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Wie Piaget endlich „die eine“ Uhr erfinden will

Schauspieler Ryan Reynolds ist internationaler Markenbotschafter von Piaget Schauspieler Ryan Reynolds ist internationaler Markenbotschafter von Piaget
Schauspieler Ryan Reynolds ist internationaler Markenbotschafter von Piaget
Quelle: Piaget
In den 70ern sorgte die Piaget Polo am Arm von Bond-Girl Ursula Andress für Furore und hohe Verkaufszahlen. Nun kommt eine Neuauflage auf den Markt – die mit dem Original nicht mehr viel zu tun hat.

Um es gleich vorweg zu nehmen. Diese Geschichte handelt von Respekt. Von dem Respekt vor einer Firma, die nie aufgibt auf der Suche nach dem einen, dem perfekten Design. Denn darum dreht sich im Grunde genommen der ganze Luxusuhrenzirkus: Das eine Design, die eine Uhr, die es schafft, am Ende für eine ganze Marke zu stehen.

Diese eine Uhr ist das Fanal vieler Firmen. Das Schicksal dieser Uhr entscheidet oft über den Aufstieg oder Niedergang einer ganzen Marke. Für Rolex ist diese Uhr die berühmte Oyster, für Omega ist es die Monduhr-Speedmaster. Die Liste könnte man endlos weiterspinnen. Für Panerai ist es die Luminor, für Hublot die Big Bang, für Audemars Piguet ist es die Royal Oak, für Jaeger LeCoultre die Reverso und so weiter und so fort. Die unendliche Geschichte der Uhrenindustrie lautet: Diese eine Uhr darf nie misslingen. Nur, dass sie erst einmal gelingen muss, darin besteht die große Kunst.

Und nur ganz wenigen Marken gelingt das Kunststück, nicht nur für ein Uhrendesign zu stehen. Da wäre die Supersammlermarke Patek Philippe mit ihrer eindrucksvollen zeitgenössischen und klassischen Kollektion, da wäre Cartier als Erfinder der modernen Armbanduhr (die Santos von 1904) und heute als König der Uhrendesigner mit gleich einer ganzen Palette an Formen, die man sofort als typisch Cartier ausmacht.

Womit wir beim Thema wären. Welche Uhr fällt einem heute ein, wenn man den Namen Piaget hört? Ja, das ist ein bisschen gemein und doch eine ganz wichtige Frage. Denn wenn einem bei dieser Frage nicht sofort ein Modell in den Kopf kommt, hat man in einer Zeit, die Internet-abgelenkte Menschen mit einer Aufmerksamkeitsspanne von Feldwühlmäusen hervorbringt, sicher kein leichtes Spiel.

Die Neuauflage der Piaget Polo S wurde kürzlich per Facebook-Livestream vorgestellt - ein Zugeständnis an die junge Generation
Die Neuauflage der Piaget Polo S wurde kürzlich per Facebook-Livestream vorgestellt - ein Zugeständnis an die junge Generation
Quelle: Piaget

Die Geschichte der Piaget Polo beweist daher eindrucksvoll wie schwer es ist, einen Uhrenklassiker zu produzieren oder trotz über 140 Jahren feinster, lupenreiner Manufakturgeschichte sich gedulden zu müssen, um in den Olymp der Uhrmacherei aufzusteigen. Manchmal dauert der Prozess Jahrzehnte, manchmal gelingt das Vorhaben nie.

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Die von George Éduard Piaget 1874 in einem Dorf im Genfer Jura gegründete Marke werden viele, die sich in den letzten zehn Jahren mit mechanischen Uhren auseinandergesetzt haben, vor allem wegen toller ultraflacher Uhren und Uhrwerke kennen. Man produziert zirka 20.000 Zeitmesser im Jahr. Um genau zu sein, befinden sich unter den aktuell 37 Uhrwerken der Kollektion 25 ultraflache, mit denen man aktuell 14 Weltrekorde hält. Die Geschichte des „Master of Ultrathin“, wie man sich in der Werbung nennt, begann im Jahr 1957, als man mit dem nur 2 Millimeter dünnen Handaufzugswerk 9P für Aufsehen sorgte und es drei Jahre später, 1960, mit dem kaum dickeren Automatikuhrwerk 12 P (es war 2,3 Millimeter dünn) bis ins bis in Guinness-Buch der Rekorde schaffte. Diese Modellreihe heißt übrigens heute Altiplano.

Weltweit bekannt wurde die Marke aber nicht wegen technischer Meisterleistungen, sondern wegen eines Design-Experiments, das sich 1979 der junge Firmenchef Yves G. Piaget erlaubte. Er hatte die Idee, das damals flachste Quarzuhrwerk der Welt, das nur 3,1 Millimeter dünne Piaget Kaliber 7P, in einem Modell unterzubringen, das mehr einem Armband als einer Uhr glich. Das Design des Armbandes mit abwechselnd massiven und satinierten Gold-Godrons zog sich über das Gehäuse und sogar über das Zifferblatt fort. Das Ergebnis: Die Uhr sieht aus, als hätte ein Designer mit Photoshop ein Armband in ein klassisches Uhrenmodell hineinkopiert.

Das irgendwie bis heute unerhörte Design entsprach dem Geschmack der 70er-Jahre und glich im beschaulichen Juradörfchen La Coté-aux Frées einer Palastrevolution. Der Tumult in der Familie, die seit über 100 Jahren dort produzierte, ging so weit, dass man sich sogar dafür überlegte, dieser Uhr erstmals in der Firmengeschichte einen eigenen Namen zu geben: Der Firmenchef entschied sich für Polo, was nach Prestige und Elite klingen sollte. Und er behielt recht. Das Modell war ein Volltreffer im ersten Jet-Set-Zeitalter. Bei der Poloweltmeisterschaft 1980 in Palm Beach wurde die Uhr angeblich von den Kunden entdeckt, als sich das Ex-Bond-Girl Ursula Andress zur Patin der Uhr machen ließ: Die Bilder der Schauspielerin, die die Siegertrophäe des Wettbewerbs übergab, gingen um die Welt. Anfang der Achtziger Jahre entfielen rund ein Drittel der von der Marke verkauften Uhren auf das eine Modell.

Kleiner Zeitsprung in die Gegenwart: Letzte Woche stellte Piaget wieder ein Modell mit dem Namen Polo in New York vor, genauer gesagt, heißt die Uhr jetzt POLO S. Das S könnte für Sport stehen, da bereits die Vorgängermodelle diesen Zusatz trugen. Im Pressetext steht etwas von „Spirit“ und „Signature“. Neun männliche Markenbotschafter, darunter der Polospieler Malcom Borwick und der Schauspieler Michael B. Jordan, werden dem neuen Modell zur Seite gestellt. Viel wichtiger ist aber die Frage: Was ist mit dem Design passiert?

Die neue Piaget Polo erinnert entfernt an ein gleichnamiges Modell aus dem Jahr 1979. Die Stahluhren mit Manufakturkaliber gibt es ab 10.900 Euro, die Stahlchronographen kosten ab 14.400 Euro. Die Stahlmodelle gibt es mit blauem, weißen und anthrazitfarbenem Zifferblatt, die Chronographen jeweils mit weißem und blauem Zifferblatt-Design
Die neue Piaget Polo erinnert entfernt an ein gleichnamiges Modell aus dem Jahr 1979. Die Stahluhren mit Manufakturkaliber gibt es ab 10.900 Euro, die Stahlchronographen kosten ab ...14.400 Euro. Die Stahlmodelle gibt es mit blauem, weißen und anthrazitfarbenem Zifferblatt, die Chronographen jeweils mit weißem und blauem Zifferblatt-Design
Quelle: Piaget
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Während man bei dem 2009 vorgestellten Relaunch zum 30. Geburtstag noch das zugegeben schräge Originaldesign beibehielt, hat die neue Uhr bis auf die Tatsache, dass beide Modelle Zeiger, ein Gehäuse und ein Armband haben, so gut wie nichts mehr mit dem Original gemein. Die Profi-Uhrenseite watchtime.net beschrieb die Uhr als Modell für die „jüngere Zielgruppe“ mit einem „Hauch von Sportlichkeit.“ Das stimmt insofern, da das Modell bis 100 Meter wasserdicht ist. Ob sich die jüngere Zielgruppe eine Uhr, die bei 10.900 Euro beginnt, leisten kann und will, sei dahingestellt. Für knapp 1000 Euro mehr bekommt der „Einsteiger“ nämlich schon eine Rolex Cosmograph Daytona mit fast eingebauter Wertsteigerungsgarantie.

Bitte nicht falsch verstehen: Wer die Uhr in der Hand hält, wird sofort verstehen, dass es sich um eine wunderbar gemachte Manufaktur-Stahluhr handelt. Eine perfekte Uhr für jeden Tag. Aber muss die Frage im Hinblick auf die Einleitung nicht lauten: Ist es auch ein perfektes Design für einen Uhrenklassiker? Kenner werden sich fragen, warum man kaum sieben Jahre nach dem 30-jährigen Jubiläum ein komplett neues Design auf den Markt bringt. Und Käufer der alten werden sich fragen, warum man statt gut 17.000 Euro jetzt nur noch rund 10.000 Euro auf den Tisch legen muss.

Womit wir beim eingangs erwähnten Thema dieses Textes wären: Respekt. Der Respekt gebührt Piaget für den Versuch, ein wirklich schwieriges Uhrendesign aus einer verrückten Epoche in die Gegenwart zu transportieren und das zu einem deutlich aggressiveren Preis als bisher. Die Frage, ob das gelungen ist, werden ab sofort die Kunden beantworten müssen. Die Uhr mit rundem Gehäuse und kissenförmigen Zifferblatt, die es ebenfalls als Chronographen gibt, hat ihren Reiz und liegt sowohl vom Design her wie preislich gleichauf mit Modellen wie der Seventies Panoramadatum von Glashütte Original.

So entstand die komplizierteste Uhr aller Zeiten

Acht Jahre arbeiten drei Uhrmacher versteckt am komplizierten Meisterwerk. Für die Uhrenbauer die Herausforderung des Lebens. Ein Gespräch über scheinbar unlösbare Forderungen bei Vacheron Constantin.

Quelle: Die Welt

Fragt sich bloß, warum eine Firma, die sich ultradünnen Modellen verschrieben hat, nicht diese auf ein ebenfalls historisch betrachtet ultradünnes Modell wie die Polo übertragen hat? Wäre das das nicht eine perfekte Aufgabe für das 40-jährige Jubiläum in drei Jahren?

Die Uhrwerke dazu hat man ja: Zum 140. Firmenjubiläum vor zwei Jahren stellte man den eigenen Rekord von 1960 ein mit dem Werk 900 P, bei dem Gehäuse und Werk zu einer Einheit verschmolzen und lediglich 3,56 Millimeter messen. Und da man seit 2015 auch den dünnsten Handaufzugschronographen mit einem 4,65 Millimeter dünnen Manufakturkaliber produziert, spräche auch nichts gegen die erste ultradünne Sportuhr der Welt. Die gibt es nämlich nicht auf dem Markt. Und da ist sie wieder, die Chance auf das eine, das perfekte Design. Dieses eine Modell könnte es dann nämlich auch schaffen, dem unbestrittenem Meister der ultraflachen Uhren zum endgültigen Aufstieg in die Königsklasse der Uhrmacherei zu verhelfen.

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