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Wo bleibt der Champagner?

Warten auf Nachschub: Tony Curtis und Natalie Wood beim Champagnerschlürfen in einer Szene aus dem Hollywood-Film „Das große Rennen um die Welt“ von 1965 Warten auf Nachschub: Tony Curtis und Natalie Wood beim Champagnerschlürfen in einer Szene aus dem Hollywood-Film „Das große Rennen um die Welt“ von 1965
Warten auf Nachschub: Tony Curtis und Natalie Wood beim Champagnerschlürfen in einer Szene aus dem Hollywood-Film „Das große Rennen um die Welt“ von 1965
Quelle: picture alliance /Everett Colle
Nichts symbolisiert die französische Lebensart besser als der Schaumwein. Dabei verdankt er seine Existenz vor allem dem Zufall. Und einem weitsichtigen Mönch samt dreier Witwen.

Die Französische Revolution brachte 1789 nicht nur neue gesellschaftliche Werte wie Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit. Wir verdanken ihr auch kulturelle Errungenschaften wie die Sommeliers und Restaurants. Der Legende nach soll ein Wirt namens Boulanger 1795 über der Tür seiner Gaststube das Matthäus-Zitat „Ich will euch erquicken“ (lat. restaurabo) angebracht haben. Voilà, das „Restaurant“ war geboren und fortan durften auch Revolutionäre ihren Körper „restaurieren“. Dazu gehörten seit jeher auch feine Weine, für die traditionell die Logistikexperten für Speis’ und Trank im Dienste des Königshofs und der Fürstenhäuser, die Sommeliers, zuständig waren. Nun auch im Restaurant. Kein Umsturz ohne Umtrunk.

Was wäre wohl passiert, wenn die Französische Revolution in Deutschland stattgefunden hätte? Ein interessanter Gedanke. Doch die Erfindung der Haute Cuisine wäre wohl auf keinen Fall dabei herausgekommen. Frankreich steht schlicht und ergreifend für Genusskultur und Lebensart, die einem selbst im Alltag auf Schritt und Tritt begegnen.

Im ältesten französischen Roman, dem um 1230 von Guillaume de Lorris verfassten „Roman de la Rose“, wurde bereits einem Käse ein literarisches Denkmal gesetzt, dem Pont-l’Évêque. Eines aus Stein erhielt Marie Harel, die im Jahr 1790 den Camembert erfand – als Nebenprodukt der Revolution. Die Bäuerin versteckte in den unruhigen Zeiten einen Priester aus Brie, der ihr voll Dankbarkeit die Rezeptur für einen köstlichen Weißschimmelkäse überließ. Und selbst die so legendäre wie umstrittene Stopfleber hat ihre Würdigung erfahren. In Deutschland ist die Herstellung verboten, während die Fois gras in Frankreich gesetzlich geschütztes kulturelles und gastronomisches Erbe ist.

L‘art de vivre

Ein besonderer Wein wiederum verkörpert alles, was wir etwas ungelenk unter Savoir-vivre verstehen und was der Franzose korrekterweise als „l’art de vivre“ bezeichnet: Champagner. Wie kein anderes Getränk symbolisiert er das Lebensgefühl einer ganzen Nation. Dabei stand bei seiner Entstehung in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts der Zufall Pate: Wein, der in kalten Wintern scheinbar seine Gärung im Fass beendet hatte, wurde auf Flaschen gefüllt. Trügerisch, denn sobald die Frühlingssonne die Temperaturen ansteigen ließ, nahmen die Hefen ihre unterbrochene Arbeit wieder auf und in den Flaschen begann es weiterzugären. „Vin fou“, verrückter Wein, wurde das überschäumende Getränk genannt, das regelmäßig die Flaschen in den Kellern bersten ließ.

Beliebt waren die verrückten Tropfen anfangs nicht. Selbst Dom Pierre Pérignon, der Cellerar (eine Art klösterlicher Geschäftsführer) von Hautvillers und häufig als „Erfinder“ des Champagners genannt, setzte alles daran, die zweite Gärung zu verhindern. Er arbeitete mit der roten Rebsorte Pinot Noir, da diese weniger anfällig für die Nachgärung war als die üblichen Chardonnay-Trauben.

Er entwickelte die Idee der Cuvée, indem er verschiedene Lagen verkostete und dann entschied, welche gemeinsam gekeltert werden sollten. Er nutzte die damals ganz modernen dickwandigen Glasflaschen aus England und verschloss sie nicht mehr mit einem Holzstöpsel, sondern einem Korken. Das stabilere Glas und die elastischeren Verschlüsse ließen vermutlich weniger Flaschen explodieren und hielten einen Teil der Kohlensäure in der Flasche. So wurde Dom Pérignon zum „Perlenbändiger“: Er tat den ersten Schritt auf dem Weg zum prickelnden Luxus.

Die Pompadour, die Cliquot, die ...

Die heute gültige Rezeptur für Champagner wurde erst Anfang des 18. Jahrhunderts entwickelt, vor allem für die Tische der Reichen und Schönen. „Champagner ist der einzige Wein“, und davon war die Marquise de Pompadour felsenfest überzeugt, „der eine Dame zur Frau macht.“ Wer hätte das gedacht? Der perlende Wein und seine verführerischen Nebenwirkungen verfehlten ihre stimulierende Wirkung ganz offensichtlich nicht. Dabei galt es, vorsichtig zu trinken, denn das ursprüngliche Glas, „pomponne“ genannt, lief nach unten spitz zu, ein Trick, um die Hefeteilchen am Glasboden zu sammeln. Wer allerdings zu hastig das Glas leerte, trank im wahrsten Sinne bis zu bitteren Neige.

Dies ärgerte die Witwe Barbe-Nicole Clicquot-Ponsardin. Also ließ sie Löcher in ihren Esstisch sägen, stellte die Flaschen kopfüber in eben diese Rundungen und beobachtete, wie die Hefeflöckchen langsam in Richtung Flaschenhals niederschwebten. Beim Öffnen der Flasche wurden sie durch die Kohlensäure herausgeschleudert.

Übrig blieb ein klarer, flockenfreier Champagner. Nur ging durch das druckvolle Öffnen ein Teil des Inhalts verloren. Die Witwe hatte eine weitere kreative und stilbildende Idee: Sie füllte ihre Flaschen mit einer Mischung aus Wein, Cognac und Zucker auf, der Dosage, und konnte so auch die Süße ihrer modernen Tropfen dosieren.

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Doch Moden ändern sich, und rund 70 Jahre später setzte die nächste Witwe einen neuen Trend. Jeanne Alexandrine Louise Pommery erfand den Ultra Brut. Mit diesem Champagner ohne süße Dosage legte sie den Grundstein ihres Erfolgs. Und schließlich gab eine dritte Witwe der Geschichte erneut eine Wendung. 1967 präsentierte Lily Bollinger der staunenden Welt ihren Jahrgang 1952 R.D. Das Kürzel steht für „Récemment Dégorgé“, kürzlich von der Hefe getrennt. 15 Jahre lang war der umjubelte Tropfen nach der Flaschengärung auf der Hefe weitergereift.

17 Große und 44 Erste Lagen

Die Geschichte des Champagners findet kein Ende. Neue Trends und Ideen führen zu einer atemberaubenden Vielfalt. Der klassische Brut ist heute Standard, der Millésime hat individuellen Jahrgangscharakter. Dabei tragen die 17 Grand-Cru-Lagen der Champagne ebenso zur Differenzierung bei wie die 44 Premier-Cru-Lagen. Aus kleinsten Einzellagen entstehen Raritäten wie der Clos de Mesnil von Krug oder der Clos de Goisses aus dem Haus Philipponnat.

Pierrot
In diesem Jahr feierte das Champagnerhaus Roederer mit einem surrealistischen Fest seinen 241. Geburtstag

Besonders faszinierend sind gereifte Cuvées mit ihrem Spannungsbogen von Reife und Frische. Richard Geoffroy, der Geist hinter Dom Pérignon, hat das Konzept P2 entwickelt. Das ist keine Geheimloge, sondern wird als „Plénitude 2“ übersetzt, als Stufe der zweiten Vollkommenheit. P2 wird rund zehn Jahre später als der klassische Dom Pérignon degorgiert. Eine P3, die noch zehn Jahre länger reift, ist in Vorbereitung.

Es ist und bleibt unvorstellbar, dass – Revolutionen hin oder her – sich in Deutschland ein vergleichbarer Kosmos des Genusses auftun könnte. Doch immerhin lassen wir uns sehr gern von den Ideen unserer Nachbarn inspirieren. Deutschland war 2016 mit zwölfeinhalb Millionen Flaschen Champagner der drittgrößte Importeur nach Großbritannien und den USA.

Immer neue Inspirationen

Auch was den Schutz kulinarischer Traditionen anbelangt, haben wir dazugelernt. So gehört die deutsche Brotkultur mit ihren über 300 Sorten nun auch zum Unesco-Welterbe. Da taugt die Tatsache, dass in Frankreich mehr Käsesorten als Kalendertage existieren, bestens als nächste Inspiration.

So wie auch der Champagnerkonsum unserer Nachbarn. Rund die Hälfte einer Jahresproduktion trinken sie selbst. Das waren 2016 immerhin fast 158 Millionen Flaschen. Wie Lily Bollinger sagte: „Ich trinke Champagner, wenn ich froh bin und wenn ich traurig bin. Manchmal trinke ich davon, wenn ich allein bin; und wenn ich Gesellschaft habe, dann darf er nicht fehlen. Wenn ich keinen Hunger habe, mache ich mir mit ihm Appetit, und wenn ich hungrig bin, lasse ich ihn mir schmecken. Sonst aber rühre ich ihn nicht an, außer wenn ich Durst habe.“

Der Autor trägt als einziger Deutscher den Titel „Sommelier-Weltmeister“ und als weltweit erster Experte daneben auch die Auszeichnung „Master of Wine“.

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Hier kommt der Champagner mit der Drohne

Die Konkurrenz im US-amerikanischen Hotelgewerbe ist hart. Ein großer Hotelkonzern experimentiert mit High-Tech-Lösungen, um auch zukünftig für Gäste attraktiv zu sein.

Quelle: N24

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