Eine Rückführung von Migranten sorgt für Verstimmung zwischen Warschau und Berlin: Polens Grenzschutz wirft der Bundespolizei vor, eine Familie von Asylbewerbern aus Afghanistan ohne Rücksprache über die Grenze gebracht und auf der polnischen Seite abgesetzt zu haben.
„Die Verbringung von Ausländern nach Polen (in das Dorf Osinow Dolny) durch die deutsche Polizei erfolgte unter Verstoß gegen die Grundsätze der Zusammenarbeit zwischen den beiden Dienststellen und gegen das Überstellungsgesetz“, schrieb der Grenzschutz am Montag auf X. „Die deutschen Behörden dürfen so eine Entscheidung nicht willkürlich treffen.“
Die Internet-Nachrichtenseite Chojna24 hatte zuvor Aufnahmen veröffentlicht, wonach ein deutscher Polizeiwagen am Freitagmorgen auf polnisches Territorium fuhr und auf einem Parkplatz in Osinow Dolny (Niederwutzen) fünf Ausländer aussetzte. Nach Angaben von Augenzeugen, die von der Website zitiert wurden, fuhr der Transporter danach sofort wieder nach Deutschland. Passanten alarmierten die polnische Polizei und den Grenzschutz, welche die Ausländer versorgten.
Der Fall beschäftigte polnische Medien am Wochenende, sodass sich auch Regierungschef Donald Tusk des Themas annahm. „Ich werde gleich mit Bundeskanzler Scholz über den inakzeptablen Vorfall zwischen der deutschen Polizei und einer Migrantenfamilie auf unserer Seite der Grenze sprechen“, kündigte Tusk vor dem EU-Sondergipfel in Brüssel an.
Das polnische Innenministerium wiederum erklärte, Ressortchef Tomasz Siemoniak wolle mit seiner Amtskollegin Nancy Faeser (SPD) darüber reden.
Afghanische Familie bat laut Bundespolizei nicht um Schutz
Nach Darstellung der Bundespolizei ist die Aufregung nicht gerechtfertigt. In einer Stellungnahme gegenüber der Deutschen Presse-Agentur heißt es, im Rahmen der vorübergehend wiedereingeführten Binnengrenzkontrollen hätten die Beamten in den frühen Morgenstunden des 14. Juni bei Altmädewitz in Brandenburg eine fünfköpfige afghanische Familie gestoppt, die versucht hatte, unerlaubt einzureisen.
Die Familie habe polnische Asylbescheinigungen für die Erwachsenen (30 und 40 Jahre alt) und polnische Heimausweise für die Kinder (4, 6 und 8 Jahre alt) dabeigehabt; sie habe vor den deutschen Beamten kein Asylgesuch formuliert. Nach der Rechtslage sollte sie daher wieder nach Polen zurückgeführt werden.
Nach Angaben der Bundespolizei wurde der polnische Grenzschutz über das Gemeinsame Zentrum in Swiecko informiert, dass man die Familie übergeben wolle. „Da eine Reaktion der polnischen Seite auch auf Nachfrage für mehrere Stunden ausblieb, entschieden sich die Beamten dafür, die Familie mit einer Streife an die deutsch-polnische Grenze bei Hohenwutzen zu fahren, um sie von dort nach Polen zu entlassen.“
Unterwegs klagten die Kinder der Familie demnach über Unwohlsein, weshalb die Bundespolizisten in Osinow Dolny eine Apotheke ansteuerten, um Erste Hilfe zu ermöglichen. Da die Mutter der Kinder ihr Handy auf der Dienststelle der Bundespolizei vergessen hatte, habe man sie mit einem Streifenwagen zurück nach Brandenburg gebracht und dann wieder nach Polen zu ihrer Familie. Der Vorfall werde mit den polnischen Kollegen „intensiv nachbereitet“, hieß es in dem Statement der Bundespolizei.
Bundespolizei entschuldigt sich
Die Bundespolizei entschuldigte sich am Dienstag nach der Kritik Warschaus. „Der zuständige Inspektionsleiter der Bundespolizei hat sich bereits bei den polnischen Behörden für die entstandenen Irritationen entschuldigt“, teilte das Bundesinnenministerium auf Anfrage mit. Der Vorgang werde innerhalb der Bundespolizei und mit den polnischen Partnerbehörden „auf unterschiedlichen Ebenen nachbereitet“.
Die langjährige Zusammenarbeit der Behörden sei gut und vertrauensvoll, die Einhaltung der gemeinsam abgestimmten Verfahren dabei „von großer Bedeutung“. Einer Erklärung des polnischen Grenzschutzes zufolge sprach auch bereits dessen Chef mit jenem der Bundespolizei. Demnach bestätigen beide, dass das deutsche Vorgehen „nicht den anerkannten Verfahren für die Aufnahme und Überstellung von Personen in benachbarte Länder entsprach“.