WELTGo!
Ihr KI-Assistent für alle Fragen
Ihr KI-Assistent für alle Fragen und Lebenslagen
WELTGO! ENTDECKEN
  1. Home
  2. Reise
  3. Deutschland
  4. Küsten-Snack: Fischbrötchen, der leckere Burger aus der Brandung

Deutschland Küsten-Snack

Fischbrötchen, der leckere Burger aus der Brandung

Kaum ein Snack wird so unterschätzt wie das Fischbrötchen. Dabei bietet es reichlich gesunde Omega-3-Fettsäuren, ist frisch, kostet nicht viel und liefert dazu noch jede Menge Lokalkolorit.
Fischbrötchen gehören zur Nordsee wie das Wattenmeer. Unser Autor hat sich von Sylt bis nach Scheveningen durchprobiert Fischbrötchen gehören zur Nordsee wie das Wattenmeer. Unser Autor hat sich von Sylt bis nach Scheveningen durchprobiert
Fischbrötchen gehören zur Nordsee wie das Wattenmeer. Unser Autor hat sich von Sylt bis nach Scheveningen durchprobiert
Quelle: Silke Bachmann

An der Nordseeküste, am plattdeutschen Strand, sind die Fische im Wasser und selten an Land (sangen Klaus & Klaus 1985). Und wenn doch, dann liegen sie gern auf einem Brötchen, garniert mit Zwiebeln, einem Salatblatt und vielleicht noch einem Scheibchen Gurke oder Tomate. So simpel, so lecker.

Der Münchner hat seine Weißwurst, der Berliner seinen Döner, der Bochumer seine Currywurst – und der Norddeutsche sein Fischbrötchen. Doch jedes Fischbrötchen ist anders. Zeit für eine Spurensuche. Richtung Norden und dann immer nur den Krümeln nach.

Amrum – Nordisch by Nature

Ein herbes Lüftchen weht von der See. Möwen segeln krächzend im Wind, der Himmel hat freundlicherweise von Heringsgrau auf Ferienblau umgeschaltet. Mittagszeit in Wittdün, dem Fährhafen auf Amrum. Im Südosten liegt das Halligmeer, im Westen schwappt die offene Nordsee. Und in Wittdün steht die „Butt’ze“. Bloß eine Fischbude, aber was für eine. Nicht selten wartet davor eine erwartungsvolle Menschenschlange, während der Inhaber mit Engelsgeduld jedes Brötchen frisch belegt.

Jetzt ist eine dreiköpfige Familie im Friesennerz an der Reihe. Nordisch by Nature. Alle semmelblond, und alle wollen Fischsemmeln. Aber jeder hat Sonderwünsche. Der große Jung bestellt Bismarckhering, die Deern Matjes. Und der Lütte möchte einen anständigen Fischklops auf seinem Brötchen sehen. Kommt bei Knirpsen eigentlich immer echt krass rüber, schon wegen der Songzeile von „Fettes Brot“: Und auf die Schnelle noch ne Fischfrikadelle ...

Zum Angebot gehören auch Brötchen mit Sherrymatjes, kaltgeräuchertem Lachs, Knusperfilet mit Dill-Honig-Senfsoße und weitere Fischvariationen. Richtig viel Auswahl also.

Amrum, das sind ansonsten ja eher fünf Dörfer. Wittdün, Nebel, Süddorf, Steenodde, Norddorf. 20,46 Quadratkilometer Ausdehnung, 2300 Einwohner, zwölf Kilometer Sandstrand. Aber gesegnet mit den besten Fischbrötchen der Republik. Sagt fast jeder Amrum-Urlauber.

„Ich habe in meinem Leben schon viele sehr gute Fischbrötchen gegessen, aber das hier sind die besten,“ bestätigt Herr M. aus Frankfurt. Man schaut gleich unbewusst an ihm herunter und tatsächlich, viele sehr gute Fischbrötchen formen offensichtlich eine beeindruckende Leibesmitte.

Wobei sich die Frage stellt: Wie viele Kalorien hat denn überhaupt so ein herzhaftes Stück Friesenglück? Das kommt dann wohl ganz auf das Innenleben an. Steckt im Brötchen ein satter Fettfisch wie Aal, und aalt der sich obendrein in Remoulade, ist die 500-Kalorien-Schranke fix gerissen.

Auch ein Backfisch-Baguette hat wegen der fettigen Panade mehr Kalorien als eine Bockwurst. Ein Seelachs-Ei-Brötchen dagegen kommt auf weniger als 300 Kalorien, ähnlich wie die Varianten mit Bismarckhering und Matjes. Da es sich allerdings beim Fett im Fisch um hochwertige und äußerst gesunde Omega-3-Fettsäuren handelt, gilt der nordische Schmaus als Segen für Herz und Cholesterinspiegel.

Sylt – Ein Matjes passt in jedes Portemonnaie

Anzeige

Dass Fischbrötchen auch für Geldsegen stehen können, beweist die Karriere des Jürgen Gosch. Auf Sylt sattelte der gelernte Maurer einst zum Aalverkäufer mit Ein-Mann-Fischbauchladen um. Heute kennt man ihn als prominenten Gastwirt und als Gründer und Geschäftsführer einer Unternehmensgruppe, die auf der Insel und in vielen Städten Deutschlands Fischrestaurants teils selbst betreibt, teils im Franchisesystem betreiben lässt.

In List auf Sylt zieht die „nördlichste Fischbude Deutschlands“, das Mutterschiff des Gosch-Imperiums, seit Jahren die Massen an. Man könnte vermuten, dass sich dort oben eine klassenlose Gesellschaft an Fischbrötchen, Scampi & Co. labt – würde sich auf den Straßen nicht eine geschätzte Jahresproduktion von Porsche Cayennes stauen, vorzugsweise in Schwarz und Weiß.

„Wer nicht beim Gosch ein Fischbrötchen genascht hat, war nicht wirklich auf Sylt“, flüstert eine Dame aus Hamburg mit einer sehr vornehmen Nase. Ihr Begleiter im gelben Kaschmirpullover nickt und beißt versonnen in ein Teigteil, aus dem ein Stück rosafarbenes Heringsfilet baumelt.

Der „Jünne“ Gosch ist halt Kult auf der Insel, und seinen Fans etwas vorsingen mag er manchmal auch noch, am liebsten seinen Klassiker: „Ein Matjes passt in jedes Portemonnaie ...“

Bremerhaven – Hermann, der Räucherer

Fischbrötchen-Liebhaber schwören nun mal auf „ihre“ Fischbude. In Bremerhaven etwa pilgert alle Welt seit mehr als 30 Jahren zu „Fisch 2000“ im Fischereihafen. „Bei uns stehen Hafenarbeiter, Geschäftsleute und Rentner Schlange, ziehen eine Nummer und warten geduldig, bis sie an der Reihe sind“, sagt die Verkäuferin.

Legendär ist der Fischladen dank „Hermann, dem Räucherer“, Ex- Inhaber Hermann Czichy. Sein „Altonaer Ofen“, von dem es in ganz Bremerhaven nur zwei gibt, produziert immer noch den besten Rauch für saftig-aromatische Fischportionen.

An der Ostseeküste feiert man die geliebte Delikatesse sogar mit dem „Weltfischbrötchentag“. In diesem Jahr fällt er auf den 2. Mai, und dann dürften auch wieder ausgefallenere Kreationen ihre Fans finden, zum Beispiel geräucherte Fischeier mit Mascarpone oder Aalrauch-Pannacotta als Belag. Das erinnert ein wenig an Starkoch Jamie Oliver, der – ganz Engländer – sein Fischbrötchen bevorzugt mit Erbspüree garniert. Vor solch fantasievollen Neuschöpfungen graust es wiederum den Fischbrötchen-Puristen: Außer Bismarckhering und vielleicht noch Matjes kommt denen nichts auf die Schrippe. Der Fachterminus lautet da: „ohne Gedöns“.

Anzeige

Zwei Kriterien sind sowieso nicht verhandelbar: Das Brötchen muss knackig und der Fisch frisch sein. Ein richtig gutes Fischbrötchen liegt daher nicht in der Auslage, sondern wird erst nach der Bestellung zubereitet. Beim Bismarckhering ist der Frischegrad ohnehin sofort erkennbar. Als sogenannter Feuchtfisch suppt er fröhlich vor sich hin und würde bei längerem Liegen jedes noch so knackige Brötchen einmatschen.

Und wie soll die Semmel präpariert sein? Einfach nur angeritzt und den Fisch reingeklemmt – oder in zwei Hälften geteilt? Klar ist: Wird das Brötchen von schräg von oben eingeschnitten, entsteht eine praktische Tasche, in die der Hering nebst ein paar Zwiebelringen prima hineinflutschen kann.

Aber noch ein Wort zum Bismarckhering. Es handelt sich dabei um ein Heringsfilet, das in säuerlichen Marinaden aus Essig, Öl, Zwiebeln, Zucker und Gewürzen wie Senfkörnern und Lorbeerblättern badet. Dadurch wird der Fisch erstens haltbar und zweitens zart. Die durchschnittlich 2,50 Euro für ein Bismarck-Brötchen sind überdies ein günstiger Preis für diese gesunde Zwischenmahlzeit.

Wie man weiß, war Otto Fürst von Bismarck alles andere als dürr wie ein Hering. Warum also wurde ausgerechnet der vollschlanke Schnauzbart mit der Pickelhaube zum Namensgeber der beliebtesten Fischbrötchen-Auflage? Angeblich soll Bismarck mal gesagt haben: „Wenn Hering genauso teuer wäre wie Kaviar, würden ihn die Leute weitaus mehr schätzen.“

Es kursieren auch noch jede Menge weitere Anekdoten darüber, wie der Reichskanzler zum Hering kam. Zu Bismarcks Glanzzeiten war es üblich, alles Mögliche nach ihm zu benennen, darum gibt es auch so viele Bismarcktürme. Zudem galt der Hering im 19. Jahrhundert als Speise für ärmere Leute. Mit dem Reichskanzler im Namen, wirkte so ein Heringsgericht doch gleich viel glamouröser.

Norderney – Baden mit Otto von Bismarck

Otto von Bismarck verbrachte indes 1844 als 29-Jähriger seinen Sommerurlaub auf Norderney. Die Insel war Sommerresidenz der Welfen – klein, aber sehr fein. Als Besucher kam nicht nur das Königshaus Hannover, sondern auch andere deutsche Adelsfamilien, Diplomaten und Politiker aus ganz Europa.

Der junge Otto badete bei Flut in der Nordsee, züchtig mit Badekarren und Badediener. Im Anschluss spielte er Whist. Oder schoss Kaninchen und Delfine, schlimm, schlimm. Ob er auch Fischbrötchen aß? Man weiß es nicht.

Aber wie das einst im ältesten Seebad der deutschen Nordseeküste noch so zuging, darüber informiert recht umfassend das Bademuseum von Norderney. Wo heute auf der Insel die besten Brötchen mit Bismarckhering feilgeboten werden, darin sind sich viele Norderney-Urlauber einig: im „Le Pirate“ an der Winterstraße. Ein paar Barhocker, eine kleine Terrasse und jede Menge Fischvergnügen.

Noch näher am Wasser liegt der „Riffkieker“. Ebendort bei Sonnenuntergang ein Bismarckbrötchen mit Blick auf die Nordseewellen zu mampfen, das hat auch was.

Übrigens: Wird der Bismarckhering der Länge nach in zwei Hälften geteilt und darin ein Stück Gewürzgurke aufgerollt, erhält man den Rollmops. Der darf zwar nicht aufs Brötchen, dafür eilt ihm den Ruf voraus, einen formidablen Kater zu vertreiben.

Hamburg – Du musst mal was Anständiges essen!

Womit wir auf dem Hamburger Fischmarkt wären. Nach einer durchzechten Samstagnacht auf dem Kiez ist es eine der besten Ideen, noch die Hafentreppe runter zum Fischmarkt zu wanken. Fischbrötchen und Rollmöpse werden dort zu Tausenden verkauft. Obst, Gemüse, Pflanzen und selbst lebende Kaninchen gibt’s zu Schleuderpreisen.

Dazwischen animieren lautstark Hamburger Originale wie Aale-Dieter: „Du siehst aus wie ein Pfeifenreiniger, min Jung, du musst mal was Anständiges essen!“ Recht hat er: Mit ordentlich Omega-3-Fettsäuren im Magen munden das letzte Bier der Nacht oder das erste Bier am Morgen gleich noch besser.

"Der Fischbrötchen Report: Schleswig-Holstein und Hamburg" von Tilman Schuppius
"Der Fischbrötchen Report: Schleswig-Holstein und Hamburg" von Tilman Schuppius
Quelle: Tilman Schuppius Verlag

„Das Fischbrötchen gehört ans Wasser. Man muss sich in der Nähe der Bude ans Wasser setzen können oder zumindest einen Blick aufs Wasser haben,“ erklärt der Hamburger Fotograf Tilman Schuppius, Herausgeber des „Fischbrötchen Report“. In seinem Ratgeber dreht sich alles um den köstlichsten Snack Norddeutschlands. Der Schuppius-Guide ist sozusagen der „Gault Millau“ für überzeugte Fischköppe.

Wer Insider-Tipps hat, ist schließlich klar im Vorteil und den anderen immer eine Fischlänge voraus. Gelobt werden unter anderen die „Brücke 10“ an den Hamburger Landungsbrücken und das Fischhaus Loof in Husum.

Husum – Hier wurde der Friesendöner erfunden

Gerhard Loof, auch als Krabbenpapst bekannt, verkauft nicht nur seit über 30 Jahren Fisch, er ist auch der Erfinder des in Husum weltberühmten „Friesendöners“ – ein Wrap gefüllt mit Fischsalat. Einfach zu merken sind Loofs Öffnungszeiten: „Auf ist, wenn auf ist.“

Schließlich wartet noch Theodor Storm. Das Wohnhaus des Dichters an der Wasserreihe in seiner „Grauen Stadt am Meer“ ist noch wie zu seinen Lebzeiten eingerichtet. Im Poetenstübchen schrieb er den „Schimmelreiter“. Sehenswert sind auch die Schiffe und Schiffsmodelle vom Mittelalter bis heute, mit denen das Schifffahrtsmuseum Nordfriesland aufwarten kann. Hauptattraktion ist das Wrack eines friesischen Frachtenseglers aus dem 17. Jahrhundert.

Büsum – Enorme Krabbenkutter-Flotte

Um Kutter geht es dann in Büsum. Im quirligen Fischereihafen liegt eine der größten Krabbenkutter-Flotten der Nordsee. Büsum ist die Hochburg der kleinen Krabbler, unverzichtbar für klassische Krabbenbrötchen. Was im norddeutschen Sprachgebrauch als „Krabbe“ durchgeht, ist im Grunde eine Garnelenart. Die „Büsumer Krabbe“ heißt nämlich korrekt Nordseegarnele oder Sandgarnele. Weil die Tierchen schnell verderblich sind, werden sie gleich nach dem Fang sortiert und noch an Bord des Kutters in Meerwasser abgekocht.

Das Fleisch der kleinen Garnelen hat eine feste Textur, ist knackig und sehr aromatisch. Ideal, um ein knuspriges Brötchen zu zieren. Aber bitte darauf achten, dass die Krabben vor Ort gepult wurden, und nicht in Marokko, wo Büsumer Garnelen zu günstigeren Löhnen per Hand aus der Schale gefummelt und wieder zurückgeflogen werden. Im Zweifel immer gucken, wo viele hungrige Einheimische anstehen.

Bei „Möller“ am Fischereihafen ist das der Fall. Da tuckert der hauseigene Kutter aufs Meer, um frische Krabben und Fische fürs Geschäft zu fangen. Hier muss man einfach zuschlagen. Bei einer ausgedehnten Wattwanderung verschwinden die Kalorien ja wieder. Und man kann ordentlich Watt erleben. Allen voran unendliche Weiten und eine faszinierende Tier- und Pflanzenwelt, die man sich am besten von einem der ortskundigen Wattführer erklären lässt.

Westfriesland – Vorfreude auf Hollandse Nieuwe

Wo aber wartet das ultimative Fischbrötchen, das selbst kritische Gourmets zufriedenstellen kann? Ein heißer Anwärter auf den Olymp derartiger Genüsse taucht an der holländischen Nordseeküste auf. Wenn Ende Mai die Hollandse Nieuwe in den Kantjes, den typischen Holzfässern angelandet werden, ist die Vorfreude im Nachbarland gewaltig.

Das Königshaus bekommt traditionsgemäß das erste Fässchen Matjes der neuen Saison überreicht. Unvergleichlich zart und nur ganz mild gesalzen, schmelzen die jungen, noch nicht geschlechtsreifen Heringe geradezu im Mund, betören mit einem Hauch von Meer. Dazu ein Weizenbrötchen und kleine Würfel von süßen Gemüsezwiebeln. Das passende Ambiente: ein Strandkorb in Scheveningen.

Wem das Seebad zu trubelig ist, der wird sicher im Künstlerdorf Bergen an der Nordsee bei Alkmaar glücklich. Mitten im Zentrum und keinesfalls zu verfehlen steht eine Fischbude, an der man mit gleichgesinnten Genießern schnell ins Gespräch kommt, Fischbrötchen-Flirts nicht ausgeschlossen.

Zugegeben: Die holländische Brötchenqualität lässt zu wünschen übrig. Kenner lassen sie ganz weg und genießen den Matjes im Ganzen. Am Schwanz halten, nicht lang schnacken, Kopf in Nacken. Und das Fischlein auf die Zunge legen und ... oh, mein Gott!

Mehr aus dem Web
Neues aus der Redaktion
Auch interessant
Mehr zum Thema