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Hannoverscher Bahnhof

„Ein Ort der Schande und der Trauer für Hamburg“

Von Stefan Grund
Veröffentlicht am 10.05.2017Lesedauer: 3 Minuten
Landesrabbiner Shlomo Bistritzky und evangelische Geistliche sprachen Gebete
Landesrabbiner Shlomo Bistritzky und evangelische Geistliche sprachen GebeteQuelle: pa/Christophe Ga/dpa

Mehr als 8000 Menschen sind über den ehemaligen Hannoverschen Bahnhof in der Hafencity in Konzentrationslager deportiert worden. Eine Gedenkstätte soll daran erinnern. Nun wurde sie eingeweiht.

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Warum wurde so lange gewartet, warum hat es mehr als 70 Jahre gebraucht? Es bleibt ein Bahnhof ohne eine Bahn, die in die Zukunft fährt. Es bleibt ein Ort des Verbrechens und einer unglaublichen Vergangenheit.“ Mit diesen deutlichen Worten schloss die 1925 in Hamburg geborene Holocaust-Überlebende Lucille Eichengreen ihre Worte zur Eröffnung des Gedenkorts Hannoverscher Bahnhof in der Hafencity 77 Jahre nach Beginn der Deportationen.

Von diesem Bahnhof aus wurde Eichengreen am 25. Oktober 1941 mit ihrer Mutter und ihrer Schwester in das deutsche Getto Litzmannstadt im polnischen Lódz deportiert. Ihr Vater wurde im KZ Dachau ermordet, ihre Mutter verhungerte im Getto, ihre zwölfjährige Schwester Karin wurde im Vernichtungslager Chelmno ermordet. Eichengreen überlebte die KZ Auschwitz, Neuengamme und Bergen-Belsen. Mit bewegenden Worten schilderte die 92-Jährige – die wie elf weitere Überlebende eine weite Anreise auf sich genommen hat – ihr Schicksal. Eichengreen erhielt noch in der Nachkriegszeit Morddrohungen von Nazis, wanderte nach New York aus. Sie lebt heute in Kalifornien.

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Einweihung ist ein „notwendiges Zeichen“

Für den Zentralrat der Juden in Deutschland mahnte Vizepräsident Mark Dainow: „Dass wir diesen Gedenkort heute einweihen, ist auch ein notwendiges Zeichen in einer Zeit, in der populistische Parolen, agitatorische Reden und das Schüren von irrationalen Ängsten sowie demokratiefeindliche Stimmung wieder in Deutschland zu beobachten sind.“ Dainow bedauerte, dass „Antisemitismus und Antiziganismus reale Zustände im Deutschland des Jahres 2017 sind“. Für den Zentralrat der Deutschen Sinti und Roma sagte Präsident Romani Rose: „Historisches Erinnern bedeutet immer auch gelebte Verantwortung für die Gegenwart. Dafür steht dieser neue Gedenkort im Herzen der Hafencity. Gemeinsam müssen wir dafür einstehen, dass wir eine Gesellschaft mit menschlichem Gesicht bleiben.“

Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) verwies darauf, dass von 1941 bis 1945 insgesamt 20 Deportationszüge vom Hannoverschen Bahnhof mit 8071 Juden, Roma und Sinti nach Mittel- und Osteuropa in die Konzentrationslager fuhren. „Vom Hannoverschen Bahnhof aus wurden all diese Männer, Frauen und Kinder dorthin gefahren, wo sie von den nationalsozialistischen Schergen gequält, erniedrigt und ermordet wurden.“ Scholz betonte: „Der Hannoversche Bahnhof ist für Hamburg ein Ort der Schande und der Trauer und ab heute auch ein würdiger Gedenkort.“

Der rund einen Hektar große, architektonisch und in der Vermittlung rundum gelungene Gedenkort namens „denk.mal Hannoverscher Bahnhof“ im Lohsepark wurde vom Züricher Landschaftsarchitekten Professor Günther Vogt als offener, authentischer Raum angelegt, der die barbarische Geschichte der Deportation miterzählt. Auf Gedenktafeln sind die Namen der Opfer verzeichnet. Durch eine Glasplatte wirft jeder Name einen kleinen Schatten auf die untere Ebene und verweist auf den dunklen Schatten der NS-Zeit, der für immer auf der deutschen Vergangenheit liegt. Das Denkmal wird bald mit dem Bau eines Dokumentationszentrums komplettiert.