Der einst für sein großartiges Tennis berühmte Boris Becker bekam am Anfang seiner Karriere den Spitznamen „Bum-Bum Boris“ verliehen. Klang etwas doof, passte aber. Immerhin waren die Aufschläge des harmlos wirkenden Teenagers bis zu 220 Stundenkilometer schnell, er fegte seine Gegner damit sprichwörtlich vom Platz. Ähnlich muss man sich den Aufstieg des römischen Juweliers Bulgari zur ernst zu nehmenden Uhrenmarke vorstellen: Unerwartet, dafür aber mit umso mehr Karacho.
Bulgari hat in den vergangenen Jahren immer wieder mit Uhren überrascht, die Rekorde aufgestellt haben. Weil vor allem Männer gern über Uhren fachsimpeln, die besonders groß, bunt, aufwendig, teuer oder auch flach sind, tüftelte man in Bulgaris Schweizer Uhrenmanufaktur so lange, bis man aus dem achteckigen, 2012 erstmals präsentierten Modell „Octo“ den flachsten Tourbillon und die flachste Minutenrepetition der Welt gezaubert hatte.
Mit der „Octo Finissimo Automatic“ folgte sodann die flachste Automatikuhr der Welt, in diesem Jahr mit der fast papierdünnen „Octo Finissimo Tourbillon Automatic“ die flachste Automatikuhr mit Tourbillon. Alles extrem auffällige, sehr italienische Modelle, deren Gestaltung an die schnittigen Sportwagen-Entwürfe des Designstudios Pininfarina denken lässt. Obschon für Männer konzipiert, wirken sie auch am schmalen Handgelenk nicht deplatziert, es sind sehr zeitgemäße Uhren für Menschen mit Sinn für interessantes Design.
Dass die Uhrenmanager von Bulgari aber auch in anderer Hinsicht vorausschauend sind, konnte man in diesem Jahr bei der Uhrenmesse Baselworld erleben. Dort stellte die Marke mit zwei Damen-Neuheiten das gesamte Angebot der Konkurrenz in diesem Bereich in den Schatten. Zeigte man für Frauen bislang stets hübsche Varianten der 2014 eingeführten „Lucea“ (die mit dem Rubin-Cabochon als Krone), der „Diva’s Dream“ oder des Klassikers „Serpenti“, dazu stets einige üppig mit edlen Steinen besetzte Schmuckuhren, lagen in diesem Jahr plötzlich zwei technische Schwergewichte auf dem Präsentationstisch.
Eine Minutenrepetition für Damen? Ein komplett skelettiertes Modell mit Automatikwerk? Kaum zu glauben, aber deutlicher konnte man es eigentlich nicht sagen: Bei Bulgari hat man verstanden, dass Frauen auch von Uhren ernst genommen werden wollen. Ein reines Spaßobjekt, das mehr oder weniger zufällig die Zeit anzeigt, darf eine Luxusuhr für Frauen heute jedenfalls nicht mehr sein.
Mit der der „Diva Finissima Minute Repeater“ und der „Lucea Skeleton“ ist Bulgari eine Kombination aus Spaß und Ernsthaftigkeit gelungen, und das Ergebnis wirkt jeweils nicht angestrengt, sondern mühelos. Was wohl daher rührt, dass man bei den Herren die Karten so gut gemischt hat, dass man bei den Damen die Trümpfe nur noch auszuspielen brauchte.
In der „Diva Finissima Minute Repeater“ arbeitet das für den „Octo Finissimo Minute Repeater“ entwickelte superflache Minutenrepetitionswerk, doch außer ihrer minimalen Höhe haben die beiden Uhren nichts gemeinsam. Das Damenmodell wirkt vielmehr wie eine klassische Schmuckuhr, das Zifferblatt ist aus schwarzem japanischem Urushi-Lack gefertigt und mit Gold bestäubt, auch mit Diamanten wurde nicht gegeizt. Einziger Hinweis auf ihr kompliziertes Innenleben ist neben dem zarten Glockenklang der fächerförmige, mit Diamant-Pavé besetzte Anhänger an der linken Seite des Gehäuses, mit dem sich das Schlagwerk in Bewegung setzen lässt.
Das charmante – und durchaus weibliche – Konzept, mittels äußerlicher Verspieltheit von einem vielschichtigen Charakter abzulenken, kommt auch bei der „Lucea Skeleton“ zur Anwendung, der ersten für Damen konzipierten skelettierten Uhr. Dass man sich dafür die Mühe gemacht hat, ein Automatikwerk komplett freizulegen, ist zunächst einmal schön – die Uhr sieht wirklich gut aus. Es zeigt überdies, dass man bei Bulgari offenbar verinnerlicht hat, dass sich Frauen am Anblick eines guten Uhrwerks erfreuen können, ohne dabei gleich in die Kategorie der Technik-Nerds fallen zu müssen.
Die Kundschaft goutiert solcherart Aufmerksamkeit, Bulgari verzeichnete 2017 das erfolgreichste Jahr seit Gründung der Marke. Es sei ihr gegönnt.
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