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Atomkraft

Das letzte Kapitel

Autorenprofilbild von Olaf Preuß
Von Olaf PreußWirtschaftsreporter
Veröffentlicht am 17.06.2024Lesedauer: 3 Minuten
Das Atomkraftwerk Brokdorf an der Elbe ging Ende 2021 als letzter Kernreaktor in der Metropolregion Hamburg vom Netz
Das Atomkraftwerk Brokdorf an der Elbe ging Ende 2021 als letzter Kernreaktor in der Metropolregion Hamburg vom NetzQuelle: Bertold Fabricius

Vier Reaktoren erzeugten einst Strom für die Metropolregion Hamburg. In gut 15 Jahren sind alle demontiert. Der Abriss der Atomkraftwerke Stade und Brunsbüttel läuft bereits, für die Anlage in Krümmel kommt die Genehmigung wohl im Juli. Auch für das Kraftwerk Brokdorf ist der Abriss beantragt.

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Schon lange vor dem endgültigen Atomausstieg in Deutschland, der 2023 vollzogen worden ist, gingen drei der vier Atomkraftwerke an der Unterelbe vom Netz. Der Druckwasserreaktor in Stade wurde 2003 abgeschaltet – seinerzeit deuteten viele Beobachter diesen Schritt als Auftakt zum Atomausstieg, den die damalige rot-grüne Bundesregierung bereits im Jahr 2000 mit der Energiewirtschaft ausgehandelt hatte. Der Betreiber E.on hingegen betonte stets, das Kraftwerk werde aus rein wirtschaftlichen Gründen abgeschaltet.

Der Siedewasserreaktor des Atomkraftwerks Brunsbüttel wiederum ging 2007 nach einem Kurzschluss im Stromnetz außer Betrieb. 2011 beschloss der Betreiber Vattenfall in Abstimmung mit dem Bund und dem Land Schleswig-Holstein, die Anlage stillzulegen, die als besonders störanfällig galt. Im Dezember 2018 erteilte die zuständige atomrechtliche Behörde der Landesregierung für das Atomkraftwerke Brunsbüttel die Genehmigung zur Stilllegung und zum Abbau, der sogenannten Phase 1. „Auf dieser Grundlage finden aktuell Abbaumaßnahmen an stillgesetzten Systemen im Reaktorgebäude und im Maschinenhaus des Kernkraftwerkes statt“, teilt das Umweltministerium von Schleswig-Holstein auf Anfrage mit. „Der Abbau der Einbauten des Reaktordruckbehälters ist bereits abgeschlossen. Der Antrag für die bereits beantrage Abbau-Phase 2 (insbesondere Reaktordruckbehälter und biologisches Schild) wird zunächst durch unabhängige Sachverständige begutachtet.“

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Nach einem Trafobrand im Jahr 2007 (Foto) war das Atomkraftwerk Krümmel nur 2009 noch einmal für zwei Wochen am Netz
Nach einem Trafobrand im Jahr 2007 (Foto) war das Atomkraftwerk Krümmel nur 2009 noch einmal für zwei Wochen am NetzQuelle: dpa

Das Atomkraftwerk Krümmel bei Geesthacht ging im Jahr 2009 nach einem Schaden im Maschinentransformator vom Netz. Erst kurz zuvor war der Siedewasserreaktor, der ebenfalls von Vattenfall betrieben wurde, nach einem zweijährigen Stillstand wieder angefahren worden. 2011 wurde die Stilllegung des Kraftwerks Krümmel beschlossen. Derzeit befindet sich die Anlage im sogenannten „Nachbetrieb“. Das Umweltministerium von Schleswig-Holstein teilt mit: „Die Genehmigung zu Stilllegung und Abbau ist nahezu fertig erstellt und soll voraussichtlich im Juli 2024 erteilt werden. Die Anhörung des Antragsstellers ist bereits abgeschlossen.“ Eine Sprecherin von Vattenfall sagte der WELT AM SONNTAG zu den Kraftwerken in Brunsbüttel und Krümmel: „Der Abbau wird bei beiden Anlagen etwa 15 Jahre dauern.“

Als eines der letzten deutschen Atomkraftwerke ging in der Silvesternacht 2021 der Druckwasserreaktor in Brokdorf vom Netz. Zuständig für Brokdorf ist – wie beim Atomkraftwerk Stade – das zum E.on-Konzern gehörende Unternehmen PreussenElektra. „Für den Rückbau in Brokdorf warten wir derzeit auf die Genehmigung des Umweltministeriums von Schleswig-Holstein. Auf dem Gelände des Kernkraftwerks in Brokdorf will PreussenElektra mit Unterstützung der E.on einen großen Batteriespeicher bauen“, sagte eine Unternehmenssprecherin der WELT AM SONNTAG. „Wir wollen unsere Kernkraftwerke so schnell wie möglich zurückbauen, wir haben kein Interesse an langen Wartezeiten – schon deshalb nicht, weil die Kosten steigen und damit den Rückbau unnötig verteuern.“ Die Betreiber seien auch durch das Atomgesetz dazu verpflichtet, „die Anlagen so schnell wie möglich zurückzubauen“.

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Allein PreussenElektra hat für den Abriss seiner Atomkraftwerke und für die Einlagerung der damit verbundenen radioaktiven Materialien zum 31. Dezember 2023 Rückstellungen in Höhe von rund sieben Milliarden Euro gebildet. Neben Würgassen und Stade ist PreussenElektra für die Atomkraftwerke Unterweser, Grafenrheinfeld, Isar 1 und Isar 2 zuständig. Insgesamt betrugen die Rückstellungen der früheren Betreiber deutscher Atomkraftwerke zu Ende 2022 rund 20 Milliarden Euro. Neben PreussenElektra im E.on-Konzern und Vattenfall sind dies RWE, Energie Baden-Württemberg (EnBW) und die Stadtwerke München als Miteigner des Reaktors Isar 2. Die Abrisse müssen die Unternehmen komplett finanzieren.

Sollten die Genehmigungsverfahren und die eigentlichen Abrissarbeiten zügig verkaufen, wäre die Nutzung der Atomkraft in der Metropolregion Hamburg zu Beginn der 2040er-Jahre endgültig Geschichte. Offen bleibt aber wohl noch länger, wo in Deutschland ein Endlager für hoch radioaktive Abfälle entstehen wird. Die Entscheidung dafür fällt erst in den 2040er-Jahren. Bereits als Endlager für schwach und mittel radioaktive Abfälle genehmigt ist das frühere Bergwerk Schacht Konrad bei Salzgitter in Niedersachsen. Es soll Mitte der 2030er-Jahre in Betrieb gehen.