: AFP/PHILIPP GUELLAND

„Ich finde, dass das eine sehr positive Entwicklung ist, dass sich viele ihrer gesellschaftlichen Verantwortung bewusst sind“, sagte Nationalverteidiger Mats Hummels vor dem letzten EM-Gruppenspiel am Mittwochabend in München. Die Partie gegen Ungarn wurde zum Exempel der politischen Belastbarkeit der Profisport-Blase im Spannungsfeld zwischen liberalen Wertvorstellungen im alten Westeuropa und der homophoben Politik des ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán.

Auftritt mit unterschwelliger Botschaft: Deutschlands Abwehrchef Mats Hummels erschien mit buntem T-Shirt und aufgedrucktem Slogan „Love unites“ zur Pressekonferhz vor dem Ungarn-Spiel
Auftritt mit unterschwelliger Botschaft: Deutschlands Abwehrchef Mats Hummels erschien mit buntem T-Shirt und aufgedrucktem Slogan „Love unites“ zur Pressekonferenz vor dem Ungarn-...Spiel

Umso mutiger ist das Eintreten für Schwulen- und Lesbenrechte von RB Leipzigs ungarischem Torwart Peter Gulacsi zu bewerten. Er trat öffentlich gegen Stigmatisierung und Gängelung von Homosexuellen in seiner Heimat ein. Den Grenzen der öffentlichen Meinungsäußerung bei der EM entzog sich der 31-Jährige geschickt. „Das ist eine Entscheidung der Uefa. Wir Spieler können da nichts machen, wir haben da nichts zu sagen“, bewertete er die Münchner Regenbogen-Causa. Um anzufügen: „Jeder weiß, wie ich über die Welt denke.“

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Kundgetan hatte er seine Meinung für eine breite Öffentlichkeit im Internet. Auch Hummels meint, dass Social Media in der Sache hilft. Er glaube, dass durch die besonders von jüngeren Menschen genutzten Plattformen „Sportler oder bekannte Persönlichkeiten einen noch größeren Einfluss nehmen können und sich viele dieser Rolle bewusst sind und da Positives bewirken wollen“, sagte der Dortmunder. Ein Trickle-down-Effekt bis hinunter zu den Dorfsportplätzen wird somit gerade für junge Fußballfans beschleunigt, so die Hoffnung.

Warum das Münchner EM-Stadion nicht in Regenbogenfarben leuchten darf

Das EM-Stadion in München wird beim Gruppenfinale der deutschen Fußball-Nationalmannschaft gegen Ungarn nicht in Regenbogenfarben erstrahlen. Die Europäische Fußball-Union lehnte einen entsprechenden Antrag des Münchner Oberbürgermeisters Dieter Reiter (SPD) ab.

Quelle: WELT

In England wurde Manchester-United-Star Marcus Rashford, selbst in prekären Verhältnissen aufgewachsen, zur Symbolfigur mit seinem Engagement für sozial benachteiligte Kinder. Er wurde dafür als hoch bezahlter Jungstar, der seiner Mutter ein schickes Haus kaufte, auch angefeindet und der Doppelmoral bezichtigt. Aber er blieb in der Sache standhaft und von der Königin in einen Ritterorden aufgenommen.

Goretzka ist mit klugen Einlassungen der Prototyp des denkenden Fußballers. Der Bayern-Star kann erklären und differenzieren. Und er bleibt bei seinen sozialpolitischen Prinzipien. Es sei durchaus wichtig, dass es bei der Uefa und dem DFB Regeln und Richtlinien gebe, betonte der Mittelfeldspieler. Der Sport dürfe sich nicht von politischen Interessen instrumentalisieren lassen. Dennoch „wäre es völlig absurd, wenn wir uns dafür entschuldigen müssten, weil es klar ist, wofür es steht. Wir werden genau so weiterhandeln“, sagte er zur Regenbogenagenda der DFB-Stars.

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Die Zeiten sind vorbei, in denen das Außenbild der Sportler auf stammtischgleich Karten spielende oder der Playstation verfallene Einfaltspinsel reduziert war. Ein Foto wie vom ersten Fußball-Revoluzzer Paul Breitner mit Porträts von Che Guevara und Mao Tse-tung an der Wand in den 70er-Jahren würde heute zwar ziemlich viral gehen und die Reflexe der Social-Media-Welt mit Likes und Shitstorm provozieren. Es wäre aber kein grundsätzlicher gesellschaftlicher Tabubruch mehr.

Hummels meint, dass die Entwicklung keine Altersfrage, sondern einem generellen Wechsel im Mindset geschuldet sei. „Ich glaube, dass das nichts mit der neuen Generation zu tun hat, sondern generell mit einem neuen Bewusstsein“, sagte der 32-Jährige. „Da können wir sehr glücklich sein, wie viele von den Jungs in der Nationalmannschaft über den Tellerrand hinausschauen“, schloss Hummels an.

Klingbeil – „Jeder einzelne Uefa-Funktionär hat sich damit blamiert“

Zahlreiche deutsche Politiker und Politikerinnen äußerten Ärger über die Entscheidung des Fußball-Dachverbandes. SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil erklärte auf Twitter: „Liebe Uefa, ihr seid noch peinlicher, als ich dachte. Schämt euch!“ Bei WELT erläutert er seinen Tweet.

dpa/pk

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