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  4. Fall Alexandra Föderl-Schmid: „Süddeutsche Zeitung“ sieht keinen „Plagiatsskandal“

Medien Fall Alexandra Föderl-Schmid

Keine systematischen Plagiate, aber „Grenzfälle“ und fehlende Transparenz

Medienredakteur
Alexandra Föderl-Schmid, stellvertretende Chefredakteurin der Süddeutschen Zeitung Alexandra Föderl-Schmid, stellvertretende Chefredakteurin der Süddeutschen Zeitung
Alexandra Föderl-Schmid, Vize-Chefin der „SZ“
Quelle: picture alliance / SZ Photo
Die „Süddeutsche Zeitung“ hat die Artikel ihrer Vize-Chefredakteurin Alexandra Föderl-Schmid auf Plagiate überprüfen lassen. Der Fall hat für öffentliche Aufregung, interne Verwerfungen und ein persönliches Drama gesorgt. Jetzt hat eine externe Kommission ihren Bericht vorgestellt.
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Die „Süddeutsche Zeitung“ hat ein externes Gutachten zu den Plagiatsvorwürfen gegen die Vize-Chefredaktion Alexandra Föderl-Schmid vorgelegt. Erstmals waren Ende vergangenen Jahres Beispiele von Texten der Journalistin aufgetaucht, in denen sie Passagen aus anderen Quellen übernommen hat. Im Februar hatte sich der Fall zugespitzt – zur Klärung der Vorwürfe wurde eine externe Kommission mit der Überprüfung von mehr als 1100 Artikeln beauftragt. Für die Überprüfung wurde eine Software eingesetzt.

In ihrem Bericht kommen die Gutachter nun zu dem Schluss, dass es sich um keinen Plagiatsskandal handele, dennoch habe Föderl-Schmid in Artikeln Quellen nicht sauber ausgewiesen: „Wir kommen zu dem Schluss, dass Föderl-Schmid für ihre Artikel stellenweise auf Nachrichtenagenturen, quasi-amtliche Quellen und Archivmaterial zurückgegriffen hat, ohne dies auszuweisen. Bei den übernommenen Textstellen ging es in der Regel um allgemein zugängliche Zahlen und Fakten.“

Die Kommission betont, sie habe keine Hinweise gefunden, „dass Föderl-Schmid methodisch die journalistische Leistung von anderen in einer Weise kopiert hätte, ohne die ihre eigenen Texte keine Gültigkeit gehabt hätten“. Dennoch habe die Journalistin es „an Transparenz fehlen“ lassen und gegen journalistische Standards verstoßen. Die Untersuchung solle zur Versachlichung des Falls beitragen.

Konkret habe die Software in 260 Fällen Übereinstimmungen mit anderen Texten festgestellt. Zwei Drittel davon seien aber umgekehrte Übernahmen gewesen, das heißt, Texte von Föderl-Schmid seien an anderer Stelle zitiert worden. Bei etwa einem Viertel der Texte habe Föderl-Schmid dieselbe Quelle verwendet wie Autoren anderer Texte, dieselben Gesprächspartner zitiert, die ganz ähnliche Sätze gesagt hätten – oder sich auf Nachrichtenagenturen gestützt. Die Verwendung von Agenturen habe sie aber nicht kenntlich gemacht.

Von der Chefredaktion der „SZ“ in die Kommssion berufen wurden der ehemalige „Spiegel“-Chefredakteur Steffen Klusmann, die Leiterin der Deutschen Journalistenschule Henriette Löwisch und der Journalistik-Professor Klaus Meier. Die drei Gutachter haben Alexandra Föderl-Schmid zu den Texten befragt – die Übernahme von Agenturtexten ohne Kennzeichnung verstoße gegen das Gebot der Fairness, doch richtig geregelt sei der Umgang mit solchen Quellen bei der „SZ“ bisher offenbar nicht. Föderl-Schmid, so Klusmann, habe beispielsweise von ihr übernommene Fakten „als öffentliches Gemeingut“ betrachtet und dazu „kein Unrechtsbewusstsein“ gehabt.

Zu etwa zwei Dutzend Texten hätten die drei Gutachter Föderl-Schmid sehr genau befragt. Hier geht es um Textstellen wie etwa den Artikel „Warum dieser Araber fast alle Lebensmittel Israels besitzt“ von 2018, in dem sehr ähnliche Sätze stehen wie in einem „Spiegel“-Artikel von 2014, darunter etwa: „Junge Männer glühen auf der Straße mit dem Gasbrenner Töpfe und Pfannen aus, um jede Spur Chametz zu vernichten.“ Oder: „Schon vor Jahrhunderten haben die Religionsgelehrten einen Ausweg ersonnen…“.

Oder in einem Text über ein Museum, das einer Reportage vom Deutschlandfunk ähnelt, in dem es fast wortgleich heißt: „Bis in die Vierzigerjahre hatte jeder Ort in Palästina eigene Formen der Stickerei. Frauen, die sich auf den Marktplätzen in Jerusalem, Ramallah oder Bethlehem trafen, konnten gegenseitig sofort an der Kleidung erkennen, aus welchem Dorf sie kamen.“ In beiden Texten gibt es eine Taxifahrt – wobei Föderl-Schmid habe nachweisen können, dass sie tatsächlich ebenfalls das Museum im Westjordanland besucht hat, sogar die Mobilnummer des Taxifahrers habe sie noch. Der Vorwurf, sie habe manche Orte nicht besucht, sondern diese Ortstermine quasi übernommen, habe sich als nicht haltbar herausgestellt.

„Grenzfälle“

Ein weiteres Beispiel betrifft einen Text, der 2021 in WELT erschienen ist, in dem der israelische Militärexperte Kobi Michael zitiert wird. Diese Zitate finden sich wortgleich in einem Text von Föderl-Schmid vom Oktober 2023, es geht um das Tunnelsystem der Hamas in Gaza. In dem Bericht heißt es dazu: „Föderl-Schmid kann belegen, dass sie mit Kobi Michael selbst telefoniert hat, und weist darauf hin, dass er zu gleichen Themen meist nahezu gleichlautende Antworten gebe.“

Dabei habe Föderl-Schmid, so Klusmann, allerdings in einigen Fällen durchaus den Duktus anderer Texte übernommen. Es handele sich dabei um „Grenzfälle“, so der ehemalige „Spiegel“-Chefredakteur. Und damit habe es sich die Journalistin „das ein oder andere Mal zu einfach gemacht“. Journalismusprofessor Klaus Meier wollte aber für diese Art von Übernahmen die Einordnung als Plagiat nicht gelten lassen. Dennoch urteilen die Gutachter: „Was den Fall Föderl-Schmid so besonders macht, ist auch ihre herausgehobene Position: Eine stellvertretende Chefredakteurin muss sich an anderen Maßstäben messen lassen als eine Nachwuchskraft am Newsdesk. Sie hat eine Vorbildfunktion.“

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Die Chefredakteure der „Süddeutschen Zeitung“, Wolfgang Krach und Judith Wittwer, sehen entsprechend zwar keinen Plagiatsskandal. Dennoch, teilen sie mit, handele „es sich um Verstöße gegen die journalistischen Standards der ,Süddeutschen Zeitung‘, über die wir nicht hinwegsehen können. Wenn ganze Textpassagen, teilweise wörtlich, ohne Quellenangabe von Nachrichtenagenturen oder aus anderen Medien übernommen werden, ist das mit unserem Selbstverständnis als Autorenzeitung nicht vereinbar.“

Hochhaus des Süddeutschen Verlag in München
Hochhaus des Süddeutschen Verlag in München
Quelle: picture alliance / Frank Hoermann / SVEN SIMON

Alexandra Föderl-Schmid werde zur „Süddeutschen Zeitung“ zurückkommen – in welcher Funktion, sei aber noch nicht geklärt: „Über die Modalitäten befinden wir uns mit Alexandra Föderl-Schmid in vertraulichen Gesprächen, deren Abschluss wir nicht vorgreifen wollen und werden.“ Die Chefredakteure räumten ein, im Umgang mit den Vorwürfen selbst Fehler gemacht zu haben. Man müsse besser darin werden, Krisen frühzeitiger zu identifizieren.

Zum Hintergrund: Gegen die stellvertretende Chefredakteurin der „SZ“ wurden zuerst im Dezember vergangenen Jahres Vorwürfe laut, sie habe bei einigen Texten Passagen und Inhalte aus Artikeln anderer Medien übernommen. Darüber hatte zunächst das Branchenportal „Medieninsider“ berichtet. Die Berichterstattung über die Vorwürfe hatte „SZ“-intern für heftige Reaktionen gesorgt, Föderl-Schmid, eine erfahrene Journalistin, ehemalige Israel-Korrespondentin und Chefredakteurin der österreichischen Tageszeitung „Standard“, wurde von Verlag und Redaktion in Schutz genommen, umgekehrt wurde der Vorwurf einer Kampagne gegen die „SZ“ laut.

Bei den vom „Medieninsider“ veröffentlichten Stellen handelte es sich beispielsweise um die weitgehende Übernahme eines Erklärstücks zum jüdischen Feiertag Simchat Tora, der von der Website des Jüdischen Museums Berlin stammte. Für diese Übernahme hatte sich Föderl-Schmid entschuldigt, sie habe da wohl eine Quelle „zu wörtlich genommen“. Die Glaubwürdigkeit der journalistischen Arbeit von Föderl-Schmid sei aber nicht grundsätzlich infrage gestellt, urteilte beispielsweise die „Neue Zürcher Zeitung“ über den Fall.

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Inzwischen hatte sich allerdings Stefan Weber der Sache angenommen, ein auf Plagiatsfälle spezialisierter Kommunikationswissenschaftler. Weber nennt sich selbst bei X den „Plagiatsjäger“, er hat verschiedenen prominenten Autoren in deren Doktorarbeiten und Büchern die Nutzung von Quellen nachgewiesen, die nicht ausreichend kenntlich gemacht wurden. In Annalena Baerbocks Buch „Jetzt. Wie wir unser Land erneuern“ fand er zahlreiche solcher Stellen, 2021 führte eine Plagiatsprüfung zum Rücktritt der österreichischen Arbeitsministerin Christine Aschbacher. In anderen Fällen stellten sich Anschuldigungen als nicht ausreichend heraus, um Titel abzuerkennen oder Posten aufgeben zu müssen.

Dann also Alexandra Föderl-Schmid. Die Journalistin hat wie Weber selbst an der Universität Salzburg promoviert. Weber warf Föderl-Schmid zunächst Anfang Februar vor, in ihrer Doktorarbeit abgeschrieben zu haben. Daraufhin untersuchte Weber auch die journalistischen Texte der Journalistin. Erste Ergebnisse dieser Überprüfung wurden von dem Onlineportal „Nius“ veröffentlicht – wie sich herausstellte, war Weber von „Nius“ und dessen Kopf Julian Reichelt beauftragt worden. Daraufhin setzte die „Süddeutsche Zeitung“ die Kommission ein, Föderl-Schmid zog sich gleichzeitig aus dem Tagesgeschäft zurück und kündigte an, ihre Doktorarbeit von der Uni Salzburg überprüfen zu lassen – im April teilte diese dann mit, man habe „kein relevantes wissenschaftliches Fehlverhalten“ feststellen können.

Doch nur wenige Tage, nachdem die „SZ“ mitgeteilt hatte, dass sie Föderl-Schmids Texte überprüfen lassen werde, kam es zum Drama. Die Journalistin galt als vermisst, eine Abschiedsmail kursierte mit dem Satz: „Zumindest diese Jagd ist vorbei.“ Nach einer Suchaktion an der Grenze zwischen Deutschland und Österreich wurde Föderl-Schmid lebend gefunden. Aus Rücksichtnahme war danach erst mal Stille um den Fall, nur Stefan Weber veröffentlichte via X vereinzelt Fundstellen aus Texten, sicherlich auch in der Absicht, um dem Vorwurf, er habe ohne handfeste Beweise für Plagiate zu dem Drama beigetragen, entgegenzuwirken.

Anlass zum „Innehalten“

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Zuletzt am 11. Mai veröffentlichte Weber dieses Posting: „ENDBERICHT #FÖDERL-SCHMID des Teams Weber, unter Verschluss: * 42 Artikel der @SZ plagiatsinfiziert, Quellen von @tazgezwitscher bis #Wikipedia * 5 Mal Verdacht auf Vor-Ort-Fälschung durch das Plagiat (Relotius-Journalismus) * 2 Mal Plagiate in Kommentaren ‚Sagen, was ist‘?“

Die Kommission identifizierte zwar ähnliche Texte wie Weber, kommt aber zu einer anderen Bewertung als der Kommunikationswissenschaftler. Chefredakteur Krach sagte, der Fall sei ein Anlass „zum Innehalten“. Die Chefredaktion habe sich daran gemacht, „journalistische Standards zu sortieren“, sagte Chefredakteurin Wittwer. Neue Regeln im Umgang mit Texten von Nachrichtenagenturen müssten gefunden werden, seien aber noch nicht mit der Redaktion abgesprochen.

Abgeschlossen sei der Fall entsprechend nicht. Doch der Tenor, den die Chefredaktion der „Süddeutschen Zeitung“ damit setzen will, steht fest: Fehler ja, Skandal nein.

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