Der Freistaat Thüringen
Kultur satt, dafür ist Thüringen bekannt. In Gotha verliebte sich der große Maler Cranach der Ältere in die Frau, die er 1512 heiratete; das Lucas-Cranach-Haus und seine Werke im Herzoglichen Museum Gotha begeistern Besucher bis heute. Eisenach ist Geburts- und Wirkort von Johann Sebastian Bach; das Bachhaus, eines der größten Musikermuseen in Deutschland, bietet stündliche Konzerte auf barocken Instrumenten.
In Weimar wirkte nicht nur Johann Wolfgang von Goethe; Gäste können auch das Haus des Dichterkollegen Friedrich Schiller besuchen. Neben den zwölf Highlights, die zum Unesco-Welterbe Klassisches Weimar zählen, bietet die Stadt drei Stätten des Welterbes Bauhaus (Walter Gropius gründete 1919 hier die moderne Kunstschule).
Auch Kulturmuffel finden Abwechslung. Immerhin besteht ein Drittel des Freistaats aus Nationalen Naturlandschaften. Berühmt ist der Thüringer Wald, eines der schönsten Mittelgebirge. Der Rennsteig ist ein Wanderklassiker. Weniger bekannt ist der Hainich, mit 130 Quadratkilometern Deutschlands größter zusammenhängender Laubwald, wo man im Wildkatzendorf Hütscheroda die seltene Europäische Wildkatze beobachten kann.
Für Radurlauber lohnt sich der Iron Curtain Trail mit Stationen zur deutschen Teilung, etwa das Grenzmuseum Schifflersgrund oder das Freilichtmuseum Mödlareuth – der Eiserne Vorhang verlief quer durch das thüringisch-bayerische Dorf.
Mehr als 300 Schlösser und Burgen
„An der Saale hellem Strande / stehen Burgen stolz und kühn“ – dieses Volkslied von 1826 entstand zwar im heutigen Sachsen-Anhalt, passt aber auch zu Thüringen, durch das die Saale ebenfalls strömt. Dort vererbten im Laufe der Geschichte die Herrscher etlicher Ministaaten Besitz und Land an unterschiedliche Nachkommen, sodass weitere Mikrofürstentümer entstanden, für die neue prunkvolle Residenzen gebaut wurden.
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Das bescherte Thüringen mehr als 300 Schlösser und Burgen. Etwa die Leuchtenburg im Saaletal. Sie beherbergt die Ausstellung „Porzellanwelten“ mit der größten Porzellanvase der Welt. Ein schönes Ausflugsziel ist auch Schloss Altenstein mit seinem Prunkpark. Den schuf Gartenkünstler Fürst Hermann von Pückler-Muskau, der auch die Parkanlagen der Schlösser Ettersburg und Wilhelmsthal gestaltete.
Weltbekannt, weil Weltkulturerbe, ist die Wartburg bei Eisenach, der in der DDR die Ehre zuteilwurde, Namenspatronin der Automarke Wartburg zu werden; bis 1991 liefen im Automobilwerk Eisenach gut 1,6 Millionen Wartburgs vom Band.
Fjord-Flair mitten in Deutschland
Surfen, segeln, tauchen lernen, auf Ausflugsbooten schippern – das geht auch mitten in Deutschland, fernab von Nord- und Ostseeküsten. Das Thüringer Meer ist Deutschlands größtes zusammenhängendes Stauseegebiet, ideal für Wassersportler, Angler, Wanderer, Radfahrer und Naturfans.
Umgeben von den Bergen und Tälern des Thüringer Waldes und des Thüringer Schiefergebirges erinnert diese Wasserwelt an eine skandinavische Fjordlandschaft – ist aber von Menschenhand geschaffen: In den 1930er- und 1940er-Jahren wurden hier fünf Stauanlagen in die Saale gebaut.
So entstand die fast 80 Kilometer lange Saale-Kaskade mit ihren historischen Talsperren und gigantischen Stauseen. Die beiden imposantesten sind der Bleilochstausee und der Hohenwartestausee, wobei die Bleilochtalsperre die größte in Deutschland ist. Hier gibt es auch geführte Wanderungen mit ausgebildeten Naturführern – die Hänge der Bleilochtalsperre sind als Europäisches Vogelschutzgebiet ausgewiesen.
Thüringer Rostbratwurst und Klöße
Thüringer Klöße sind neben der Thüringer Rostbratwurst eine der berühmtesten Spezialitäten der Region. Der Teig wird aufwendig aus roh geriebenen und gekochten Kartoffeln zubereitet, oft kommen geröstete Weißbrotwürfel hinein. Gegessen werden sie mit viel Soße als Beilage zum Sonntagsbraten oder solo in Scheiben gebraten.
Die Region bietet noch andere Leckereien: Rot- und Weißweine aus Bad Sulza (Weinbau seit 1195). Oder Kleinhettstedter Senf (20 Sorten werden in einer der letzten historischen Senfmanufakturen hergestellt). Oder Feldgieker (grobe Rohwurst). Wer mehr erfahren will, besucht das Kloßmuseum in Heichelheim mit dem größten begehbaren Kloß der Welt und das Bratwurstmuseum in Mühlhausen.
Martin Luther lebte inkognito auf der Wartburg
Elf Wochen nur brauchte Martin Luther 1521/22, um auf der Wartburg das Neue Testament aus dem Griechischen ins Deutsche zu übersetzen. Hier lebte er inkognito als „Junker Jörg“: Kurfürst Friedrich der Weise hatte ihn versteckt. Denn Luther war für „vogelfrei“ erklärt, jeder durfte ihn töten.
Die Original-Lutherstube wurde schon im 16. Jahrhundert zum Pilgerziel und kann bis heute besichtigt werden. Allerdings ohne den angeblichen „Tintenfleck“ an der Wand, der Besuchern jahrhundertelang präsentiert wurde. Die Legende, dass Luther sein Tintenfass nach dem Teufel warf, gilt schon lange als allzu wörtliche Interpretation seines Ausspruchs „Ich habe den Teufel mit Tinte vertrieben“.
Das Zitat
„Lasst den Wienern ihren Prater; Weimar, Jena, da ist’s gut!“
Fünf Jahrzehnte lebte Johann Wolfgang von Goethe in Weimar, wo er auch seiner Liebe zur Natur frönte. In seinen Gärten fand der Dichter Inspiration, forschte als Botaniker, zog Obst, Gemüse und bedichtete als Rosenfreund die „Königin des Blumenreichs“. War er auf Reisen oder arbeitete er in Jena, korrespondierte er mit seiner Frau detailliert über die Beete.
Sehenswert sind in Weimar der Hausgarten von Goethes Wohnhaus (Teil des Goethe-Nationalmuseums) und der Garten am Stern im Ilmpark. Der Wald, ein weiterer Lieblingsort des Dichters, lässt sich am 19 Kilometer langen Goethewanderweg zwischen Ilmenau und Stützerbach erleben. Er erhielt 2005 als erster in Thüringen das Zertifikat „Qualitätsweg Wanderbares Deutschland“.
Skurriles, Rekordverdächtiges, Typisches: Weitere Teile unserer Länderkunde-Serie finden Sie hier.