Dass der illegale Handel mit Waffen keine Erfindung der Neuzeit ist, belegen zahlreiche archäologische Funde und Zeugnisse aus früheren Epochen. Überliefert ist zum Beispiel, dass sich der fränkische König und Kaiser Karl der Große (reg. 768–814) und seine Nachfolger gezwungen sahen, die Ausfuhr von sogenannten „Ulfberht“-Schwertern bei Todesstrafe zu verbieten. Denn es handelte sich um Hochleistungsklingen, die im Kampf gegen die Wikinger und andere Gegner von großer Bedeutung waren.
Wenn jetzt die Regierung der Provinz Rogaland in Südwest-Norwegen die Entdeckung einer solchen Waffe bekannt gibt, ist das ein weiterer Beleg dafür, dass derartige Anordnungen offenbar nicht die erhoffte Wirkung hatten. Øyvind Tveitane Lovra, Ingenieur und nebenberuflich Landwirt, wollte gerade mit der Aussaat beginnen, als ihm auf seinem Feld ein altes Stück Eisen ins Auge fiel. Er gab dem ersten Impuls, das Stück wegzuwerfen, nicht nach, sondern nahm es genauer in Augenschein. Umgehend informierte er daraufhin die Denkmalschützer der Provinzverwaltung.
Die untersuchten das Eisen und stellten fest, dass es zwischen 900 und 1050, also in die späte Wikingerzeit, datiert werden muss. Von dem Langschwert sind etwa 37 Zentimeter – Griff, Parierstange und ein Teil der Klinge – erhalten, etwa die Hälfte fehlt. Dennoch heben die Fachleute den ungewöhnlich guten Erhaltungszustand hervor, der wegen der lokalen Bodenverhältnisse nicht zu erwarten wäre. Dichter Ton verhinderte jedoch die vollständige Korrosion.
Die Form, die beidseitig geschliffene Klinge und das Rautenmuster bzw. die markante Inschrift IINIOMINEDMN („in nomine domini“), die auf einem Röntgenbild sichtbar werden, machten es sehr wahrscheinlich, dass es sich um ein sogenanntes Ulfberht-Schwert handele, sagt Sigmund Oehrl, Professor für Archäologie an der Universität Stavanger.
Dass bislang knapp 50 (von insgesamt 200 bekannten) dieser Klingen in Norwegen entdeckt wurden, zeigt, wie wenig das fränkische Embargo durchgehalten werden konnte. Denn die Waffen waren begehrt, nicht nur wegen ihrer Leistungsfähigkeit im Kampf, sondern auch wegen des Prestiges, das mit ihrem Besitz verbunden war. „Das Schwert war das größte Statussymbol in der Wikingerzeit, und es war ein Privileg, ein Schwert tragen zu dürfen“, erklärt der Archäologe Lars Søgaard Sørensen von der Abteilung für kulturelles Erbe der Provinzverwaltung.
Die Besonderheit war der Stahl, der einen klaren Vorteil im Zweikampf versprach. Dank neuer Verhüttungstechniken gelang es den Schmieden, diese Waffen leichter und schärfer zu machen, ohne dass die Stabilität darunter litt. Ihren Namen, wenn man so will ihr Markenzeichen, verdankten die Schwerter einer (Kloster?-)Werkstatt vermutlich am Niederrhein, wo die Technologie entwickelt worden ist, doch wurde auch die These vertreten, dass die Vorbilder im Arabischen Weltreich zu suchen seien. Bester Stahl und elaborierte Handwerkskunst kamen in diesen „Hightech-Waffen“ zusammen, sagt Sigmund Oehrl.
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Doch der Einsatz in der militärischen Praxis war nur ein Aspekt. Aus altnordischen Sagen ist bekannt, dass diese Schwerter Namen trugen. Eide wurden beschworen, indem man sie berührte. Die eingravierten Worte signalisierten, dass ihre Besitzer zumindest Vorstellungen von der Schrift hatten, was den meisten Menschen des Frühmittelalters nicht gegeben war.
Doch nicht immer hielten die Schwerter, was ihr Name versprach. Gerade in späterer Zeit brachten clevere Geschäftsleute Fälschungen auf den Markt, die nicht an die Qualität der echten Ulfberht-Schwerter heranreichten. Ob es sich bei dem Fund von Rogaland um einen derartigen Fake handelt, werden künftige Materialanaylsen zeigen müssen. Die Frage, ob die Waffe durch illegalen Handel oder als Beute nach Norwegen gelangte, wird sich abschließend kaum klären lassen.
Dass die Waffe aus einem Überfall stammt, ist zumindest nicht ganz unwahrscheinlich, denn Rogaland war eine zentrale Region der Wikingerzeit. „Von hier aus haben die ersten Wikinger ihre Raubzüge nach Westen unternommen“, berichtet Oehrl.
„Hier in Stavanger, am Hafrsfjord, hat Harald Schönhaar (wohl um 872) die berühmte Schlacht geschlagen und gewonnen, die zur Einigung Norwegens führte und heute gern als Geburtsstunde der Nation angesehen wird.“
Geborgene Grabbeigaben stammen von einem bedeutenden Bestattungsplatz, aus dem vermutlich auch das Schwert stammt. Die Funde sind für Oehrl ein Beleg dafür, dass „die Gemeinschaft, die hier ihre Toten begrub, auch an den Fahrten nach Westen beteiligt gewesen ist“.