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Meinung Fall Föderl-Schmid

Verständnis ist gut, Transparenz ist besser

Medienredakteur
Sitz der „Süddeutschen Zeitung“ in München Sitz der „Süddeutschen Zeitung“ in München
Sitz der „Süddeutschen Zeitung“ in München
Quelle: picture alliance / dpa/Sven Hoppe
Die Journalistin Alexandra Föderl-Schmid habe für ihre Texte in der „Süddeutschen Zeitung“ nicht systematisch abgeschrieben, fasst ein externes Gutachten zusammen. Es bleiben dennoch offene Fragen, die von der Chefredaktion der Zeitung zu klären sind.
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Skandalisierung ist meistens Mist. Auch im Fall von Alexandra Föderl-Schmid von der „Süddeutschen Zeitung“, gegen die vor einigen Monaten Vorwürfe aufkamen, sie habe in Artikeln plagiiert, also abgeschrieben, ist es nicht angebracht, „Skandal“ zu schreien. In sozialen Medien wurde die Journalistin Anfang des Jahres auf niederträchtige Weise mit Schmutz beworfen. Eine gründliche Prüfung ihrer Texte lag da noch nicht einmal vor. Was allerdings auch richtig ist: außer dem Onlineangebot „Nius“ gab es kein Medium, das den Fall vorverurteilend einen Skandal genannt hat.

Insofern ist es ein wenig irritierend, wenn die Chefredakteure der „SZ“, Wolfgang Krach und Judith Wittwer, nach der Präsentation eines externen Gutachtens zu mehr als 1000 Texten zu dem Schluss kommen: „Der angebliche Plagiatsskandal ist keiner“. Damit wird suggeriert, im Vorfeld habe es eine in der Öffentlichkeit weitgehend akzeptierte Einschätzung gegeben, es handele sich bei dem Fall um einen Skandal – und dieser Vorwurf sei nun entkräftet worden. Warum sich die Chefredaktion diese Vorverurteilung von anderer Seite für ihre Kommunikation zunutze macht?

Eine Möglichkeit ist, dass die Chefredaktion die Verletzung journalistischer Standards zumindest ein wenig relativieren will. Unter den Teppich gekehrt werden diese aber, auch das sei betont, weder von den Gutachtern noch von der Chefredaktion der „SZ“. Denn auf Basis des Gutachtens stellen Krach und Wittwer fest: „Dennoch handelt es sich um Verstöße gegen die journalistischen Standards der ,Süddeutschen Zeitung‘, über die wir nicht hinwegsehen können. Wenn ganze Textpassagen, teilweise wörtlich, ohne Quellenangabe von Nachrichtenagenturen oder aus anderen Medien übernommen werden, ist das mit unserem Selbstverständnis als Autorenzeitung nicht vereinbar.“

Im Wesentlichen gibt es zwei Kategorien von Standards, die zumindest in einer Reihe von Texten verletzt wurden. Da sind zum einen Übernahmen von Nachrichtenagenturen. Die Übernahme von Textbausteinen, Sätzen oder Faktenwissen aus Agenturmeldungen ist üblich, dafür bezahlen die Verlage die Agenturen schließlich. Unterschiedlich gehandhabt wird aber, ob diese Übernahmen vor allem in größeren Autorenstücken – also beispielsweise Reportagen und Features – etwa durch ein zusätzliches Agenturkürzel kenntlich gemacht wird.

Dies wäre ein Gebot der Transparenz, aber offenbar wurden bei der „Süddeutschen Zeitung“ laut dem Gutachten bis vor Kurzem sogar Meldungen mit Autorenkürzeln versehen, selbst wenn die Meldungen auf Agenturmaterial beruhten. Für Leser sind solche Feinheiten nicht zwingend wichtig – doch für den Journalismus ist eine saubere Ausweisung von Urhebern und Quellen nötig.

„Mitunter zu einfach gemacht“

Die zweite Kategorie betrifft laut Darstellung des Gutachtens etwa zwei Dutzend Texte, die Föderl-Schmid mit Sätzen oder Satzfragmenten anreicherte, ohne die jeweiligen Quellen auszuweisen. Dies habe sie „sehr dosiert“ getan – mit anderen Worten gab es demnach kein Muster. Dennoch zeige die Analyse, dass von ihr kaum umformuliert worden sei und darum der Duktus der anderen Texte teilweise übernommen wurde. Das habe auch die Gutachter „irritiert“. In einigen Fällen habe sie Absätze aus dem Online-Lexikon Wikipedia oder anderen Quellen wie der Bundeszentrale für politische Bildung übernommen. Damit habe Föderl-Schmid es sich „mitunter zu einfach gemacht“.

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In dem Gutachten heißt es über die Gespräche mit der Journalistin, die für den Bericht geführt wurden: „Für viele Auffälligkeiten hatte sie eine überzeugende Erklärung, andere hat sie bedauert. In der Rückschau würde sie heute einiges anders machen. Sie wäre transparenter, sagt sie.“ Bescheinigt wird ihr ein zu hohes Arbeitspensum, aber auch, dass sie „kein Unrechtsbewusstsein“ für die nicht gekennzeichnete Übernahme von Fakten und Hintergrundinformationen gehabt habe – seien diese doch gewissermaßen öffentliche Güter.

Kein Kavaliersdelikt

So gering der Anteil der aus Sicht der Gutachter problematischen Artikel ist, so sehr fallen genau diese Texte aber ins Gewicht. Darum scheint es wahrscheinlich, dass Föderl-Schmid zur „Süddeutschen Zeitung“ zurückkehrt, aber in einer anderen Rolle als der der Vize-Chefredakteurin. Offiziell befindet man sich in vertraulichen Gesprächen. Sowohl bei der Chefredaktion wie auch im Gutachten ist eine Rücksichtnahme zu spüren, die im Kontext der dramatischen Ereignisse vom Februar menschlich verständlich ist.

„SZ“-Journalistin Alexandra Föderl-Schmid
„SZ“-Journalistin Alexandra Föderl-Schmid
Quelle: picture alliance/ SZ Photo/ Friedrich Bungert

Die Verletzung journalistischer Standards ist und bleibt aber kein Kavaliersdelikt. Richtig ist, dass Leser nicht wie im Fall von Claas Relotius beim „Spiegel“ durch erfundene Geschichten betrogen wurden. Richtig ist aber auch, dass die im Gutachten festgestellten Defizite im Umgang mit Quellen Konsequenzen haben müssen. Und hier wurde am Donnerstag bei einem Pressegespräch deutlich, dass die „SZ“ noch Hausaufgaben zu erledigen hat.

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Sprach die Chefredakteurin Judith Wittwer doch davon, die internen Dokumente zu journalistischen Standards nun „sortieren“ zu müssen. Das klingt ein wenig so, als hätte man auf irgendeinem Laptop im Chefbüro vor Jahren mal eine Datei abgelegt, in der einige Kollegen ein paar gut gemeinte Regeln zusammengeschrieben hätten, die aber dann in Vergessenheit geraten wären.

Gerade in Zeiten, in denen im Journalismus über größere Transparenz diskutiert wird und Verlage von Anbietern künstlicher Intelligenz fordern, dass KI-generierte Texte auch Quellenangaben brauchen, um die Urheberschaft zu klären, sind solche Regeln aber dringend nötig. Eigentlich unverständlich, warum es sie nicht gibt. Tagesaktueller Journalismus sei keine wissenschaftliche Arbeit, heißt es sinngemäß in dem Gutachten – da schwingt auch viel Verständnis für die redaktionelle Arbeit unter Druck mit. Die Ansprüche an den Journalismus dürfen unter einem solch verständnisvollen Ansatz aber nicht leiden.

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