Es waren die letzten Aufritte der Protagonisten vor einem der wichtigsten Spiele ihrer Karriere. Die Anwesenden waren bemüht, auf den Abschluss-Pressekonferenzen eine ähnliche Botschaft zu vermitteln. Doch wirkten sie dabei sehr verschiedenen – so unterschiedlich wie ihre Mannschaften, ihre Vereine.
Am Abend vor dem Finale in der britischen Hauptstadt am Samstag lud zuerst der spanische Champion-League-Rekordsieger Real Madrid zur Pressekonferenz. Trainer Carlo Ancelotti beantwortete mit seinen Stars Nacho und Luka Modrić die Fragen der Journalisten und betonten, sie würden den BVB auf keinen Fall zu unterschätzen.
Auf dem separaten und späteren Pressetermin der Dortmunder sprachen die Spieler Julian Brandt und Nico Schlotterbeck sehr selbstbewusst darüber, dass sie nicht nach London gekommen seien, nur um zuzusehen, wie die „Königlichen“ wieder einmal eine Trophäe in die Höhe recken. Das sagten sie unter den Augen ihres Coaches Edin Terzić.
„Sie können jedem Verteidiger der Welt Probleme bereiten“
„Bei allem Erfolg, den wir haben wollen: Es wird auch um den Moment und das Spiel gehen – wir sollten es genießen und aufsaugen“, sagte Dortmunds Mittelfeldspieler Brandt am Vorabend der Partie im Wembleystadion (21 Uhr/live DAZN und ZDF). „Von den Rahmenbedingungen her gibt es nicht Besseres“, so Brandt. „Wir spielen in einem der schönsten Stadien der Welt gegen einen der stärksten Gegner der Welt.“ Das sei alles andere als alltäglich.
Vor der Bedeutung und der Größe des Ereignisses kann niemand die Augen verschließen – auch wenn sich die Borussen noch so sehr vornehmen, möglichst gelassen in die Partie gegen den 14-maligen Gewinner des wertvollsten Pokals im europäischen Vereinsfußball zu gehen. „Richtig ausblenden kann man es natürlich nicht, dass eine Vorfreude, eine Aufgeregtheit entsteht“, so Brandt. Nur logisch, fehlen doch den allermeisten BVB-Profis Erfahrungswerte auf diesem Niveau. „Aber wir versuchen es trotzdem als Fußballspiel zu nehmen.“
Eins ist klar: In dieses Fußballspiel gehen die das die Dortmunder auf keinen Fall chancenlos. Wenn es gelingen sollte, wie teilweise in den erfolgreichen Halbfinal-Partien gegen Paris St. Germain, die Offensive des Gegners aus dem Spiel zu nehmen, könnte eine Sensation drin sein.
Das allerdings dürfte gegen die Flügelstürmer Vinicius Junior und Rodrygo schwer werden – sowie vor allem gegen den ehemaligen Dortmunder Jude Bellingham. „Ich glaube, dass sie alle eine unfassbare Qualität haben. Sie können jedem Verteidiger der Welt Probleme bereiten. Alleine kann man sie nicht verteidigen, das muss das ganze Team machen“, sagte Schlotterbeck. Teamwork sei gefragt. Und Aufopferung.
Doch warum soll dem BVB nicht ein Coup gelingen? „Wenn wir die Real-Offensive in Schach halten, haben wir eine Chance“, so Schlotterbeck. Brandt ergänzte trotzig: „Wenn wir und die anderen Jungs nicht dran glauben würden, hätten wir auch gleich in Dortmund bleiben können.“
So denkt Real Madrid über den BVB
Nein, Kanonenfutter werden die Dortmunder auf keinen Fall sein – davon geht übrigens auch beim Gegner niemand aus. „Für alle sind wir Favoriten, aber wir denken nicht so. Es ist ein 50:50-Spiel. Wir spielen gegen ein starkes Team, das eine fantastische Champions-League-Saison gespielt hat, wir haben viel Respekt vor ihrer Qualität und vor ihnen als Team“, sagte Luka Modric.
Der beklagte sich sogar darüber, dass die Woche vor dem Finale Madrid ein wenig zu hektisch gewesen sei, standen doch viele Medien- und Sponsorentermine an. Damit ließ der kroatische Routinier ließ durchblicken, dass ihm das nicht gefallen hatte.
Die Vorbereitung der beiden so unterschiedlichen Finalisten war ebenfalls sehr verschieden gewesen. Zumindest hatte es sich für die Spieler so angefühlt. Während die Dortmunder nach dem Bundesligaende zwei eher ruhige Wochen hinter sich haben und Terzić versucht hatte, jegliche Unruhe vom Team wegzuhalten, herrschte in Madrid ein regelrechter Rummel.
Für Störfeuer hätte beim BVB ein WELT-Interview von Mats Hummels sorgen können, in dem sich der Abwehrchef kritisch über Trainer Edin Terzić geäußert hatte. Doch der verkniff sich jegliche Reaktion. „Worum ging´s denn? Ich habe es nicht gelesen“, sagte Terzić. Es sei schon seit Tagen nur auf das Finale konzentriert.
Bei Real kehrt eine Stammkraft zurück
Doch egal, ob es nun Unruhe gab oder nicht, so kurz vor dem Anpfiff zähle das alles nicht mehr. Das sagte jemand, der es wissen müsste: Carlo Ancelotti. Der italienische Trainer, der die Königsklasse bereits zweimal als Spieler und dann viermal als Coach gewonnen hat, wartete mit eigenen Erkenntnissen auf.
Nervosität und Anspannung, ja sogar „Angst“, seien vor einem wichtigen Endspiel nicht ungewöhnlich und auch nicht unbedingt ein Problem, so der 64-Jährige: „Sie können dir auch helfen, deine bestmögliche Leistung zu bringen.“
Ancelotti kündigte ein Comeback von Reals Stammkeeper Thibault Courtois an. Der Belgier, der sich im vergangenen Sommer einen Kreuzbandriss zugezogen hatte, „wird spielen“, sagte der Coach. Beim BVB dürfte es personell keine Überraschungen geben. Es gilt als sicher, dass Terzić die Elf aus dem Halbfinal-Rückspiel in Paris aufbieten wird.
Beide Trainer wirkten am Tag vor der Partie sehr klar in Bezug auf das, was sie am Samstag vorhaben. Darüber, wie sie einen Sieg gerne feiern würden, äußerten sich beide nicht. „Die besten Partys in meinem Leben waren die, die nicht geplant waren“, erklärte Terzić.