Es sind vier Folgen à 40 Minuten, die intime Einblicke in das Innenleben der deutschen Nationalmannschaft während der Weltmeisterschaft in Katar geben. Joshua Kimmich und Antonio Rüdiger geraten heftig aneinander, Nationaltrainer Hansi Flick staucht seine Mannschaft in einer Kabinenansprache zusammen, und Kimmich zweifelt die Taktik des Bundestrainers an. Die Amazon-Dokumentation „All or Nothing: Die Nationalmannschaft in Katar“ zeigt die DFB-Elf während ihres peinlichen Vorrunden-Aus‘ bei der WM völlig unverblümt.
Zehn Monate nach den Dreharbeiten wird die Dokumentation veröffentlicht. Ab Freitag können die vier Filme geschaut werden. Ausgerechnet einen Tag vor Testspiel der Nationalmannschaft gegen Japan in Wolfsburg (Samstag, 20.45 Uhr, RTL und im WELT-Liveticker). Nach den erschreckend schwachen Leistungen der vergangenen Monate könnte dieses Spiel und die Partie gegen Frankreich am kommenden Dienstag über das Schicksal von Flick als Bundestrainer entscheiden. Knapp elf Monate vor der Beginn der Heim-EM darf sich die Nationalelf nicht mehr so präsentieren, wie sie es vor der Sommerpause getan hat.
Da kommt die Dokumentation nicht gerade zum perfekten Zeitpunkt. „Kann man da keinen besseren Termin finden? Das ist typisch DFB. Der DFB muss langsam mal die Augen öffnen“, sagte Lothar Matthäus der Mediengruppe „Münchner Merkur/tz“: „Dass man sich während der WM von einem Kamerateam begleiten lässt, ist grundsätzlich schon nicht ideal. Aber dass man die Doku zum aktuellen Zeitpunkt veröffentlicht, wo die Ergebnisse nicht stimmen“, sagte der 62-Jährige, „ich als Verantwortlicher hätte versucht, diese Sache eine Woche nach den Testspielen zu machen. Der Bundestrainer wird einfach nicht richtig unterstützt.“
DFB hatte bei der Dokumentation kein Vetorecht
Der DFB hatte beim Dreh und bei der Wahl des Erscheinungsdatums der Dokumentation über das WM-Aus jedoch kein Vetorecht. „Wir haben den DFB einbezogen“, sagte Regisseur Christian Twente. Verantwortliche des Verbands hätten sich „die Folgen angeguckt und hier und da Anmerkungen gehabt“. Diese umzusetzen oder nicht, sei aber die Entscheidung der Produktion gewesen. „Mir als Regisseur wurde zu keinem Zeitpunkt der Dreharbeiten und des Schnitts vorgeschrieben, was ich wie erzählen darf oder soll“, sagte Twente.
Für Matthäus ist das trotzdem keine Entschuldigung. Er glaubt, dass der DFB seinen Nationaltrainer im Stich lässt. „Die ist ein Spiegelbild dessen, was auf Hansi alles hereinprasselt“, sagte Matthäus über die Dokumentation. „Man hat es ja auch schon bei der WM erlebt. Da wird über Themen diskutiert, die nichts mit dem Sportlichen zu tun haben“, erklärte er: „Alles gut, aber es kann nicht sein, dass das, was das Wichtigste ist - Leistung und Ergebnisse - von anderen Dingen in den Hintergrund geschoben werden.“