Wir Sterneköche versuchen immer, unseren Gästen das maximale Erlebnis unserer Küche zu bieten. Ein wiederkehrendes Thema ist dabei der Umgang mit Allergien und Unverträglichkeiten, die wir schon bei der Reservierung abfragen. Wenn wir diese vorher kennen, gehen wir sehr gerne darauf ein. Ich habe selbst eine geschätzte Mitarbeiterin in der Küche, bei der nach langen Jahren der Magenkrämpfe schließlich eine Gluten- und Laktoseintoleranz diagnostiziert wurde. Wir hatten aber auch schon Gäste mit Laktoseintoleranz, die nach dem Menü Cappuccino bestellt haben.
Es gibt immer wieder Tage, an denen es Gästen gehäuft erst am Tisch einfällt, auf Unverträglichkeiten hinzuweisen. Neulich Samstag habe ich Angst bekommen, dass mein Restaurant und die Mitarbeiter in der Küche deshalb kollabieren. Wir waren mittags und abends bis auf den letzten Platz besetzt. Allein von den Kühlmöglichkeiten, von der Größe der Arbeitsflächen und vom Platz zum Anrichten der Teller her bedeutet das für uns stets eine extreme logistische Anstrengung, wenn wir etwa unsere „Raw Bar“ mit diversen Sashimis und Dashigelees mit der perfekten Temperatur zum Gast bringen wollen. Da machen zwei bis drei Minuten, die ein angerichteter Teller zu lange steht, allein schon beim Mundgefühl einen gewaltigen Unterschied.
Als die ersten Gäste kamen, hatten wir dann einen Tisch, an dem eine Person plötzlich ohne Vorankündigung „nichts aus dem Wasser“ essen wollte. 85 Prozent meiner Gerichte beinhalten aber Fisch und Meeresfrüchte. Und natürlich wollte die gesamte Gruppe – wie fast jeder Tisch an diesem Tag – das große Menü mit neun Gängen. Das Verständnis der Gäste ist in solchen Situationen immer wieder, dass so etwas in einem Drei-Sterne-Restaurant doch möglich sein müsse.
An vier Tischen gab es Überraschungen
Mein Restaurantleiter hat sich fast nicht in die Küche getraut. Ich habe mich dann an den Herd gestellt und für die Dame, so gut es ging, ein alternatives Menü aus dem Ärmel geschüttelt. Doch wer meine Küche kennt und weiß, wie viel Aufwand in die Konzeption und die Vorbereitung von Fonds und Ähnlichem fließen, wird ahnen, dass ich dabei an meine eigenen Grenzen stoße. Es ist fast so, als würde man eine S-Klasse bestellen und dann so lange die Ausstattung zusammenstreichen, bis man beim nackten Fahrzeug landet. Ich kann immer ein gutes Risotto kochen, aber für mich als Koch mit Anspruch an meine Performance ist das nicht befriedigend.
Am nächsten Tisch gab es dann einen Gast mit einer Schalen- und Krustentierallergie, am dritten aß einer kein Fleisch. An insgesamt vier Tischen gab es an diesem Mittag Überraschungen, die sich für uns in der Küche jedes Mal wie eine Faust ins Gesicht anfühlten. Bei den restlichen Tischen waren wir vorgewarnt.
Natürlich werden diese Situationen im Restaurant professionell gemanagt, und der Gast bekommt davon nichts mit. In unserer platzmäßig begrenzten Küche führt das für meine Mitarbeiter jedoch zu Ausnahmezuständen, bei denen ich Angst bekomme, dass sie daran zerbrechen. Die Situationen entstehen am Tisch auch oft, weil ein Gast einlädt und reserviert, aber bei den anderen Personen am Tisch nicht nachgefragt hat. Mein Appell wäre deshalb, in diesen für die Gastronomie auch personell schwierigen Zeiten etwas Rücksicht zu nehmen und im Vorfeld auf Allergien und Unverträglichkeiten hinzuweisen. Das ist, glaube ich, nicht so schwer.
Christian Bau kocht im „Victor’s Fine Dining“ in Perl-Nennig, das mit drei Michelin-Sternen ausgezeichnet ist.