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Klassik Bedrich Smetana

Tschechien – du hast es besser

Leitender Feuilletonredakteur
Das Smetana-Denkmal an der Prager Karlsbrücke Das Smetana-Denkmal an der Prager Karlsbrücke
Das Smetana-Denkmal an der Prager Karlsbrücke
Quelle: picture alliance / CTK/Josef Horazny
Es gibt immer noch kaum ein Kind, dem in der Schule seine „Moldau“ nicht begegnet ist. Aber Bedrich Smetana war mehr als nur die „Moldau“. Er ist der tschechische Komponist schlechthin, nun feiert das ganze Land seinen 200. Geburtstag. Eine musikalische Rundreise.
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Hier und nirgends sonst kann es stehen, sein Denkmal. Direkt an der Moldau. Im Hintergrund türmt sich der Burgberg, der mit der Spitze des Veitsdoms an den Himmel zu reichen scheint. Um das Denkmal herum hat eine Weide ihre Zweige zum Verewigten hinuntergebeugt, wie um ihn zu schützen vor dem Ansturm der Touristen, die auch an diesem Tag schon zu früher Stunde der direkt nebenan gelegenen Karlsbrücke zueilen. Zweihundert Meter weiter, schräg gegenüber seiner Statue, glänzt das prächtige Nationaltheater, das mit seiner Oper „Libussa“ 1883 eröffnet wurde. Wir sprechen von Bedrich Smetana.

Und darum befinden wir uns jetzt inmitten der schönsten Stadt Europas. Jawohl, Paris hin oder her: Der reisende Enthusiast muss zugeben, dass in Prag noch eine andere Gefühlsschicht angesprochen wird als in der Hauptstadt des 19. Jahrhunderts. Es hat wohl mit der deutschen, der europäischen Romantik zu tun, dass uns nirgends so wie hier das Herz aufgeht.

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Prag hat eine Stadtlandschaft, in der sich gleichmäßig die schönsten architektonischen Zeugnisse von der Gotik über Renaissance und Barock bis hin zur Belle Epoque verteilen. Wo die reich gesäten Kirchtürme das vertikale Gegengewicht zu der geschwungenen Horizontalen der vielen Hügel bilden. Wo breit und gemächlich der Fluss sein silbernes Band abrollt. Prag ist das harmonische Inbild europäischer Urbanität. Solange wir seinen Anblick genießen können, wird dieser Kontinent bestehen bleiben – komme, wer und was da wolle.

Und dieser Mann, dem sie hier an so prominenter Stelle ein Denkmal geschaffen haben, das ihn sitzend und sinnend zeigt, er ist der gute Geist dieser Zivilisation. Er hat sie durch seine Musik kongenial zum Klingen gebracht. Er hat in seinen acht Opern ihren sozialen Typen prägnante Klanggestalt gegeben. Er hat ihre Freuden, hat ihr Leid in mal ausgelassene, mal wehmütige Melodien gekleidet. Das alte Europa, das frühneuzeitliche, das noch in Spurenelementen in die Moderne hineinreichte, bis es demnächst vielleicht gänzlich von Globalisierung und Digitalisierung zerstört sein wird: Es ist in den Tönen von Bedrich Smetata für alle Zeiten konserviert.

Ein Ende in Taubheit und Depression

Und im Gegensatz zu uns Deutschen wissen und honorieren die Tschechen das. Sie huldigen in diesem Jahr aus Anlass seines 200. Geburtstags ihrem Nationalkomponisten im ganzen Land. Natürlich zuallererst in Prag. Denn „die goldene Stadt“ hat seinen Aufstieg, seine Triumphe und seinen Niedergang in Taubheit und Tinnitus, schließlich in Depression gesehen. Auch seinen Tod mit lediglich 60 Jahren in der Psychiatrie.

Aber jetzt schmückt es sich mit der spielfreudigen Neuinszenierung einer Oper, die es in Tschechien fast mit der „Verkauften Braut“ an Beliebtheit aufnehmen kann. Sie heißt „Das Geheimnis“. Auch hier herrschen Tanzlust und Melodienseligkeit. Ensembles erreichen mitunter eine sublime Intensität, wie man sie von Richard Wagner kennt. Und am Ende finden ein junges und ein altes Paar zusammen, eine verjährte Familienfehde überwindend. Romeo und Julia auf dem Dorfe! Das wird sängerisch glanzvoll, inszenatorisch realistisch und mit einer Prise Ironie überaus liebevoll dargeboten.

"Die Moldau" auf Originalinstrumenten

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Auch Litomysl, der heute 10.000 Einwohner beherbergende Geburtsort des Meisters, hat sich für Smetana herausgeputzt. www.ostboehmen.info Dass das dort seit mehr als 50 Jahren stattfindende Smetanafestival, das zweitgrößte des Landes nach dem „Prager Frühling“, fast vollständig im Zeichen des Jubilars steht, versteht sich von selbst. Allerdings ist die Sanierung des Festsaals im riesigen Schloss, das auch in dieser Stadt wieder vom unermesslichen Reichtum der alten böhmischen Adelsfamilien zeugt, nicht rechtzeitig abgeschlossen worden.

Aber wozu hat man in der Stadt eine Sporthalle? Muss eben sie den Rahmen bieten für die beachtliche Anstrengung, in diesem Sommer alle acht Opern Smetanas sowie Teile seiner Kammer-, Orchester- und Chormusik hier zu Gehör zu bringen, und sei es konzertant wie die großartige „Libussa“ mit der sensationellen Katerina Knzikova in der Titelrolle unter dem Leiter der Tschechischen Philharmonie Jakub Hrusa.

Weniger glücklich wird der reisende Enthusiast mit einem Ladenhüter von 2014 aus Mährisch Ostrau, jener „Teufelswand“, die schon den Zeitgenossen als seltsames Mittelalter-Hybrid erschien und auch musikalisch vom Niedergang des schon schwer kranken Komponisten zeugt. Aber egal, auch diese „Teufelswand“ gehört nun mal dazu. Die Pietät gebietet es, dass man sich dem Stück mit Achtung nährt.

Bedrich Smetana Museum vor der Karlsbrücke und dem Hradschin
Bedrich Smetana Museum vor der Karlsbrücke und dem Hradschin
Quelle: picture alliance / imageBROKER/ROM
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Umso erfreulicher präsentiert sich Litomysl selbst, eine echte Entdeckung, deren Charme sowohl auf dem langen Anger mit seinen gemütlich geräumigen Laubengängen als auch auf dem riesigen Schloss-Areal, das inzwischen Kindern jede Menge Spielfläche zumisst, einfach unwiderstehlich ist. Sogar Gastronomie und Hotellerie sind hier, anders als beispielsweise in den Kleinstädten Sachsens oder Thüringens, in tadellosem Zustand. Eine gesunde soziale Mischung belebt Litomysl wie eine Universitätsstadt, die der Ort aber gar nicht ist.

Auch hier gibt’s übrigens, wie in Prag, ein Smetana-Museum. www.prague.eu/en Es befindet sich in einem der Wirtschaftsgebäude des Schlosses, der Brauerei, und ist frisch renoviert. Die Schlossbrauerei hatte Smetanas Vater gepachtet und war damit so reich geworden, dass er auch in schönster Lage am Markt ein großes Haus erwerben konnte. Doch der kleine Friedrich wurde in der Brauerei geboren. Ob man ihn in Bier gebadet hat, wissen wir nicht. Aber dass die grandiose Anlage des reichverzierten Renaissanceschlosses, das seit 25 Jahren zum Weltkulturerbe der Unesco gehört, seinen Sinn fürs Heroische weckte, den er in seinen Geschichtsopern „Libussa“ und „Dalibor“ so effektvoll zu inszenieren verstand, das steht wohl außer Frage.

Bedrich Smetanas Haus
Bedrich Smetanas Haus
Quelle: picture alliance/dpa/CTK/Libor Sojka

Ironie der Dinge: Ausgerechnet diesen Kompositionen mit „vaterländischen“ Stoffen liegen deutsche Textbücher zugrunde, wie überhaupt Smetanas Muttersprache Deutsch gewesen ist; Tschechisch musste er erst mühsam als Erwachsener lernen. Vielleicht liegt es daran, dass die Tschechen heute trotzig in ihren Museen auf deutsche Beschriftungen von Exponaten verzichten und sich auch nur selten zu englischen durchringen. Der Nationalismus scheint in diesem Land noch immer eine Versuchung zu sein, von der sogar Smetana erfasst wurde, der am Ende seines Lebens sagte: „Mir ist es egal, ob meine Werke im Ausland aufgeführt werden oder nicht.“

Daher staunt der reisende Enthusiast nicht schlecht, als er sich im entzückenden Theaterchen von Reichenberg, tschechisch Liberec, plötzlich bei der Vorstellung von Smetanas Zweiakter „Der Kuss“ mit deutschen Untertiteln konfrontiert sieht. Dieses Stück, zu Smetanas Lebzeiten bei seinen Landsleuten das beliebteste, ist in Deutschland genauso unbekannt wie „Das Geheimnis“ oder „Die Teufelswand“. Aber in Tschechien kennt jedes Kind die beiden Wiegenlieder, den jubilierende Morgengesang oder den düsteren Chor der Schmuggler, welche die Highlights dieser Oper bilden. Sie werden denn auch in dieser architektonischen Bonbonnière der Baumeister Fellner und Helmer, die das gesamte Habsburger Reich mit Theatern ausgestattet haben, mit großem Szenenapplaus bedacht. www.visitliberec.eu/de

Deutsche Regisseure sind zu verklemmt

Durchweg tschechische Sänger produzieren sich in Prag, Litomysl und Reichenberg. Mit Ausnahme des Publikums in Litomysl, das wohl eher aus gesellschaftlichen Gründen in die Vorstellungen geht, hat man es mit Kennern zu tun. Sie lachen an den komischen Stellen, sie schmunzeln, wenn es allzu treuherzig zugeht in den mitunter naiven Dialogen, sie raunen anerkennend, wenn die Schauerromantik ihre Blüten treibt. Smetana war kein intellektueller Komponist; noch weniger intellektuell waren seine Librettisten. Dennoch: Was hier erklingt, was hier angesprochen wird, das ist die europäische Kinderseele. Ungefiltert drücken sich die Gefühle aus, schlicht und unmittelbar zu Herzen gehend.

Deutsche Regisseure in ihrer emotionalen Verklemmtheit machen um Smetana längst einen Bogen. Wann und wo hat man zuletzt eine Neuproduktion von Smetanas größtem Hit „Die verkaufte Braut“ gesehen? Sie gehörte einst auf deutschen Bühnen zum Repertoire wie „Aida“, „Carmen“, „La Bohème“. Vom ersten Ton der Ouvertüre an, sich fortsetzend in den plappernden, giggelnden Sechzehntel-Wiederholungen, kulminierend in folkloristischer Tanzseligkeit der Polkas stellt das Stück eine Apotheose der Lebensfreude dar. Es kann einem die Liebe zum Leben zurückgeben.

Jakob Hrusa dirigiert Smetana mit der Tschechischen Philharmonie

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Große Bejahung auch in Smetanas sinfonischem Zyklus „Mein Vaterland“, worin das vielgespielte „Die Moldau“ mit seinem unverwechselbaren musikalischen Hauptthema nur ein Teil von sechsen ist. Die gesamte Komposition läuft auf eine vollkommen ungebrochene Verherrlichung von Mythos, Landschaft und Geschichte der tschechischen Nation hinaus. Muss man das toxisch nennen? Der reisende Enthusiast bekennt: Es kann auch glücklich machen.

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Glücklich noch im Unglück, denn auch Smetana kannte sie ja nur zur Genüge, die dunklen Momente. Einsamkeit, Verzweiflung, Enttäuschung hat er seinen großen Frauenfiguren, der Marie in „Die verkaufte Braut“, der Vendulka im „Kuss“ in eindrucksvollen Partien mitgegeben. Und wenn Hans auf die Frage des Heiratsvermittlers Kecal im zweiten Akt der „Verkauften Braut“, woher er denn komme, sein „Weit von hier komm ich her“ und dann mit einem Oktavsprung in die Tiefe „fast von Mährens Grenze“ antwortet, bekommt noch der abgebrühteste Mensch einen Kloß im Hals angesichts der traurigen Verloren- und Verlassenheit, die diese Musik ausdrückt.

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Mährens Grenze! Wie nah ist sie nicht nur den Böhmen jetzt gerückt, sondern auch uns Deutschen. Machen wir uns also auf, ins eine wie ins andere, erleben wir diese Musikkultur einer Region, die man nicht von ungefähr im 19. Jahrhundert das „Konservatorium Europas“ nannte. Wandeln wir auf den Spuren Smetanas, vor allem in Prag, etwa am Altstädter Ring, wo er sein erstes Musikinstitut gründete, in der Teynkirche, wo 1884 das Staatsbegräbnis für ihn ausgerichtet wurde, sodann zum Friedhof Vysehrad, wo er begraben liegt.

Vor allem aber am nach ihm benannten Quai an der Moldau, zwischen Nationaltheater und Karlsbrücke, wo er als Chorleiter amtierte, aber auch, im ehemaligen Palais Lazansky, wo er in den 1860-er Jahren gelebt hat. Inzwischen gibt es hier auch schon seit mehr als hundert Jahren das Café Slavia. In dem weiträumigen Art-Déco-Gebäude, gegenüber vom Nationaltheater, kann jeder Smetana-Traum beginnen, wachsen, nachklingen. So etwas gibt es eben nur in Prag. In der schönsten Stadt Europas.

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