Der tödliche Angriff auf ein Kinderkrankenhaus in der ukrainischen Hauptstadt Kiew ist nach Erkenntnissen des Inlandsgeheimdienstes SBU am Montag durch einen russischen Marschflugkörper erfolgt. Vor Ort seien „relevante Beweise, insbesondere Fragmente vom hinteren Teils einer Ch-101-Rakete“ inklusive einer Seriennummer gefunden worden, hieß es in einer Erklärung des SBU. Bei dem Angriff wurden mindestens 27 Menschen getötet und 82 weitere Menschen verletzt.
Das russische Verteidigungsministerium bestätigte Raketenangriffe, die angeblich Rüstungsfabriken und Militärflugplätzen der Ukraine galten. Die vielen Videobilder aus Kiew belegten, dass die Schäden durch eine ukrainische Flugabwehrrakete verursacht worden seien, hieß es ohne Beleg.
„Es ist sehr wichtig, dass die Welt jetzt nicht schweigt und dass jeder sieht, was Russland ist und was es tut“, schrieb der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj. Das getroffene Kinderkrankenhaus Ochmatdyt ist die größte Einrichtung dieser Art in der Ukraine. „Russland kann sich nicht unwissend stellen, wohin seine Raketen fliegen, und muss für alle seine Verbrechen zur Rechenschaft gezogen werden.“
Gesundheitsminister Wiktor Ljaschko zufolge wurden in dem Kinderkrankenhaus Abteilungen für Dialyse, Krebsbehandlung, Operationssäle und die Intensivstation beschädigt. „Kleine Krebs- und Dialysepatienten sitzen mit ihren Müttern auf dem Bürgersteig“, berichtete der deutsche Botschafter Martin Jäger auf X von einem Besuch am Krankenhaus. Der ukrainischen Luftwaffe zufolge feuerte das russische Militär Marschflugkörper und mehrere Hyperschallraketen des Typs Kinschal (Dolch) auf Ziele in der Dreimillionenstadt ab.
Bundesregierung verurteilt „brutalen Angriffskrieg“
Die Bundesregierung verurteilte die Angriffe scharf. Man fordere den russischen Präsidenten Wladimir Putin auf, „diesen Angriffskrieg auf so viele unschuldige Menschen unverzüglich zu beenden“, sagte eine Sprecherin des Auswärtigen Amts in Berlin. Insbesondere die Lage der Zivilisten und der Kinder in der Ukraine sei „in großen Teilen dramatisch.“ Sie seien seit mehr als zwei Jahren „einem brutalen Angriffskrieg ausgesetzt, der unterscheidungslos Opfer fordert, und zwar durch russische Bomben und Angriffe, die durch nichts zu rechtfertigen sind“.
UN-Menschenrechtskommissar Volker Türk nannte die Angriffe „abscheulich“. Sie hätten die „Intensivstation, die chirurgische und die onkologische Abteilung“ des Ochmatdyt-Kinderkrankenhauses „schwer beschädigt“, erklärte er am Montag. Die Dialyse-Abteilung der Klinik sei „zerstört“ worden. „Unter den Opfern waren die kränksten Kinder der Ukraine.“ Türk fügte hinzu: „Ich bitte alle, die Einfluss haben, alles in ihrer Macht Stehende zu tun, damit diese Angriffe sofort aufhören.“
Mindestens zehn Tote in Krywyj Rih
Raketenangriffe gab es laut ukrainischen Angaben auch auf die südostukrainischen Großstädte Dnipro und Krywyj Rih. In der Stadt Krywyj Rih kamen mindestens zehn Menschen ums Leben. 37 Menschen seien verletzt worden, hieß es. In der Stadt seien mehrere Einschläge gemeldet worden. Krywyj Rih ist die Heimatstadt von Präsident Selenskyj.
Am Morgen hatte die russische Luftwaffe Berichten zufolge bereits Marschflugkörper auf Ziele bei der westukrainischen Großstadt Schytomyr abgefeuert. Die ukrainische Flugabwehr konnte dabei eigenen Angaben nach drei der vier Raketen abschießen. Zwei weitere ballistische Raketen seien nicht abgefangen worden.
Präsident Selenskyj kündigte die Aufstellung einer neuen ukrainischen Truppe auf polnischem Territorium an. Er rief bei einem Besuch in Warschau die Ukrainer im Ausland auf, sich dieser Einheit anzuschließen. Vor allem in das Nachbarland Polen sind seit Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine im Februar 2022 zahlreiche Menschen geflohen, darunter auch Männer im wehrpflichtigen Alter.