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Trends „Notizen aus der Provinz“

Das Geizigrufen zeigt die Schönheit von Bräuchen

Geizigrufen in Bad Cannstadt Geizigrufen in Bad Cannstadt
Geizigrufen in Bad Cannstadt
Quelle: © Frédéric Schwilden
Unser Autor hält nicht viel von Erwachsenen-Karneval. Dann erlebt er das Geizigrufen in Stuttgart. Die oft geäußerte Kritik, dass deutsche Traditionen, Faschingskostüme und all das generell sexistisch oder rassistisch sei, wird bei dieser Veranstaltung klar widerlegt.

Ich halte nichts von Erwachsenen-Karneval, weil ich nichts trauriger finde, als das ganze Jahr ein Spießer zu sein, und dann in einer Woche sexuell und toxikologisch die Sau rauszulassen. Ich finde, das kann man doch auch so, ganz ohne Gruppenzwang und gemeinschaftliche Rituale. Das ist auch der Grund, warum ich Silvester und Volksfeste ablehne. Ich weiß nicht, ob Harald Juhnke den Satz wirklich gesagt hat, eine Quelle finde ich nicht, und ich habe ihn zum ersten Mal von Willi Schlögl gehört, dem Sommelier der Weinbar „Freundschaft“ in Berlin: „Ich hasse Silvester, da saufen auch die Amateure.“ Das heißt aber nicht, dass ich es den Menschen nicht gönne, die so leben wollen. Ich halte diese Bräuche und Riten, trotz meiner persönlichen Abneigung, für gesellschaftlich wichtig und richtig.

Es war also Karneval. Und mir ging es wieder sehr schlecht. Nach zwei Wochen mit Depressionen kamen Herzschmerzen und erhöhte Entzündungswerte hinzu. Ich musste wieder die Medikamente nehmen, die ich im Januar abgelegt hatte.

In jener Woche waren wir im Remstal bei meinen Schwiegereltern und fuhren nach Bad Cannstatt, dem ältesten und größten Bezirk Stuttgarts. Und ich dachte, da sei einfach so ein Karnevalsumzug mit Verkleidungen und dem üblichen Quatsch. Tatsächlich fand das Geizigrufen statt. Um zwölf Uhr mittags trafen sich die Kinder in der Altstadt und marodierten durch die Straßen, angetrieben von einem Mann mit weißen Handschuhen und Zylinder. Sie hielten vor Geschäften, zum Beispiel vor dem Spielzeuggeschäft.

Und dieser Anführer, das ist der Geizig, schrie in sein Megafon: „Geizig, geizig, geizig ist der Spielzeug Glaser. Und wenn er net so geizig wär, so gäb er auch a paar Siku-Autos her.“ (Siku ist ein deutscher Spielzeughersteller.) Und die Kinder, es waren Hunderte, schrien mit. Und dann gingen bei Spielzeug Glaser die Fenster auf und es flogen kleine Spielzeuge und Bonbons und Luftballons heraus. Und die Kinder sammelten alles auf. Und dann ging es zum nächsten Geschäft. So lange, bis keine Geschäfte mehr übrig waren, und der Geizig so viel Wein getrunken hatte, dass er nicht mehr schreien konnte.

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Was ich daran so wunderschön fand, war die Selbstverständlichkeit von alldem. Ich erinnere mich an Artikel und Kommentare, dass deutsche Traditionen, Faschingskostüme und all das generell sexistisch oder rassistisch, oder was auch immer sein sollen. Das Geizigrufen in Bad Cannstatt zeigte das Gegenteil. Da stand eine schwarze Familie, die Mutter mit einem bunten Kopftuch, neben einer Familie mit asiatischen Gesichtszügen, da waren die deutsch-türkischen Mütter mit Kopftuch, die mit ihren Kindern (eines sogar im Indianer-Kostüm) neben den weißen Indigenen stehen. Aus dem China-Imbiss „Hong Kong“ fotografierte ein Koch die Szenerie, und gegenüber bei „Wolf’s Im-Biss“ (der Name ist echt), saßen gut gelaunte Trinker. Und am Ende streichelte ein Fotograf dem Geizigrufer zärtlich vertraut über die Hüfte.

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Unser Autor berichtet in seinen „Notizen aus der Provinz“ regelmäßig über das Leben dort – vom Kürbisfest in Muggendorf bis zur Kartoffel-Döner-Bratwurst in Schleswig-Holstein.

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