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Städtereisen Dünkirchen

Wo Frankreichs Küste frei ist von Übertourismus

Viele Gegenden in Frankreich sind touristisch überlaufen. Nicht so der äußerste Norden um Dünkirchen. Der lockt mit herrlichen Stränden, kulinarischen Freuden und belgischem Einfluss. Dass hier aber längst nicht immer alles heiter war, zeigen die Museen.
Leitender Feuilletonredakteur
Frankreich: In Malo-les-Bains stehen elegante Villen, einige auch im Jugendstil, am Strand Frankreich: In Malo-les-Bains stehen elegante Villen, einige auch im Jugendstil, am Strand
In Malo-les-Bains stehen elegante Villen, einige auch im Jugendstil, am Strand
Quelle: Andia/Alamy
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Paris? Kennt jeder. Die Loire-Schlösser? Eins wie’s andere! Normandie, Bretagne, Provence? Längst geronnen zu Ansichtskarten. Aber zum Glück ist in Frankreich bislang nicht alles bekannt, es gibt tatsächlich noch so etwas wie Neuland, wo es nur wenige Urlauber und trotzdem viel zu entdecken gilt.

Dünkirchen ist so ein Fall, gelegen im Nordzipfel des Landes in einer Region, von der kaum jemand weiß, dass sie an die Nordsee grenzt. Eine Stadt, 1940 von den Deutschen plattgemacht, als Reiseziel? Reicht es nicht, wenn man sich dazu den Film „Dunkirk“ von Christopher Nolan anschaut, der 2018 mehrere Oscars gewann? Kann natürlich nicht schaden. Aber die Stadt bietet mit ihren Stränden und dem spannenden Umland viel mehr als Historie.

Zunächst zum Film. Der widmet sich historisch korrekt der größten militärischen Rettungsaktion der Geschichte. Und die verbindet sich mit dieser Stadt. Denn Ende Mai, Anfang Juni 1940 wurden in Dünkirchen – Französisch Dunkerque – sage und schreibe 340.000 Soldaten gerettet, die hier von der Wehrmacht eingekesselt worden waren. Die Royal Navy brachte sie in unzähligen Booten nach England. Zunächst die eigenen Leute, danach erst die Franzosen, die mussten sich schön hinten anstellen.

Dünkirchen in Frankreich
Quelle: Infografik WELT

In die Geschichte ging der Coup ein als „Operation Dynamo“. Ihr ist in Dünkirchens Hauptbadeort Malo-les-Bains das Musée Dunkerque 1940 gewidmet. Durchaus interessant, aber wer moderne Geschichtsmuseen kennt, wähnt sich hier eher auf einem Trödelmarkt für Militaria: Auf 1000 Quadratmetern wird hier noch das unscheinbarste Objekt gezeigt, Hauptsache, es steht in irgendeinem Bezug zur Rettungsaktion.

Frankreich: Im Musée Dunkerque 1940 erfährt man alles über die Schlacht von Dünkirchen
Im Musée Dunkerque 1940 erfährt man alles über die Schlacht von Dünkirchen
Quelle: dunkerque-tourisme

Für die Briten war die „Operation Dynamo“ eine Zäsur. Denn jetzt war der „Sitzkrieg“ ein für alle Mal zu Ende. Immer wieder bemühte Kriegspremier Winston Churchill den „Spirit of Dunkirk“, um seine Landsleute auf „Blut, Schweiß und Tränen“ im Krieg gegen die Nazis einzuschwören.

Für Frankreich stellt sich das Ganze etwas anders dar: Es hatte keine Chance mehr, sich gegen den mächtigen Aggressor zu verteidigen. Das Land blieb bis zum August 1944 von den Deutschen besetzt, die Franzosen hatten viel mehr Tote zu beklagen als die Briten. Aus Dünkirchen, zu 80 Prozent zerstört, zog die Wehrmacht sogar erst im Mai 1945 ab.

Das Wasser der Nordsee ist auch im Sommer frisch

Wer heute an den tadellos sauberen sieben Badestränden von Dünkirchen entlangschlendert oder sich in den nur sehr mäßigen Wellengang wirft, wer den ganz eigenartig jodhaltigen Geruch der grau schimmernden Nordsee einsaugt, wer es sich in einem der vielen Restaurants im Stadtteil Malo-les-Bains bei ungewöhnlich preisgünstigen Muscheln mit Pommes Frites oder Waffeln gut gehen lässt, der ahnt nichts von den Gewalten der Geschichte, die hier tobten. Der erlebt vielmehr eine Region, die in den vergangenen zehn Jahren überhaupt erst zu einer beliebten Reisedestination geworden ist, allerdings frei von all den negativen Auswirkungen des Übertourismus, die es anderswo an Frankreichs Küsten gibt.

Dünkirchen: Die Badehäuschen am Strand sind farbenfroh bemalt
Die Badehäuschen am Strand sind farbenfroh bemalt
Quelle: Holger Leue/TIB/Getty Images

Beliebt ist der Landstrich bei Franzosen, aber auch bei Holländern, Belgiern und Deutschen. Sie alle schätzen die würzige Luft, die steife Brise, das Kreischen der Möwen, die frische Wassertemperatur, die selbst im Hochsommer kaum 20 Grad erreicht – man ist hier eben an der Nordsee. Davon zeugen nicht zuletzt die breiten Sandbänke, auf denen man stundenlang zwischen Meer und Dünen spazieren gehen und die Zeit vollkommen vergessen kann. Das ist höchst erholsam und beruhigender als jedes Eintauchen ins Wasser.

Direkt hinter der Düne von Malo-les-Bains findet sich das reizvollste Stadtviertel von ganz Dünkirchen: eine Villenkolonie mit farbenfrohen Jugendstilhäusern. Sie lehnen sich an den belgischen Architekturstil an, wie er vor allem von Victor Horta geschaffen wurde, mit Rundbögen, Bleiglasfenstern, floralen Ornamenten, glasierten Kacheln. Die Häuser tragen ausdrucksstarke Namen wie „Quo vadis?“ oder „Zur guten Großmama“.

Frankreich: Die Innenstadt von Dünkirchen wird überragt vom Rathausturm im neoflämischen Stil
Die Innenstadt von Dünkirchen wird überragt vom Rathausturm im neoflämischen Stil
Quelle: George Pachantouris/Moment/Getty Images
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Das erinnert an Ostende. Überhaupt ist der belgisch-flandrische Einfluss groß. Dünkirchen wurde erst 1662 französisch. Nicht durch kriegerische Eroberung übrigens: Ludwig XIV. kaufte es einfach dem englischen König Karl II. ab. Die damals hier verbreitete flämische Sprache wurde bis Mitte des 19. Jahrhunderts vom Französischen verdrängt.

Ein Ausflug von Dünkirchen nach Gravelines

Mit der Zugehörigkeit zu Frankreich begann eine große Zeit, deren Zeugnisse noch an vielen Punkten sichtbar sind. Westlich von Dünkirchen liegt beispielsweise das Städtchen Gravelines. Hier wird in der Espace Tourville gerade die „Jean Bart“ nachgebaut, ein riesiges Freibeuterschiff, benannt nach dem Korsaren Jean Bart.

Wer sich auf der Baustelle umschaut, kann eine Schmiede oder eine Schreinerei bewundern, wo noch genauso gearbeitet wird wie im 17. Jahrhundert. Mit Bolzen und Nägeln, die bis zu 1,50 Meter lang sind und zwölf Kilogramm wiegen. Vom Schiff existiert bislang nur der Rumpf, aber in zehn Jahren soll es fertig sein. Allerdings ohne die 84 Kanonen an Bord, mit denen zu Zeiten von Jean Bart so eine „Kathedrale“, wie der Baustellenchef sie ironisch nennt, von Dünkirchen aus die Weltmeere unsicher machte und vor allem Araber in Schach hielt.

Frankreich: Vom Leuchtturm in Gravelines hat man eine gute Sicht über die Nordseeküste
Vom Leuchtturm in Gravelines hat man eine gute Sicht über die Nordseeküste
Quelle: picture alliance/PHOTOPQR/VOIX DU NORD/MAXPPP/Sebastien JARRY

Sicher hingegen sollte es in Dünkirchen sein, für das Ludwig XIV. ein Faible hatte. Darum ließ er die Stadt von seinem Baumeister Vauban mit riesigen Befestigungsanlagen umgeben. Sie existieren heute nicht mehr. Aber in Gravelines, gleich neben der Espace Tourville, kann man diese sternförmigen Anlagen, von denen Vauban gut hundert in ganz Frankreich errichtet hatte, bewundern. Und mit dem Boot in gemächlichem Tempo umrunden, was etwa eine Stunde dauert. Gravelines ist der einzige Ort in Frankreich, der noch, wie im 17. Jahrhundert, komplett von Wasser umgeben ist.

Und noch etwas ist sehenswert in Gravelines: der Leuchtturm von Petit-Fort-Philippe, 1834 errichtet, außen durch seine spiralförmigen schwarzen Streifen erkennbar. Von oben hat man eine gute Sicht über die Nordseeküste, im Inneren zeigt eine Ausstellung nicht nur die Geschichte des Turms, sondern erklärt auch, was es mit der sogenannten Fresnel-Linse auf sich hat. Die wurde im 19. Jahrhundert von Augustin Fresnel erfunden, sie revolutionierte die Anlage von Leuchttürmen, indem sie Licht von Scheinwerfern bündelte und die Lichtstärke deutlich erhöhte.

In Frankreich steigt der Konsum von Bier

Nach so viel Erkundungen der maritimen Kultur sollte man sich der gastronomischen widmen. Wie wäre es zum Beispiel mit einer Bier-Degustation in der Vier-Schleusen-Brauerei (Brasserie des 4 Écluses)? Das angesagteste Bier von Dünkirchen ist zurzeit das „Bastion 14“, denn ganz ohne Militärgeschichte geht es eben doch nicht.

Aber der friedfertige Geschäftsführer Eric François ist durch und durch Zivilist. Stolz gießt er aus der 0,75-Liter-Flasche, die er zu günstigen 5,70 Euro verkauft, die goldfarbene Flüssigkeit ins Glas. „Bastion 14“ erweist sich als ungemein süffig und erinnert durch leicht süßen Beigeschmack an das belgische Leffe-Bier.

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Der Wirt versichert, es sei der ideale Aperitif, zumal wenn man dazu Anchovis esse, es eigne sich aber auch gut zum Dessert. Überhaupt, erfährt der deutsche Gast zu seinem Erstaunen, sinke in Frankreich inzwischen der Weinkonsum pro Kopf, dafür steige die Beliebtheit von Bier; überall schössen kleine lokale Brauereien aus dem Boden. In der Herstellung nehmen sie für sich in Anspruch, nachhaltig zu sein und etwas für den Erhalt des „patrimoine“, also des kulturellen Erbes, zu tun.

Nichts wird ins Ausland verlagert, „alles bei uns ist authentisch Dunkerque“, sagt François. Das lässt sich ebenso von der Gastronomie im historischen Zentrum oder am alten Hafen sagen. Im „Grand Morien“ etwa gibt sich mittags das Stammpublikum ein Stelldichein, serviert wird traditionell Französisches, die Stimmung ist geradezu mediterran laut. Gemessener geht es abends im „Le Sweet“ zu, das in einer Pop-Art-Ästhetik gehalten ist. Muscheln mit Fritten wird man hier nicht auf der Karte finden, dafür jede Menge Fisch, von Barsch über Barbe bis Kabeljau und Thunfisch.

Das Museum erweckte Lens wieder zum Leben

Wer nun noch ein kulturelles Highlight braucht, dem sei ein Ausflug nach Lens empfohlen. Das anderthalb Zugstunden entfernte Bergarbeiterstädtchen dümpelte nach Stilllegung der Zechen traurig von sich hin. Aber durch eine geniale Idee des Kulturministers Jack Lang erfuhr es eine Wiederauferstehung: Seit 2012 ist dort eine Dépendance des Louvre untergebracht. Mittlerweile gehört der Louvre Lens zu den drei meistbesuchten Museen Frankreichs (jenseits von Paris) mit jährlich 500.000 Gästen.

Frankreich: Im Städtchen Lens zeigt der Louvre Lens Kunst aus fünf Jahrtausenden
Im Städtchen Lens zeigt der Louvre Lens Kunst aus fünf Jahrtausenden
Quelle: Frederic IOVINO

Besucher finden in dem Glasgebäude, das an die Neue Nationalgalerie in Berlin erinnert, rund 200 hochkarätige Leihgaben, die 5000 Jahre Kulturgeschichte spiegeln – von den alten Ägyptern bis etwa 1850. Hinzu gesellt sich afrikanische und ozeanische Kunst aus dem Musée du Quai Branly. Das ist wie für unsere Zeit gemacht, die sich nicht mehr systematisch, sondern spielerisch der Weltkunst nähern will.

Moderne Museen, revolutionäre Leuchttürme, mustergültiger Festungsbau: Hier im Norden hat sich Frankreich seit Jahrhunderten als Laboratorium Europas erwiesen. „Spirit of Dunkerque“ lautet nicht ohne Grund das Motto des örtlichen Tourismusamts. Von diesem Fortschrittsgeist profitieren auch Urlauber. Denn – letzte Innovation für heute – Dünkirchen hat, als erste französische Stadt, 2018 den kostenlosen Nahverkehr für alle eingeführt.

Tipps und Informationen:

Die Teilnahme an der Reise wurde unterstützt vom Fremdenverkehrsamt Dünkirchen. Hier finden Sie unsere Standards der Transparenz und journalistischen Unabhängigkeit.

Anreise: Wer nicht mit dem Auto kommt, nimmt den Zug oder das Flugzeug bis Paris. Vom Gare du Nord fahren mehrmals täglich TGV-Superschnellzüge ohne Umsteigen nach Dünkirchen (zwei Stunden), vom Flughafen Paris-Charles-de-Gaulle fahren ebenfalls mehrere Züge am Tag mit Umsteigen in Lille (zwei bis drei Stunden, sncf-connect.com).

Unterkunft: Ein modernes gehobenes Mittelklassehotel in Dünkirchen ist das „Mercure Dunkerque Cente Gare“, am Bahnhof und neben dem Yachthafen gelegen, mit Panoramablick, Doppelzimmer ab 144 Euro (accor.com).

Direkt am Strand von Malo-les-Bains liegt das charmante „Hôtel Merveilleux Côté Mer“ mit kleinen, aber feinen Zimmern, Doppelzimmer ab 165 Euro (hotelmerveilleux.com/hotel/malo-les-bains). In Lens empfiehlt sich das Viersternehaus „Louvre Lens“, es gehört zur für Qualität und Ästhetik bekannten Gruppe „Esprit de France“ und ist in einer Reihe alter Bergarbeiterhäuschen untergebracht, das Restaurant „Le Galibot“ ist exquisit, Doppelzimmer ab 150 Euro (esprit-de-france.com/en/hotels/hotel-louvre-lens).

Sehenswert: Musée Dunkerque 1940, Eintritt acht Euro für Erwachsene, dynamo-dunkerque.com. Espace Tourville, Ausstellung zum Nachbau des Freibeuterschiffs „Jean Bart“ in Gravelines, Eintritt sieben Euro für Erwachsene, espacetourville.com.

Der Leuchtturm Le Phare de Petit-Fort-Philippe in Gravelines kann Mi bis Sa von 14–18 Uhr besichtigt werden, Eintritt beschränkt auf fünf Personen gleichzeitig, Tickets für Erwachsene zwei Euro, Kinder kostenlos, Reservierungen unter resapatrimoine@ville-gravelines.fr.

Musée du Louvre Lens, geöffnet täglich außer Di von 10–18 Uhr, Eintritt frei (außer Wechselausstellungen), louvrelens.fr.

Weitere Infos: duenkirchen-tourismus.com, france.fr

Buchtipp: Wer wissen will, wie es sich 1940 für französische Soldaten anfühlte, von den Deutschen eingekesselt in Dünkirchen zu sein und auf die Ausschiffung nach England zu warten, der sollte den anrührenden Kriegsroman „Wochenende in Zuidcoote“ von Robert Merle lesen; in Frankreich erschien er 1949, in Deutschland ein Jahr später, erhältlich als Goldmann-Taschenbuch im antiquarischen Buchhandel.

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