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Meinung Nations League

Geisterspiel auf ungarische Art

„Sanktionen eine Grauzone“ - England-Trainer Southgate zu Ungarns Fanverbot

Die englische Nationalmannschaft ist mit einer Niederlage gegen Ungarn in die Nations League gestartet Eigentlich hätte die Partie in Budapest vor leeren Rängen stattfinden sollen, doch das Fan-Verbot für die Ungarn konnte umgangen werden.

Quelle: WELT

Autoplay
30.000 Fans statt leerer Ränge beim Nations-League-Spiel zwischen der ungarischen Natinalmannschaft und England: Was eigentlich ein Geisterspiel war, wurde zum Fan-Spektakel. Ungarn zieht die Uefa wie einen zahnlosen Bären am Nasenring durch die Arena

Eigentlich war es für Peter Gulacsi der perfekte Tag. Den Traum jedes Torhüters hatte sich der Ungar erfüllt: Gewonnen, zu null, dichtgehalten. Aber wenn sein Gesicht sprechen könnte, hätte es gesagt: Leider gibt es auch Nullen, die nicht ganz dicht sind.

„Buuuuh!“, brummte dumpf das Stadion.

Vor dem Anpfiff ist es passiert. Aus den tiefsten Abgründen der Kehle wurde der Gegner in der Budapester Puskas-Arena bepfiffen, bebrüllt und beleidigt. Dabei taten die Engländer nichts Schlimmes, sondern das, was sie immer tun: Sie sanken kurz auf die Knie, um ein deutliches Zeichen gegen den Rassimus zu setzen.

Ungarn - England
Englands Nationalspieler setzen vor dem Spiel ein Zeichen gegen Rassismus +++
Quelle: dpa/Nick Potts

Peter Gulacsi fühlt sich in solchen Momenten eher als Engländer. Der ungarische Torwart, der bei RB Leipzig zu den Besten der Bundesliga gehört, ist auch schier unüberwindbar im Kampf gegen Hass und Intoleranz. „Jeder Mensch hat das Recht auf Gleichberechtigung“, sagt er, „egal, welche Hautfarbe er hat, wen er liebt oder an was er glaubt.“ Gulacsi war in seinem Land wiederholt Fußballer des Jahres, seine Stimme hat Gewicht. Aber sobald er sie erhebt und zum Beispiel die Einschränkung von Rechten sexueller Minderheiten in seiner Heimat kritisiert, gerät er schnell ins Auge des Hurricans, oder in einen Shitstorm.

„Wieso werden wir ausgebuht?“

Wie jetzt die Engländer. Fassungslos fragt Gareth Southgate, ihr Trainer: „Wir gehen auf die Knie, um den Menschen etwas zu vermitteln und ihr Bewusstsein zu schärfen. Wieso werden wir ausgebuht?“

Ungarn - England
Englands Nationaltrainer Gareth Southgate
Quelle: pa/dpa/CSM via ZUMA Press Wire/David Klein

Gulacsi hat es sich inzwischen angewöhnt, sich bei Ungarns Gegnern hinterher zu entschuldigen. Als letzten Sommer bei der EM Portugals Stürmerstar Cristiano Ronaldo während des Spiels in Budapest von den Rängen herab homophob beleidigt wurde, ging Ungarns Torwart nach dem Abpfiff zu ihm und nahm ihn in den Arm. Der europäische Fußballverband Uefa veröffentlichte das Foto noch am selben Abend und schrieb begeistert: „Respect“.

Respekt ist ein großes Wort, es ist schnell gesagt und kostet nichts. Es kann aber auch ein verdammt hohles Wort sein, über das sich viele totlachen, jedenfalls ziehen die Ungarn die vermeintlich mächtige Uefa wie einen zahnlosen Bären am Nasenring durch die Manege. Verwirrend viele Buhrufe und Pfiffe waren gegen England zu hören - dafür, dass eigentlich gar keine Zuschauer vorgesehen waren. Denn nach den widerlichen Fanentgleisungen bei den EM-Spielen 2021 gegen Portugal, Frankreich und Deutschland wurde Ungarn zu zwei Heimspielen ohne Zuschauer verurteilt. Auf gut Deutsch: zu Geisterspielen, vor leeren Rängen.

Aber, oh Wunder: 30.000 Fans waren da.

Ungarische Kinder können brüllen wie ihre Väter

Die Ungarn sind gut darin, Schlupflöcher zu finden. Die Regularien der Uefa lassen es zu, dass bei Spielen unter Ausschluss der Öffentlichkeit Kinder bis 14 ins Stadion dürfen, in Begleitung eines Erwachsenen. Seit dem Spiel gegen England am Samstag wissen wir nun: Ungarische Kinder können brüllen wie ihre Väter. Herbert Grönemeyer hatte sich die Sache jedenfalls romantischer vorgestellt, als er sein Lied „Kinder an die Macht“ sang. Es geht so:

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„Gebt den Kindern das Kommando

Sie berechnen nicht, was sie tun

Die Welt gehört in Kinderhände

Dem Trübsinn ein Ende.“

Irgendwie hat dieses Konzept in der Puskas-Arena nicht funktioniert. Englands Trainer Southgate fürchtet, dass Grönemeyer eine kleine Winzigkeit übersehen hat: „Die Kinder werden offensichtlich von Erwachsenen beeinflusst.“

Hungary v England: UEFA Nations League - League Path Group 3
30.000 Fans in Budapest sahen das eigentliche Geisterspiel gegen England live im Stadion
Quelle: Getty Images/Michael Regan

Eine Farce war es. Eine blamable Schmierenkomödie. Absurdes Theater. Europa tut sich schwer mit Viktor Orban, dem Boss von Budapest, der EU tanzt er auf der Nase herum und der Uefa. Als „erbärmliche und feige“ Truppe hat er letztere durch seinen Außenminister Peter Szijjarto nach der Heimspielsstrafe beschimpfen lassen, aber die Uefa will ja kein Bösewicht sein, und zu Orbans Freude hat sie der Stadt München bei der Europameisterschaft untersagt, die Allianz-Arena beim Spiel Ungarn gegen Deutschland in Regenbogenfarben leuchten zu lassen.

„Mir persönlich würde es gefallen, wenn es bunt wäre“, sagte damals Ungarns Abwehrchef Willi Orban, und wo ein Willi ist, ist normalerweise auch ein Weg - aber der Regierungschef Orban ist dann doch gewichtiger, jedenfalls pochte die Uefa auf ihr Recht der sexualpolitischen Neutralität. „Repekt“, wird Viktor gedacht haben.

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An anderer Stelle fällt der Respekt magerer aus, und vor allem die Engländer bekommen den Mangel immer wieder zu spüren. Letzten September wurden Jude Bellingham, ihr Dortmunder Talent, und Stürmer Raheem Sterling von Manchester City im Weltmeisterschafts-Qualifikationsspiel in Budapest mit Affengebrüll beleidigt. Der Weltverband Fifa ahndete das „abscheuliche Verhalten“ seinerseits mit zwei Geisterspielen und einer Geldstrafe in Höhe von 200.000 Schweizer Franken - auf die Gefahr hin, dass die Ungarn das Urteil für preiswert halten.

Muss sich Gulasci nach jedem Spiel entschuldigen?

Was macht jetzt die Uefa?

Der europäische Verband hat gerade viel an der Backe. Er muss das Zuschauerchaos an den Drehkreuzen des Pariser Stadions vor dem Champions-League-Finale aufarbeiten und hat eine schwerwiegende Untersuchung unter Leitung des früheren portugiesischen Umweltministers Tiago Brandao Rodrigues am Laufen. Die Frage ist, ob das Personal nun auch noch für Ermittlungen zu Budapest reicht, womöglich sogar für ein Update zu den Ungarn.

Die waren ja ursprünglich zu drei Geisterspielen verdonnert worden, das dritte wurde für zwei Jahre zur Bewährung ausgesetzt. Ist diese Bewährung nun verspielt? Greift die Uefa etwa durch? Setzt sie ein Signal? Oder setzt sie lieber weiter auf Torwart Peter Gulacsi - also darauf, dass der die Gegner hinterher umarmt und sich entschuldigt?

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