Als Präsident Joe Biden im März dieses Jahres durch den Plenarsaal des Repräsentantenhauses schritt, um seine State-of-the-Union-Rede zu halten, sah er rot. Die Republikanerin Marjorie Taylor Greene aus dem Bundesstaat Georgia trug eine rote Jacke und eine rote MAGA-Kappe (die Abkürzung für den Schlachtruf Make America Great Again). Ein Look für die Boxengasse eines Formel-1-Rennstalls oder vielleicht für eine Büttensitzung, nicht unbedingt für einen der gewichtigsten Anlässe US-amerikanischer Politik. Biden ist nicht bekannt für seine Reaktionsgeschwindigkeit, aber diesmal war sein Timing perfekt. Er stutzte kurz und verzog staunend das Gesicht, als sähe er ein seltsames, unbekanntes, albernes, aber harmloses Wesen von, mindestens, einem anderen Planeten – und ging weiter.
In der Sache war dieser Auftritt typisch für die ultrarechte Krawallmacherin Marjorie Taylor Greene. Modisch eher ungewöhnlich. Frauen, die es bei den Republikanern unter Trump zu etwas bringen wollen, pflegen meist den sogenannten Mar-a-Lago-Look: knallenges Businesskostüm, halbhohe Stilettos, ultraweiße, perfekte Zähne, luxuriös aufgeföhnte Haare. Melania mit Aktenkenntnis, so könnte man diesen Stil nennen. Er lässt sich perfekt studieren an der Gouverneurin von South Dakota Kristi Noem, die sich flankierend zu ihren Ambitionen, Vizepräsidentin zu werden, eine modische und zahnchirurgische Überarbeitung gegönnt hat. In ihren jüngst erschienen Memoiren „No Going Back“ beschreibt sie ausführlich, wie sie ihren 14 Monate alten Jagdhund wegen Unartigkeit erschoss – und eine „fiese und gemeine Ziege“. Vermutlich will sie damit Härte demonstrieren.
Der Witz an ihrer Parteikollegin Greene: Diese sieht aus, als könne sie das mit bloßen Händen erledigen. Und statt den etwas angejahrten Glamour, den man in Donald Trumps Anwesen in Florida gern an Frauen sieht, pflegt sie den Look der sogenannten Soccer Mums. Eine Wählerinnengruppe, die in der US-Politik gefürchtet und umworben ist, weil sie als potenziell wahlentscheidend gilt. Es sind Mütter, die ihre Kinder zu deren Sportaktivitäten kutschieren und ein Weltbild pflegen, das deutlich ruppiger ist als in den verachteten amerikanischen Großstädten üblich, allen voran natürlich New York, wo gerade ein als skandalös erachteter Prozess gegen den Anführer der MAGAs läuft.
Greene trägt die gleiche, großzügig aufgespachtelte Bräune wie Donald Trump – aber anders als er bei vielen Gelegenheiten armfreie Outfits, die ihre kräftigen Oberarme zur Geltung bringen. Damit ist sie im politischen Washington eine Seltenheit, aber nicht ganz allein.
Die vielleicht prominenteste Vertreterin des Bizeps-Looks ist die ehemalige First Lady Michelle Obama. Auch sie hatte vor allem in den ersten Monaten im Rampenlicht eine Freude an ärmellosen Kleidern oder Outfits, und sie hatte dafür gute Gründe. Ihre Oberarme waren so trainiert, dass sie als nicht damenhaft kritisiert worden sind. Die First Lady antwortete darauf, indem sie sich von der Moderatorin Ellen Degeneres zu einem Liegestütz-Wettbewerb vor laufender Kamera auffordern ließ – und natürlich gewann.
Greene hat in den letzten Wochen alles getan, um die Republikanische Partei noch weiter auf den ultrarechten MAGA-Kurs einzuschwören. So energisch, dass es selbst Donald Trump zu viel wurde. „Die Politiker der Republikaner, die derzeit in Washington tätig sind, unterscheiden sich nicht von den Demokraten“, erklärte sie im Fernsehinterview im schönsten Verschwörungstheoretikerinnenstil. „Wir werden von einer großen Einheitspartei regiert, die die Interessen der Welt bedient und die Interessen der Amerikaner vernachlässigt.“
Ziel ihrer Tiraden war ihr Parteifreund Mike Johnson. Die von ihm mitverhandelte Ukraine-Hilfe nannte sie bullshit. Er habe das amerikanische Volk mehrfach betrogen, sei eine lame duck, müsste das Richtige tun und zurücktreten. Sonst werde er entfernt. Bei Greene haben solche Attacken besondere Wucht. Sie besaß einmal ein Cross-Fit-Gym und postete während der Corona-Lockdowns Filme von sich beim Training im Nahkampf mit Langhantel und Klimmzug-Gerüst.
„Männer legen beim Training mehr Wert auf ihre Oberarme“, sagt der Berliner Fitnesscoach Luke Satterly: „Bei Frauen geht es meist stärker um Bauch und Beine.“ Das könnte seine Gründe haben. Der Bizeps ist ein universelles Symbol für Muskelkraft und Wehrhaftigkeit. Für Frauen ist er daher leider oft ein zweischneidiges Statussymbol. Ihr Work-out-Film „G.I. Jane“ von 1997 markierte in dem Filmstar-Leben von Demi Moore einen Karriereknick, von dem sie sich nie wieder richtig erholte. Die Sängerin Helene Fischer steht mit ihren muskulösen Armen unter Menschmaschinen-Verdacht. Über Madonna superdefinierten Körper wurde jahrelang gehässig gelästert: „Nichts steht so deutlich für ‚mit Würde älter werden‘ wie monströs austrainierte, gruselige Leichenarme“, hieß es sarkastisch auf der Klatsch-Website „TMZ“.
Zu den fittesten Frauen Deutschlands zählt sicher die Influencerin und Unternehmerin Caro Daur. Der Moderator Klaas Heufer-Umlauf lud sie vor einigen Jahren ins Pro-Sieben-Studio, wo sie vor zugeschalteten Online-Fans Fitness-Übungen vorführen sollte. Er machte die Sportlerin mit allen Tricks desjenigen lächerlich, der in der „Kommandozentrale“ sitzt. „Stellt euch vor, ich bin das Äffchen. Und ihr seid die kleinen Autos. Hup, Hup“, das sollte sie während des Warm-ups ihren Mitsportlerinnen sagen. Höhö.
Man kann also sagen: Durchtrainierte und definierte Oberarme bei Frauen sind nicht immer Garant für ein menschenfreundliches Weltbild, aber dass sie noch immer provozieren, spricht unbedingt für die Arbeit an der Hantelbank.