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Craft Beer

Münchens kleinste Privatbrauerei nimmt den Kampf auf

Von Miriam Zerbel
Veröffentlicht am 25.12.2017Lesedauer: 5 Minuten

Craft Beer heißt das Gebräu, das sich in der Biertrinkernation Deutschland immer größerer Beliebtheit erfreut. Das Bier wird in kleinen Mengen und unabhängig von Konzernen auf traditionelle Weise gebraut.

In Deutschland gibt es immer mehr Brauereien, der Biermarkt ist hart umkämpft. Giesinger Bräu aus München ist elf Jahre nach Gründung in einer Garage in seiner Nische angekommen. Und kann dort überleben.

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Ein intensiver Malzgeruch liegt in der Luft. Früher ein typischer Duft in München, mittlerweile fast verschwunden, seit die Brauereien, wie jüngst Paulaner, in immer größeren Anlagen mit geschlossenen Kreisläufen am Stadtrand produzieren. In Obergiesing duftet es noch. Denn hier braut die zweitgrößte Privatbrauerei Münchens.

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Das Giesinger Bräu hat es geschafft: Aus einer Doppelgarage in Untergiesing, auf den Berg nach Obergiesing mit eigener Brauerei samt Wirtshaus. Und in nicht allzu ferner Zukunft soll auch ein eigenes Zelt auf dem Oktoberfest folgen. Aber bis dahin muss das Bräu noch wachsen, um die erforderliche Biermenge liefern zu können.

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Die ersten Schritte dazu hat Geschäftsführer Steffen Marx, 40, gerade angeleiert. Im Münchner Norden entsteht nicht nur eine neue Abfüllanlage, sondern es werden auch die Braukapazitäten erweitert. Wenn die Anlage Ende 2019 fertig ist, dann soll eine Steigerung des Bierausstoßes um das Zwei- bis Dreifache den Weg auf die Wiesn ebnen. Ambitionierte Pläne, denn der Biermarkt in Deutschland gilt als hart umkämpft: Der Preisdruck ist hoch, die Zahl der Brauereien steigt, der Bierdurst der Deutschen aber sinkt.

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Exakte Zahlen gibt es nicht, aber der Bayerische Brauerbund schätzt, dass statistisch gesehen jeder Einwohner Bayerns rund 135 Liter Bier im Jahr trinkt. Tendenz fallend, seit Jahren. Zugleich gibt es aber traditionell überdurchschnittlich viele Klein- und Gasthausbrauereien. Der Trend zu sogenannten Craft-Bieren hat die Konkurrenz noch größer werden lassen.

Spätestens von 2020 an will Giesinger Bräu nicht mehr nur in Giesing brauen. Auf einem 7000 Quadratmeter-Grundstück in München-Milbertshofen soll neben einer Abfüllanlage eine weitere Braustätte errichtet werden. „Unser Bier wird aber trotz moderner Technik weiter Handwerk bleiben“, versichert der Bräu-Boss.

Giesinger will aus der Münchner Nische

Nachhaltiger wird das Brauen nach Marx’ Worten auch: Bislang wird in der Nähe von Freising abgefüllt, nach Milbertshofen sind die Anfahrten kürzer, die Anlage ist energieeffizienter und zuverlässiger. Und der Neubau erlaubt eine Verdreifachung des Bierausstoßes auf bis zu 45.000 Hektoliter jährlich.

Damit will Marx aus der Münchner Nische raus und auch das Umland beliefern. Ein Prozent Marktanteil hat Giesinger Bräu derzeit in der Landeshauptstadt. Das will Marx nun auch im Umland erreichen. „In Sachen Vertrieb können wir noch viel lernen“, gibt der 40-Jährige zu und lobt die kleinen Brauereien aus der Region, die darin sehr geschickt seien.

Dem Chef von Giesinger Bräu verdirbt das nicht die Laune. Der Selfmademan und sein Team aus 40 Mitarbeitern in Brauerei und Gastronomie verkaufen 1,2 Millionen Liter Bier j��hrlich, Tendenz steigend. Mindestens vier Millionen Liter sollen es dank der Erweiterung werden. „Das wäre ein Prozent Marktanteil in München und Umland“, so Marx. „Das ist eine Nische, die aber zu schaffen ist und mein persönliches Ziel.“

Angefangen hat alles 2006 in Untergiesing, in der Birkenau 5. In einer Doppelgarage des alten Münchner Arbeiterviertels braute Marx, der zuvor sein Studium als Vermessungsingenieur abgebrochen hatte, mit einem befreundeten Braumeister Bier. Das Aushängeschild war die „Untergiesinger Erhellung“. Noch vor zehn Jahren klebte Marx die Etiketten für das Helle, das nach wie vor 70 Prozent des Ausstoßes ausmacht, in Handarbeit auf jede per Hand abgefüllte Bügelflasche.

Giesinger Braeu in Muenchen-Giesing
Brauereichef Steffen Marx (r.) und Markus Herle vom Rampenverkauf am Standort in Giesing. Demnächst eröffnet die Brauerei einen zweiten im Münchner Norden.Quelle: Hans-Rudolf Schulz

Das Garagen-Bräu war die erste Brauereigründung in der Stadt seit Jahrzehnten. Doch mehr als 800 Hektoliter, also 80.000 Liter, konnten die beiden auf dem engen Platz nicht produzieren. Zum Vergleich: Augustiner, die größte Privatbrauerei in München, schafft einen Jahresausstoß von rund 1,3 Millionen Hektoliter. Aber als Konkurrenz zu anderen Brauereien sieht sich Marx sowieso nicht: „Wir sind mit unserem Angebot eher eine Ergänzung.“

Und doch witterte Marx Wachstumspotenzial. Es musste ein neuer Standort her. Der fand sich 2014 nicht weit entfernt am Giesinger Berg. Mit einer neuwertigen Brauanlage war nun mehr möglich. 15.000 Hektoliter Ausstoß, ein angeschlossenes Wirtshaus mit Stehausschank und eine Kleinkunstbühne ließen die Brauerei in den vergangenen Jahren zu einem Treffpunkt im Viertel werden. Eingeschmiegt zwischen der katholischen Heilig-Geist-Kirche und der evangelischen Lutherkirche lässt die Brauerei mit Stüberl die bayerische Dualität von Wirtshaus und Kirche wieder aufleben.

Traditionell reifen beispielsweise die obergärigen Biere beim Giesinger in offenen Bottichen statt in geschlossenen Edelstahltanks. Ohne industrielle Eingriffe wie Filter oder Wärmebehandlung und streng nach dem Reinheitsgebot entstehen neben dem Hellen heute auch Weißbier, Dunkles, Märzen und Bock sowie jahreszeitlich angepasste Biersorten. Auch für moderne Varianten wie Doppel Alt, Wheat Stout, Baltic Rye Porter oder Lemondrop Triple gilt das Reinheitsgebot. Dass die Halbe mit rund einem Euro pro Flasche im Handel etwas teurer ist als der Gerstensaft der großen Brauereien, scheint kein Problem zu sein. Unter Preisdruck sieht sich Marx mit seinen 14 Biersorten nicht: „Wir sind eine Manufaktur, der Preis steht für unsere Wertigkeit.“

Fünf Millionen Euro kosteten Umzug, Umbau, Brauerei und Wirtshaus. Knapp 900.000 Euro kamen aus einer erfolgreichen Crowdfunding-Kampagne hinter der eine treue Fangemeinde stand. Ein Instrument, auf das Marx auch bei seinen aktuellen Plänen setzt. Noch bis Ende des Jahres läuft ein erneutes Crowdfunding, um die Investitionen im Münchner Norden zu unterstützen. Zinsen bekommen die Investoren in Form von Genuss-Scheinen, die optisch stark den Wiesnmarken ähneln: „Speis und Trank“ im Giesinger Bräu. „Ein guter Nebeneffekt ist zudem das ehrliche Feedback, das von diesen Gästen und Investoren kommt“, erklärt der Geschäftsführer.

Giesinger braut noch mit Leitungswasser - ein Manko

Eine weitere Marx-Vision ist ein Auftritt auf dem Oktoberfest mit einem eigenen Zelt oder als Zulieferer. Um die Wiesn-Vision wahr werden zu lassen, hapert es bislang an einem weiteren Kriterium. Laut Verein der Münchener Brauereien macht Giesinger Bräu nämlich gar kein Münchner Bier. Vereins-Geschäftsführer Manfred Newrzella spricht von einer „Spezifikation der geschützten geografischen Angabe“. Gemeint ist, dass Giesinger nicht mit Wasser aus einem Tiefenbrunnen braut, sondern mit Leitungswasser. Ein Manko, das bald Vergangenheit sein soll, denn auf dem neuen Gelände wird Marx einen solchen Brunnen bohren lassen.

Was es in den kommenden fünf Jahren ganz sicher nicht geben wird, ist dem Bräu-Chef auch schon klar: alkoholfreies Bier von Giesinger Bräu.