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Mode Luxusmode-Plattformen

„Wer es sich leisten kann, kauft lieber wieder im Geschäft ein“

Freie Redakteurin
Eigentlich versprach Online-Luxus-Shopping ein ertragreiches Zukunftsmodell zu sein, doch nun scheint der Boom vorbei Eigentlich versprach Online-Luxus-Shopping ein ertragreiches Zukunftsmodell zu sein, doch nun scheint der Boom vorbei
Quelle: Getty Images/Iryna Veklich
Spezialisierte Online-Shops wie Net-a-Porter haben den Handel mit Designermode revolutioniert. Heute kämpfen viele von ihnen ums Überleben – besonders für junge Labels ein großes Problem. Wie konnte das passieren? Eine Erklärung in sechs Punkten.
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Die ersten Online-Shops locken schon mit Sommerrabatten, aber nirgendwo kann man derzeit so gute Deals machen wie bei Matchesfashion.com. „Bis zu 70 Prozent“, verspricht ein Banner auf der Homepage des britischen Unternehmens, das zu den wichtigsten Plattformen für den Online-Handel mit Luxusmode zählt. Hier bekommt man Jacquemus-Taschen für 575 Euro statt 1150 Euro, oder eine Moncler-Jacke mit einem Rabatt von 60 Prozent.

Für Schnäppchenjäger ist das super. Für die Firmen, deren Teile hier verramscht werden, sieht das anders aus. Im März verkündete die britische Frasers Group, zu der Matchesfashion gehört, dass die E-Commerce-Plattform insolvent sei. 273 Mitarbeitern wurde sofort gekündigt, die Schulden sollen sich auf umgerechnet 42 Millionen Euro belaufen. Zu den Gläubigern gehören namhafte Luxusmarken wie Burberry, Gucci oder Bottega Veneta, aber auch zahlreiche kleine Unternehmen, Lieferanten und Partner. Kaum ein Gläubiger, so haben es die vorläufigen Insolvenzverwalter bereits angekündigt, wird sein Geld vollständig zurückbekommen. Der Betrieb läuft während des Verfahrens in eingeschränktem Rahmen weiter, um das restliche Sortiment zu verkaufen, bis feststeht, wie es mit dem Unternehmen weitergehen soll.

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Matchesfashion war einst ein gefeiertes Start-up. Heute gilt die Firma als Paradebeispiel für die Krise eines Branchensegments, das es Kunden ermöglicht, Designertaschen per Mausklick in virtuelle Warenkörbe zu bewegen und sich durch Hunderte von 600-Euro-High-Heels zu scrollen. Neben Matchesfashion kämpfen derzeit auch Wettbewerber wie Yoox-Net-a-Porter (YNAP) oder Farfetch mit finanziellen Schwierigkeiten. Sie alle propagierten die einst wegweisende Idee, dass man Luxus im Internet verkaufen und damit Milliardenumsätze machen kann – bis das wirtschaftliche Umfeld und falsche unternehmerische Entscheidungen die Kauflaune trübten und das Geschäftsmodell ins Wanken brachten.

Der Boom

Als die ehemalige Modejournalistin Nathalie Massenet im Jahr 2000 mit einem Online-Shop namens Net-a-Porter Designermode im Internet verkaufen wollte, musste sie viel Überzeugungsarbeit leisten. Die meisten Modehäuser blickten mit Skepsis auf das Konzept und konnten sich nicht vorstellen, dass das Luxus-Versprechen von edlem Material, Handwerk und Design in Form von zweidimensionalen Abbildungen auf einem flackernden Bildschirm Begehrlichkeit wecken und Kunden vom Kauf überzeugen würde. Doch Massenet sollte recht behalten: Auch Luxuskunden verfielen der Internet-Wundertüte aus großer Auswahl, schneller Lieferung, unkomplizierten Retouren und permanenten Neuheiten.

Und so wurde aus Net-a-Porter ein Riesenunternehmen und aus Massenet eine vermögende Frau, die ihre Firma zunächst an den Luxuskonzern Richemont verkaufte, der wiederum im Jahr 2015 durch eine Fusion mit dem Mode-Onlineshop Yoox den E-Commerce-Giganten Yoox-Net-a-Porter formte. Zu den Wettbewerbern, die sich formierten, gehörte die Plattform Mytheresa aus München, die im Jahr 2006 gegründet wurde, Matchesfashion und Farfetch kamen im Jahr 2007 dazu, Ssense aus Kanada gibt es bereits seit 2003. Manche Gründer wie Federico Marchetti von Yoox waren Tech-Nerds, andere wie Susanne und Christoph Botschen von Mytheresa hatten Erfahrung mit einer stationären Luxusboutique und zeichneten sich durch ihr Gespür für Designtalente aus.

Angetrieben vom Boom des Online-Handels und spendablen Investoren kam es im Laufe der Jahre zu einer Reihe von Zukäufen, Fusionen und erfolgreichen Börsengängen, zum Beispiel von Farfetch, Mytheresa, und YNAP. Viele Shops expandierten mit Männermode, Kosmetik und Interior-Produkten, manche lancierten eigene Kollektionen, Net-a-Porter gab sogar ein Magazin heraus. Und während der Pandemie, als viele Menschen nur vom Sofa aus shoppen konnten, stiegen die Umsätze der Unternehmen so sehr, dass ihre Dominanz auf dem Markt sicher schien.

Der Absturz

Neben Matchesfashion machten in den vergangenen beiden Jahren auch andere Unternehmen mit schlechten Nachrichten auf sich aufmerksam. Farfetch wurde bei seinem Börsengang im Jahr 2018 noch mit mehr als sechs Milliarden US-Dollar bewertet, doch tatsächlich machte das Unternehmen jahrelang Verluste, stand 2023 kurz vor dem Kollaps und wurde im Januar durch den Verkauf an die koreanische Technologie-Firma Coupang gerettet. Deren Botschaft an die Aktionäre: Das Unternehmen werde voraussichtlich abgewickelt und diese ihr Investment nicht zurückbekommen.

Währenddessen sucht Richemont einen Käufer für Yoox-Net-a-Porter, das der Konzern ursprünglich an Farfetch verkaufen wollte. Auch YNAP verliert seit Jahren Geld – 1,5 Milliarden Euro allein im Geschäftsjahr 2023/2024 – und drückt damit die Umsätze von Richemont nach unten. Ssense entließ im vergangenen Jahr sieben Prozent seiner Belegschaft, ebenfalls ein Zeichen, dass das Unternehmen unter wirtschaftlichem Druck steht.

Die Gründe

Auch die Luxusbranche leidet darunter, dass viele Kunden aufgrund von andauernder Inflation, wirtschaftlicher Unsicherheit und globaler Krisen mehr auf ihr Geld achten. „Wer es sich leisten kann, kauft zudem oft lieber wieder im Geschäft ein“, sagt Federica Levato, Partnerin bei der Unternehmensberatung Bain & Company und Leiterin der dortigen Praxisgruppe Fashion & Luxury in der EMEA-Region. „Das Ende der Corona-Pandemie hat bei der Luxuskundschaft das Verlangen ausgelöst, wieder vor Ort shoppen zu gehen.“

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Multibrand-Shops konkurrieren zudem nicht nur miteinander, sondern vor allem mit den großen Labels, die eigentlich ihre Partner sein könnten, aber den Online-Verkauf ihrer Produkte inzwischen lieber selbst in die Hand nehmen. „Luxusmarken versuchen zunehmend, ihre Vertriebskanäle zu kontrollieren. Auf diese Weise wollen sie die Gestaltung ihres Markenimages so weit wie möglich selbst in der Hand behalten, aber auch Rabatte minimieren“, sagt Federica Levato. Anbieter wie Farfetch oder Ssense haben den Ruf, Designermode zu Rabattpreisen zu verschleudern, um Kunden anzulocken. Damit vergraulen sie allerdings die begehrten und bekannten Labels, von deren Produkten sie abhängig sind.

Die Verlierer

Plattformen wie Matchesfashion und die modeaffinen Gründer dahinter, wie das Paar Tom und Ruth Chapman, haben sich einen Namen als Entdecker und Mentoren von jungen Designern gemacht, denen sie eine Bühne gaben. „Die Multibrand-E-Tailer-haben sich als wichtiger Kanal erwiesen, um Marken bekannter zu machen und eine ganze Bandbreite verschiedener Kundensegmente zu erreichen. Sie fungieren als starke Impulsgeber insbesondere für junge Marken in der Wachstumsphase“, sagt Federica Levato.

Ausgerechnet die kleineren Marken leiden also besonders unter der Schwäche der einst wichtigen Geschäftspartner. Ihnen fehlt oft die Bekanntheit, Reichweite oder das Kapital, um mit einem eigenen Online-Shop genug Umsatz zu machen. Die Zusammenarbeit mit Multibrand-Anbietern brachte einst Prestige, heute stellt sie in manchen Fällen sogar ein Risiko dar. Im Fall von Matchesfashion sind viele Marken auf unbezahlten Rechnungen sitzen geblieben. Allein dem beliebten schwedischen Label Toteme schuldet die Firma fast eine Million Pfund.

Der Gewinner

Eine Bootsfahrt auf dem Orta-See mit anschließendem Champagner-Picknick im Garten einer privaten Villa, Tanzen unter Zitronenbäumen auf Capri: Wer die Kunden-Events von Mytheresa auf Instagram verfolgt, die der Online-Shop gemeinsam mit Marken wie Brunello Cucinelli und Dolce & Gabbana veranstaltet, bekommt den Eindruck, dass die Plattform bisher als einzige von der Krise unberührt geblieben ist. Tatsächlich musste auch Mytheresa im vergangenen Jahr ein langsameres Wachstum im einstelligen Bereich hinnehmen, im dritten Quartal des Geschäftsjahres 2023/24 nahm der Netto-Umsatz allerdings wieder um 18 Prozent zu, der Aktienkurs ist seit Anfang des Jahres um 40 Prozent gestiegen. CEO Michael Kliger erklärt den Erfolg des Unternehmens mit einer klaren Ausrichtung auf eine spezielle Kundengruppe.

„Wir haben uns immer auf den ‚Wardrobe-Building‘-Kunden fokussiert. Das sind Kunden, die oft kaufen, insbesondere Kleidung. Diese Kunden wollen Mode für bestimmte Anlässe und sind nicht auf der Suche nach einem bestimmten Produkt.“ Rabatte und eine große Bandbreite an Marken spielen für Mytheresa eine geringere Rolle, stattdessen eine sorgfältig kuratierte und spitze Auswahl für eine Klientel, die viel und regelmäßig einkauft: Drei Prozent der Kunden sorgen für 35 Prozents des Umsatzes von Mytheresa. Eben die werden mit exklusiven Events und Sonderkollektionen bei Kauflaune gehalten. Neben den strauchelnden Konkurrenten steht Mytheresa, das seit 2021 an der New Yorker Börse gelistet ist, also bisher als Gewinner da und wird seit Monaten sogar als potenzieller Käufer von YNAP gehandelt – was das Unternehmen selbst bisher nicht kommentiert.

Luxusmode in der Popkultur

Die Zukunft

Trotz der aktuellen Lage wird E-Commerce im Luxus auch in Zukunft eine wichtige Rolle spielen. „Der Online-Anteil am Markt für persönliche Luxusgüter belief sich 2023 auf weltweit rund 20 Prozent, nach 21 Prozent im Jahr 2022. Doch laut unserer Prognosen wird dieser Kanal bis 2030 weiter zulegen“, sagt Federica Levato von Bain & Company. Auch Michael Kliger ist überzeugt, dass das Konzept an sich weiterhin gefragt bleiben wird. „Menschen, die viel arbeiten oder zahlreiche Verpflichtungen haben, finden oft keine Zeit, um durch Geschäfte zu flanieren. Diese Kundinnen und Kunden möchten bequem und effizient Luxusmode auf höchstem Serviceniveau kaufen“, sagt er. „Nur weil Fluglinien pleitegehen, stellt niemand das Konzept des Fliegens infrage.“

Trotzdem steht fest: Eine große Auswahl allein reicht bei dem starken Wettbewerb nicht mehr aus, um Kunden an sich zu binden und langfristig Gewinn zu machen. Stattdessen müssen sich sowohl Plattformen als auch Marken überlegen, wie sie aus dem Angebot herausstechen und Kunden dauerhaft an sich binden, damit der Warenkorb auch in Zukunft wieder voll wird.

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