Die AfD weiß nicht so recht, ob sie Rotkäppchen oder den Wolf spielen soll: Verfolgte Unschuld oder gefährliche Bestie. Sie weiß nur, dass es so oder so, wie Walter Ulbricht sagte, „demokratisch aussehen“ muss. Immerhin ist die Demokratie, anders als in der Weimarer Republik, so gefestigt, dass keine Partei es sich leisten kann, ihre Verachtung für Verfassung und Staat offen zu zeigen.
Zurzeit klagt die AfD vor dem Oberverwaltungsgericht in Münster gegen ihre Einstufung als „Verdachtsfall im Bereich Rechtsextremismus“ durch den Verfassungsschutz. Deshalb kommen die Recherchen des Bayerischen Rundfunks (BR) über rechtsextreme Mitarbeiter der AfD-Bundestagsfraktion zur Unzeit. Mehr als 100 Rechtsextremisten arbeiten laut Informationen des Rundfunksenders für die Alternative für Deutschland im Berliner Regierungsviertel.
Man würde den Abgeordneten der Partei Unrecht tun, unterstellte man ihnen, sie wüssten nicht, was sie tun. Der Bundestagsabgeordnete Jan Wenzel Schmidt, etwa, der – wie zuerst WELT aufdeckte – den rechtsextremen Gewalttäter und Funktionär der „Identitären“ Mario Müller beschäftigt, gab auf Vorhaltungen den bösen Wolf: „Ich behalte mein Personal so, wie es ist. Ich kann auch garantieren, dass die etablierten Parteien zu Recht Angst vor uns haben. Die haben zu Recht den Verfassungsschutz auf uns angesetzt. Wir werden maßgebliche Dinge verändern, wenn wir regieren.“
In der Tat. Björn Höcke hat schon 2017 ein Ende der „Amerikanisierung“, und des „neoliberalen Pluralismus“ sowie eine „erinnerungspolitische Wende um 180 Grad“ versprochen. Die Nähe der Partei zum Zentrum des europäischen Faschismus, der Putin-Diktatur, ihre Skepsis gegenüber den Garanten der europäischen Demokratie, Nato und EU, sind notorisch.
Noch kann man der AfD an der Wahlurne das Handwerk legen
Unter den mehr als 100 von unseren Steuergeldern finanzierten rechtsextremistischen Zuarbeitern der AfD-Bundestagsfraktion dürften solche antiwestlichen, antikapitalistischen, antiliberalen und oberflächlich nationalistischen Phrasen, die nur verschleiern sollen, dass ein AfD-Deutschland Klient Chinas und Russlands wäre, Konsens sein.
Angesichts dieser Tatsachen zieht die Rotkäppchen-Masche immer weniger. Die AfD ist nicht deshalb im Visier des Verfassungsschutzes, weil sie zurück zur Bundesrepublik Konrad Adenauers will oder weil sie Auswüchse der Zuwanderungs-, Klima- und Geschlechtergerechtigkeitspolitik anprangert. Sie will eine andere Republik.
Unter Verbiegung der Verfassung, wie bei der PiS-Partei in Polen, wenn das geht, unter Missachtung der Verfassung, wenn das nicht geht. Die Beschäftigung von Rechtsextremisten, die Alimentierung ihrer Netzwerke, Denk- und Agitationsfabriken mit Steuergeldern zeigt schon mal, wie die Verbiegung der Verfassung aussehen kann.
Der Staat ist nicht gehalten, sich das gefallen zu lassen. Es ist zu hoffen, dass die Richter in Münster dem Verfassungsschutz erlauben, die unpatriotischen und demokratiefeindlichen Netzwerke zu durchleuchten, deren Frontorganisation die AfD ist. Freilich ersetzt die geheimdienstliche Ausspähung ebenso wenig wie die journalistische Arbeit das Machtwort des Souveräns. Noch kann man der AfD an der Wahlurne das Handwerk legen.