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Einst verspottet, ist die Burg nun eine Attraktion

Kaiser Wilhelm II. ließ Anfang des 20. Jahrhunderts die Festung Hohkönigsburg als Symbol deutscher Herrschaft über das Elsass rekonstruieren und erntete dafür Häme. Heute ist das monumentale Bauwerk bei Schlettstadt eine der Top-Sehenswürdigkeiten Frankreichs.
Monumentalbauwerk in den Vogesen: die Hohkönigsburg Monumentalbauwerk in den Vogesen: die Hohkönigsburg
Mittelalterlich in der Anmutung, aber in dieser Gestalt kaum mehr als 100 Jahre alt: die Hohkönigsburg in den Vogesen
Quelle: picture alliance/Peter Schickert/www.schickert.
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Man könnte Burgen-Hopping machen in den Vogesen: Mehr als 80 der Bauwerke oder deren Überbleibsel gibt es in dem französischen Mittelgebirge, man spricht von „Burgendichte“, so viele sind es. Eine sticht besonders heraus, 300 Meter lang und 40 Meter breit: die Hohkönigsburg. Es ist die größte, jemals in den Vogesen errichtete Burganlage.

Damit ist Haut-Kœnigsbourg nicht nur die meistbesuchte Festung der Gegend, sondern eine der Top-Sehenswürdigkeiten Frankreichs. Wer auf Mittelalterromantik steht oder auch der oft mehr als bewegten deutsch-französischen Geschichte auf den Grund gehen möchte, könnte dort, aber auch im nahen Schlettstadt, kaum besser aufgehoben sein.

So erfährt man, dass „Hansi“, bürgerlich Jean-Jacques Waltz und Vorkämpfer patriotisch-frankophoner Elsässer, trotz ihrer beeindruckenden Erscheinung kein gutes Haar an der 750 Meter hoch gelegene Kammburg an den Ausläufern der Vogesen ließ. In einer zur Einweihung der Hohkönigsburg herausgegebenen Gegen-Festschrift schrieb der Illustrator und Karikaturist, der rechteckige Bergfried – so ganz anders als die runden Donjons in Frankreich – könne nur einem rechteckigen deutschen Architektenschädel entspringen.

Quelle: Infografik WELT

Der Grund für die Häme war klar: Denn rekonstruieren lassen hatte sie Anfang des 20. Jahrhunderts Kaiser Wilhelm II. Der deutsche Kaiser hatte dafür zwei Millionen Mark locker gemacht, so wichtig war ihm das steingewordene Symbol deutscher Herrschaft über das Elsass in der jahrhundertelang umkämpften Region.

Schlettstadt schenkte Kaiser Wilhelm II. die Ruine

Heute hat Frankreich längst seinen Frieden mit dem Bauwerk geschlossen, dem lukrativen Juwel unter den Sehenswürdigkeiten im Elsass. Mit ihren meterdicken Mauern, dem über 60 Meter hohen Bergfried, den Türmen und Zinnen, den Wendeltreppen sowie dem Kaisersaal, den Reichsadler und Hohenzollernwappen zieren, beflügelt die 1147 erstmals urkundlich erwähnte Burg die Fantasie von kleinen und großen Ritterfans. Fast scheint es, als habe die einstige Staufer-Veste die Jahrhunderte schadlos überdauert.

Auf 757 Metern am Ostrand der Vogesen gelegen: Hohkönigsburg
Der Blick von der Hohkönigsburg, die auf 757 Metern Höhe liegt, reicht weit
Quelle: LightRocket via Getty Images/Frank Bienewald

Doch in Wirklichkeit steht ihr Name für Verwüstung, Wiederaufbau und zahlreiche Besitzerwechsel. 1633 legten die Schweden das Symbol der Macht in Schutt und Asche. Zurück blieben eine romantische Ruine sowie ein Haufen ebenmäßiger Sandsteinquader.

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Die Hinterlassenschaft sollte sich noch als nützlich erweisen, als sich Bodo Ebhardt, Kaiser Wilhelms Lieblingsarchitekt, der Rekonstruktion der Burg als Bauleiter annahm. Sélestat – das damalige Schlettstadt – hatte dem Herrscher die Ruine geschenkt, weil der Stadt das Geld für eine umfassende Renovierung fehlte. Und Wilhelm, beseelt vom Gedanken, in einer Reihe mit Staufern und Habsburgern zu stehen, fackelte nicht lange: Die Königsburg sollte seinen Machtanspruch über das Elsass zementieren.

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Nur acht Jahre dauerte der Wiederaufbau – zu verdanken dem Umstand, dass Burgenspezialist Ebhardt auf technische Errungenschaften zurückgriff. Statt Pferdefuhrwerke wie im Mittelalter setzte er einen Dampfzug für den Transport der Sandsteinquader ein: Lok „Hilda“, ein fünf Tonnen schweres Ungetüm, musste zuvor allerdings erst auf den Berg geschafft werden – mittels 30 Pferden.

Die rekonstruierte Burg des Berliner Architekten

An der Megabaustelle, wo bis zu 200 Menschen schufteten, tat ein elektrisch betriebener Kran seinen Dienst. Und für die Wasserversorgung wurden nicht nur die alten Brunnen und Zisternen reaktiviert, sondern auch ein Pumpwerk gebaut. Die Wasserleitungen brachten es auf insgesamt 800 Meter Länge und mussten einen Höhenunterschied von 120 Metern überwinden.

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Ob die Hohkönigsburg nun ein originalgetreuer Nachbau ist oder doch eher ein Werk „falscher Wirklichkeit“, wie es der kanadische Maler John Howe umschrieb, interessiert die abertausenden Burgen-Fans nicht, die Jahr für Jahr ihre Eingangspforte passieren. Treppauf, treppab lässt sich jede Menge entdecken: lauschige Innenhöfe, Brunnen und Zisternen, Wandgemälde, Wappen und Wehrgänge mit Pechnasen und Schießscharten.

Im Südflügel gibt es Zimmer mit gewaltigen Kachelöfen und Kronleuchtern, ulkigen Baldachinbetten und geschnitzten Truhen. Im Rittersaal ziehen Rüstungen, Hellebarden und Schwerter die Blicke auf sich. Der polygonale Treppenturm mit den großen Fenstern passt eher in die Renaissance, statt zu einer mittelalterlichen Festung.

Blick in einen der Säle von Hohkönigsburg: prunkvoll im Mittelalterstil ausstaffiert
Prunkvoll im Mittelalterstil ausstaffiert: Blick in einen der Säle von Hohkönigsburg
Quelle: picture alliance/Bildagentur-online/Tips Images/. Hermes Images

Über solche künstlerischen Freiheiten, die sich Bodo Ebhardt gelegentlich erlaubte, rümpfte John Howe zwar die Nase, doch kalt ließ ihn das Meisterwerk des Berliner Architekten nicht: So wurde die Hohkönigsburg zur Vorlage seiner Illustrationen der wundersamen Welt J.R.R. Tolkiens.

Eine der freundlichsten Städte in Frankreich

Für die einstige Freie Reichsstadt Schlettstadt, als Sélestat 2023 von einem Internetportal zu Frankreichs freundlichsten Städten gewählt, ist das von Mittelalternostalgie beseelte Bauwerk Gold wert, bringt es doch jede Menge Touristen in die Stadt. Gelegen im Herzen des Elsass, zwischen Vogesen-Gipfeln und der flachen Ried-Ebene, verdankt sie ihre Existenz angeblich einem Riesen namens Schletto.

Fachwerkhäuser in Schlettstadt
Fachwerkhäuser in Schlettstadt
Quelle: Getty Images/T Sherratt

Der hielt sich als Begleiter keinen Hund, sondern einen Löwen. Der tobende Titan soll angeblich eine Menge Bäume und Felsen ausgerissen und sie ins platte Land gepfeffert haben – Grundstock für die Wiege Sélestats. Die Stadt gedenkt ihres Gründervaters mit gewaltigen Fußabdrücken und goldenen Löwentatzen im Pflaster der Gassen.

Dass sich die kleine Siedlung nahe einer karolingischen Königspfalz prächtig entwickelte, lag vor allem an den Staufern. Diese statteten das Örtchen mit allerlei Privilegien aus, stifteten Kirche und Kloster. Schlettstadt gedieh, wurde 1354 Mitglied des Zehnstädtebundes, erweiterte seine Befestigungen und betrieb Handel.

Der größte Schatz der Stadt

Mal gehörte das prosperierende Städtchen an der Ill zu Elsass-Lothringen, mal zu Frankreich, mal zu Deutschland. Das Hin und Her hat sich auch in der Architektur niedergeschlagen. Auf dem 48 Meter hohen Wasserturm aus der Zeit Kaiser Wilhelms II. thronte einst ein Adler, Symbol für die Zugehörigkeit des Elsass zum Deutschen Reich. Nach dem Ersten Weltkrieg ließ man ihn durch den französischen Hahn ersetzen. Auch dieser wurde 1940 entfernt, seither präsentiert sich das Monument ganz ohne Vogel.

Schlettstadt: Der 48 Meter hohe Wasserturm stammt aus der Zeit Kaiser Wilhelms II.
Der 48 Meter hohe Wasserturm stammt aus der Zeit Kaiser Wilhelms II.
Quelle: Getty Images/T Sherratt
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Wer den Löwentatzen folgt, vorbei an pastellfarbenen Fachwerkhäusern mit Erkern, hölzernen Treppenaufgängen und verspielten Giebeln, landet unweigerlich im Quartier der Gerber. Diese wohnen dort schon lange nicht mehr, doch die geduckten Fachwerkhäuschen mit ihren hohen, offenen Dächern, wo einst die Felle getrocknet wurden, existieren noch immer. Ebenso wie die Synagoge, deren Fassade aus hellem und rotem Sandstein heiter und lebendig wirkt. Durch die Nazis 1940 zerstört, wurde sie nach dem Krieg wieder aufgebaut.

Nur wenige Schritte von der romanischen Klosterkirche Sainte-Foy liegt der größte Schatz der 20.000-Einwohner-Stadt: die Humanistenbibliothek von Beatus Rhenanus, die seit 2011 zum Weltdokumentenerbe der Unesco zählt. Das hell verputzte Gebäude diente einst als Kornspeicher. Nun befinden sich dort zwei der ältesten Bücher- und Wissenssammlungen Europas.

Zählt zum Weltdokumentenerbe der Unesco: die Humanistenbibliothek in Schlettstadt
Mit modernem Anbau: die Humanistenbibliothek in Schlettstadt
Quelle: picture alliance/Winfried Rothermel

Die Bibliothek der Lateinschule begründete Sélestats Ruf als humanistische Hochburg, die Sammlung des Gelehrten Rhenanus ist das Vermächtnis des berühmtesten Schülers dieser Bildungsstätte. Der Elsässer hatte in Paris studiert sowie das Druckerhandwerk erlernt und war ein Büchernarr.

Er kaufte unablässig Handschriften und Wiegendrucke, ließ sich gar mit Büchern bezahlen. Als er 1547 starb, hinterließ er seiner Geburtsstadt über 650 Bände. Darunter sind religiöse Handschriften wie die mit Gold und Lapislazuli verzierte Sorbonne-Bibel aus dem 13. Jahrhundert, wertvolle Drucke sowie die eigene Korrespondenz.

Die Geschichte des Brotes im Elsass

Zu den Schätzen des Museums, dessen Schauraum an die Studierstuben der Renaissance erinnert, zählt das Mirakelbuch der Heiligen Fides aus dem frühen Mittelalter, illustriert mit Bildern von Pflanzen, Figuren und Fabelwesen. Noch älter ist das Merowingische Lektionar, eine Handschrift aus dem 7. Jahrhundert, sowohl Handreichung für den Gottesdienst als auch Weltchronik.

Seit einigen Jahren hat der historische Kornspeicher ein modernes Anhängsel. Der französische Stararchitekt Rudy Ricciotti entwarf an der Ostseite einen zweigeschossigen Kubus mit bodentiefen Glasfenstern. Dort sind ein Auditorium, ein Literaturcafé, Lesesäle sowie ein Raum für Ausstellungen untergebracht.

Verdankt seine Entstehungsgeschichte angeblich den Heiligen drei Königen: der Gugelhupf
Hat eine schöne Entstehungsgeschichte: der Gugelhupf
Quelle: De Agostini via Getty Images/DEA/M.SANTINI

Im nahen Maison du Pain d‘Alsace, dem elsässischen Brotmuseum, liegt ein unwiderstehlicher Duft in der Luft. Kuchen und Gebäck füllen die Vitrinen; im Hintergrund schieben Bäcker Bleche mit Brezeln und Brotlaiben in glühende Öfen. In den oberen Stockwerken, die über eine elegante, reich verzierte Wendeltreppe zu erreichen sind, erfährt man alles über die Geschichte des Brotes und des Bäckerhandwerks im Elsass.

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Daneben gibt es Backformen mit typisch elsässischen Motiven, filigrane Gussformen für Schokoladenfiguren sowie Ausstecher für die „Bredele“ zu sehen, die nicht nur im Advent verzehrt werden. Thema im Museum ist auch der sagenhafte Gugelhupf, dessen dunkle Holzbalken Zunftzeichen wie Brezel, Mühlrad und Brötchen zieren. Angeblich ist die charakteristische Backform der Gastfreundlichkeit eines gewissen Herrn Kugel zu verdanken.

Der Gute gewährte drei Fremden, angeblich den Heiligen Drei Königen, Schutz und Unterkunft für eine Nacht und bekam als Dank die schwere Keramikform geschenkt. Der Kouglof, wie der Gugelhupf im Elsass heißt, war geboren.

Tipps und Informationen:

Anreise: Schlettstadt erreicht man mit dem Auto ab Berlin in gut achteinhalb Stunden, ab Stuttgart sind es zweieinhalb. Ab Hamburg oder Berlin fährt man mit dem ICE direkt nach Freiburg, das eine knappe Autostunde von Schlettstadt entfernt liegt. Zur wenige Kilometer westlich von Schlettstadt gelegenen Hohkönigsburg (Eintritt reguläer 12 Euro) fährt an Wochenenden und Feiertagen ein Shuttlebus.

Unterwegs in Schlettstadt: Die Humanistenbibliothek hat von Mai bis September sowie im Dezember dienstags bis sonntags von 10 bis 12.30 Uhr sowie von 13.30 bis 18 Uhr geöffnet. Der Eintritt für Erwachsene kostet sechs Euro, ermäßigt vier Euro. Wer Schlettstadt unter fachkundiger Führung erkunden möchte, kann für zwei Stunden einen „Greeter“ buchen. Die Einheimischen bieten Touren zu Geschichte, Kunst, Architektur oder Traditionen an. Wer die Stadt auf eigene Faust entdecken möchte, folgt einfach den Löwentatzen. An insgesamt 24 Stationen gibt es per QR-Code Informationen zu Gebäuden und Plätzen.

Auskunft: selestat-haut-koenigsbourg.com

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