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Meinung Wehrdienst-Debatte

Frauen an die Front

Kampfpilotin Nicola Winter Kampfpilotin Nicola Winter
Kampfpilotin Nicola Winter
Quelle: via Nicola Winter
Deutschland braucht die Dienstpflicht, um gemeinschaftlich fit und widerstandsfähig zu werden, schreibt die Kampfpilotin Nicola Winter in einem Gastbeitrag. Sie antwortet unserer Autorin Kristina Schröder, die dafür plädiert hat, dass für Frauen keine Wehrpflicht bestehen sollte.
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Unsere Gesellschaft besteht aus einer vielfältigen Mischung an Menschen – verschiedene Geschlechter, Hautfarben, Orientierungen, Fähigkeiten, Religionen und Generationen. Eines ist uns allen gemein: Wir alle haben Rechte und Pflichten. Nur wenn wir uns alle auch unseren Pflichten stellen und nicht nur die Rechte genießen, können wir gemeinsam in einer lebenswerten Gesellschaft leben.

Vor einigen Jahren warb die Bundeswehr mit dem Slogan: „Wir kämpfen auch dafür, dass du gegen uns sein darfst!“. Dieser Slogan drückt für mich den Kern unserer Demokratie aus. Man kann natürlich, wie die ehemalige Bundesfamilienministerin Kristina Schröder, der Meinung sein, ein „essenzieller Beitrag“ der Frauen wäre es, Kinder zu bekommen. Und argumentieren, dass dieser Dienst an der Gesellschaft rechtfertige, dass für Frauen eine Wehrpflicht nicht bestehen solle. Ich möchte allerdings entschieden dagegen halten!

Liebe Frau Schröder – die aktuell 24.380 Soldatinnen und ich verteidigen auch Ihre Freiheit gerne! Lassen Sie uns also gemeinsam einen Blick auf die Realität werfen.

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Als ich 2004 meine Karriere als Kampfflugzeugpilotin bei der Bundeswehr begann, gab es zwei Arten von körperlichen Tests: allgemeine Fitnesstests und spezielle, auf die jeweilige Tätigkeit ausgerichtete Fähigkeitstest. Allgemeine Fitness ist relativ und abhängig von den eigenen Voraussetzungen – bei gleichem Fitnesslevel laufe ich mit 1,60 m Körpergröße langsamer als ein 1,90 m großer Mann.

Es macht also Sinn, dieses Merkmal individuell zu betrachten. Die Eignung für ein Kampfflugzeugcockpit ist dagegen absolut – denn das Flugzeug interessiert sich nicht für mein Geschlecht, Alter, Körpergröße oder dafür, wie schnell ich laufe. Sondern nur dafür, wie gut das Flugzeug bedient wird.

Kampfflugzeugpilotinnen fliegen hunderte Kilometer weit über eine Front hinaus, tief in gegnerisches Territorium und sorgen dafür, dass unsere Truppen im Ernstfall sicher und ungehindert operieren können.

Ein Vergleich mit dem Sport

Betrachten wir den Mythos, „alle“ Männer wären „allen“ Frauen körperlich überlegen. Der Weltrekord der Männer im 100m-Sprint liegt bei 9,58 Sekunden, der Rekord der Frauen bei 10,49 – die durchschnittliche Leistung untrainierter Männer liegt bei 15-16 Sekunden, weit abgeschlagen.

Im Kugelstoßen liegt der männliche Rekord bei 23,37 Meter, der weibliche bei 22,63 Meter und der normale männliche Nichtathlet erreicht bei ca. 6-8 Meter, nicht annähernd vergleichbar. In der Durchschnittsbevölkerung und im Militär ist diese These also unhaltbar – hier sind allein individuelle Voraussetzungen und der Trainingsstand entscheidend.

Der archaische Stellungskrieg in der Ukraine hat mit unseren Fähigkeiten und Konzepten nichts zu tun – moderne Kriegsführung ist technisch, ist virtuell. Deswegen flehen ukrainische Politiker ja jeden Tag um unsere Waffensysteme. Die Bundeswehr benötigt heutzutage kein ungelerntes „Kanonenfutter“ mehr. Für unsere Verteidigung braucht es clevere Profis: Techniker, Ingenieurinnen, Operateure, Cyberexpertinnen. In den wenigsten Bereichen kommt es auf die Fähigkeit zum Sprint an – aber immer auf das Gehirn. Es macht also Sinn diese individuellen Fähigkeiten und nicht die Geschlechtsorgane zu überprüfen.

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Als ich vor zwanzig Jahren zur Bundeswehr ging, gab es auch Stimmen, die befürchteten Frauen würden als „leichtere Opfer“ die Truppe schwächen. Nun bin ich für meine männlichen Kameraden immer eingestanden, sodass jeder jeden rettet und nicht Soldaten zurückgelassen werden, nur weil sie Penisträger sind.

Denn es wäre für jeden Soldaten der Super-GAU in die Hände unserer möglichen Gegner zu geraten. Denn diese haben nicht Kristina Schröders naives Verständnis von Kriegsverbrechen, sondern vergewaltigen, morden, foltern und verbrennen ihre Gefangenen völlig geschlechtsunabhängig. Idealerweise aber sind alle Soldaten so gut ausgerüstet, dass sie uns erfolgreich verteidigen können und nie in eine solche Situation geraten.

Unbestritten ist die Tatsache, dass Frauen und Kinder in Kriegsgebieten noch mehr Leid widerfährt als Männern. Das zeigt, dass Frauen entschlossen und verteidigungsfähig gemacht werden müssen. Erwachsene Frauen wissen: Wenn wir uns im Fall des Falles nur brav hinsetzen und auf Rettung durch den männlichen Prinzen auf seinem weißen Ross warten, werden wir oft vergeblich warten. Wir müssen selbst fähig sein!

Auch wenn ich nun zum Beispiel als Frau einen Autounfall habe, erwarte ich zu Recht, dass die Feuerwehr kommt, mich befreit und anschließend ein Rettungswagen mich in die Klinik bringt. Was ich aber von anderen fordere, muss ich auch bereit sein selbst zu geben. So bin ich Rettungssanitäterin und Feuerwehrfrau geworden (eine von je 26.000 bzw. 110.000).

Als Rettungssanitäterin habe ich erlebt, wie lebensunfähig weite Teile unserer Gesellschaft geworden sind: Da wird um Mitternacht der Notarzt alarmiert, weil man mit einem Schnupfen nicht mehr durch die Nase atmen kann. Vor dem drohenden Erstickungstod konnte nur der Hinweis „atmen Sie durch den Mund“ retten.

Wir müssen widerstandsfähig sein

Wie in der Wohlstandsverwahrlosung teure Rettungsmittel als Taxi missbraucht werden und es muss schon mal die Feuerwehr anrücken, weil man mit der Wasserlache vor dem Duschvorhang überfordert ist – die Lösung war ein professionell ausgelegtes Handtuch.

So tun wir uns als Gesellschaft in Krisenzeiten schwer. Widerstandsfähig zu sein, ist in Zeiten von Pandemien, Kriegen und Klimawandel unumgänglich. Politiker wie Kristina Schröder haben uns, von „warmen Sommernächten“ fabulierend, so weit gebracht, dass anscheinend nur eine allgemeine Dienstpflicht die Chance hat, Resilienz wieder großflächig herzustellen.

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Eine allgemeine Dienstpflicht sollte aber nicht eingeführt werden, um die Personalprobleme der Bundeswehr zu lösen. Die Aufgabe, ein attraktiver Arbeitgeber zu werden, muss sie schon selbst bewältigen. Wir brauchen die Dienstpflicht, um uns gemeinsam fit und widerstandsfähig zu machen, damit wir dauerhaft eine lebenswerte, vielfältige Gesellschaft bleiben können.

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Unser Grundgesetz legt klar und zurecht fest, dass alle Menschen vor dem Gesetz gleich sind (Art. 3 GG). Dies beinhaltet nicht nur gleiche Rechte, sondern auch gleiche Pflichten. Eine mögliche Dienstpflicht an der Gesellschaft darf sich nicht nur auf den militärischen Dienst beziehen, sondern kann auch rettungsdienstliche, pflegerische oder kinderbetreuende Aufgabe umfassen. Und so wird auch jeder und jede einen Weg finden können, ein aktiver Teil unserer Gesellschaft zu sein und unserer gemeinsamen Pflicht nachzukommen.

Die Autorin ist Kampfflugzeugpilotin, Major der Reserve, ESA-Reserveastronautin

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