Kultur

Hochzeit feiern - aber Moment mal: Warum heirate ich eigentlich?

Mein Partner und ich (als nicht binäre Person) waren fest entschlossen nicht zu heiraten - das hat sich jetzt geändert.
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Hochzeit feiern: Es gibt viele berechtigte Gründe - der wohl schönste ist, sich zu Versprechen.

Als ich jung war und in einer kleinen Arbeiterstadt im Nordwesten Englands aufwuchs, sammelte ich wie besessen Inspirationen für Brautkleider, die ich aus den Seiten von Zeitschriften herausgerissen hatte. Ich habe immer geglaubt, dass mein Kleid so sein würde wie das von niemandem sonst: Eine Sonderanfertigung von Viktor & Rolf vielleicht; aus dem Archiv von Jean Paul Gaultier; oder doch aus der Zeit von John Galliano für Dior? Irgendwann kam ich in die Pubertät und merkte sehr schnell, dass ich kein Kleid tragen würde und schon gar nicht heiraten würde, als schwuler Junge in einer Welt, in der die Ehe für mich und die meinen illegal war.

Nachdem ich ein paar Frösche geküsst hatte, lernte ich jemanden kennen und verliebte mich in ihn, der aktiv gegen die Ehe war - sowohl politisch als auch gefühlsmäßig. Das hat mein Verständnis von der Ehe und ihrer Bedeutung völlig verändert, so sehr, dass ich erst letztes Jahr ein Buch über genau dieses Thema veröffentlicht habe. Ein Buch, in dem ich viele Fragen stellen konnte, wobei die zentrale Frage natürlich lautet: Warum überhaupt heiraten?

Als mein Partner und ich zusammenkamen, war es noch ein Jahr, bevor die gleichgeschlechtliche Ehe im Vereinigten Königreich legalisiert wurde, und überall begannen Schwule, sich weiße Anzüge anzuziehen und Flashmobs zu Lady-Gaga-Songs zu machen, um ihre Hochzeit zu feiern. Und obwohl die Homo-Ehe ein Zeichen dafür war, dass sich die Zeiten von der Ausgrenzung hin zur Inklusion wenden, waren wir immer noch misstrauisch. Denn wenn man sein Leben lang gegen den Strom schwimmt, lernt man, dass man niemals auf eine ruhige See vertrauen sollte. Sicher, Inklusion mag sich zunächst wie eine Befreiung anfühlen - so wie das Kind, das dich in der Schule schikaniert hat, dir endlich eine Entschuldigungsnachricht schickt -, aber was bedeutet sie wirklich? Bedeutet es nur, sich mit dem Mobber anzufreunden? Nun... in mancher Hinsicht ja. Und in anderer Hinsicht nein.

Ist die Ehe wirklich gleichberechtigt oder gibt sie das nur vor?

Es bedeutet, dass du in ein System eingegliedert wirst, das nicht wirklich für dich konzipiert wurde und niemals für alle gleichermaßen konzipiert werden wird. Und obwohl jeder davon ausgeht, dass die Ehe jetzt gleichberechtigt ist, ist es für eine nicht-binäre Person wie mich, immer noch so gut wie unmöglich, unter Verwendung ihrer tatsächlichen Pronomen zu heiraten, da es keine legale Möglichkeit gibt, etwas anderes als sie oder er auf einer Geburts- oder Heiratsurkunde einzutragen. Das Gleiche gilt für Transfrauen und -männer, die noch nicht alle ihre Dokumente auf ihr Geschlecht umgestellt haben. Das Gleiche gilt für Menschen in anderen Regionen, die aufgrund ihrer Sexualität, Klasse, oder Religion nicht heiraten können. Und so bleibt die Gleichstellung der Ehe ein Trugbild, eine Fata Morgana.

Vielleicht kommen wir dahin. Schließlich ist die einzige Konstante in der Geschichte der Ehe der Wandel; ein Wandel, der neue Vorstellungen darüber einschließt, wer als heiratsfähig anerkannt wird. Es begann damit, dass die Ehe über Klassengrenzen hinweg erlaubt wurde, dann über ethnische Grenzen hinweg, und dann änderte sich lange Zeit nichts mehr, bis die Gleichstellung der Ehe beschlossen wurde. Und auch wenn es mir persönlich egal war, hatte der Ausschluss von der Institution der Ehe für viele Menschen sehr reale Auswirkungen. Erst 2009 hob Obama zum Beispiel ein 1987 verhängtes Einreiseverbot für HIV-positive Einwander:innen in die USA auf. Natürlich gab es eine Ausnahmeregelung: wenn man verheiratet war. Aber da Homosexuelle nicht heiraten konnten, gab es für sie keine Ausnahmeregelung. In einem Artikel in der Zeitschrift Out aus dem Jahr 2000 wurde geschätzt, dass nach Angaben der Lesbian and Gay Immigration Rights Task Force 30.000 Paare getrennt wurden, weil das US-Einwanderungssystem schwule und lesbische Partnerschaften nicht als gültig genug ansah, um ein Visum zu beantragen. Doch dann erstrahlte das Weiße Haus eines Tages in Regenbogenfarben, und plötzlich konnten wir die Grenzen gemeinsam überschreiten.

Der Staat profitiert von dem Versprechen: Bis das der Tod uns scheidet.

Das liegt daran, dass die Ehe dem Staat nützt, weil der Staat von der Ehe profitiert. Denken Sie darüber nach: Sie heiraten, ziehen gemeinsam die nächste Generation der Arbeitskräfte Ihres Landes (nämlich die Kinder) auf, sorgen füreinander, bis einer von Ihnen stirbt, und dann sorgen die Kinder, die Sie aufgezogen haben, für den letzten, der noch lebt? Und so wird von der Gesellschaft, der Familie und der Religion Druck auf uns ausgeübt, zu heiraten, denn die Ehe ist das zentrale und einzige von Menschen geschaffene Ritual, das zwei Menschen dazu verpflichtet, bis zum Tod füreinander zu sorgen.

Und trotzdem werde ich in einer Woche heiraten. Den Partner, der einst nicht an die Ehe geglaubt hat. Und er heiratet mich - eine nicht-binäre Person, die in einem nationalen Eheregister falsch geschlechtlich eingetragen sein wird, bis es viele, viele Jahre nach meinem Tod oder unserer Scheidung vernichtet wird. Warum in aller Welt heirate ich also?

Es gibt so viele Gründe - Ich würde sagen, die schrägsten sind die oben beschriebenen: "Ich will nicht". Es ist kostspielig, die Hälfte der Ehen endet in einer Scheidung - ganz zu schweigen davon, dass es scheinbar eine Verpflichtung zu einem Leben in Monogamie, Ehre und Gehorsam ist?

Aber aus irgendeinem Grund kann ich es nicht erwarten. Ich kann wirklich, wirklich nicht warten. Das liegt nicht daran, dass ich glaube, dass unsere Liebe einzigartiger und besonderer ist als die aller anderen und deshalb die Scheidungsstatistik überleben wird, und es liegt auch nicht daran, dass ich glaube, dass wir nicht konditioniert und zu den gleichen Wünschen und Gefühlen gedrängt wurden wie alle anderen. Es liegt daran, dass es sich so aufregend anfühlt, etwas zu tun, nur weil man es will. Nicht, weil es zu rechtfertigen wäre, nicht, weil es moralisch gut wäre - ganz im Gegenteil.

Wir mochten den Gedanken, uns etwas zu Versprechen

Im Januar haben wir eines Abends zu viel getrunken und uns doch für eine Hochzeit entschieden. Am nächsten Morgen saßen wir verkatert und nach Wasser suchend gegenüber. Sind wir?... Haben wir? Zunächst dachten wir, es läge nur am Alkohol, aber wir kamen immer wieder darauf zurück. Vielleicht wollten wir nur eine Verlobungszeremonie oder etwas, das sicherstellt, dass wir den anderen nicht alleine zurücklassen können. Aber wir stellten fest, dass das nicht der Grund war. Wir haben gemerkt, dass wir den Gedanken mochten, sowohl als Gelegenheit, unsere (normalerweise recht private) Liebe füreinander zu zeigen, als auch, um uns gegenseitig vor Menschen, die wir lieben, etwas von uns zu versprechen.

Wir haben erkannt, dass das Wichtigste an diesem Moment in unserer Beziehung der Akt des Versprechens selbst ist. Was man verspricht, hängt von dem Paar selbst ab, klar. Und für uns ist unser Versprechen an den anderen, uns zu verändern. Es ist ein aktiver Wunsch, herauszufinden und zu genießen, wie wir uns entwickeln, während wir gemeinsam älter werden. Es ist ein Versprechen, dass wir diese bestehenden archaischen Strukturen aushebeln können, indem wir eine offene Beziehung führen, indem ich in meinen juristischen Dokumenten über mein Geschlecht lüge (so habe ich es verstanden), und indem jeder etwas zu essen zur Hochzeit mitbringt. (Es ist ein Versprechen, dass Liebe nicht gleichbedeutend mit Kontrolle ist, sondern vielmehr mit Freiheit. Es ist ein Versprechen, wirklich hart daran zu arbeiten, der aktiven Neudefinition der Rolle der Ehe und des Engagements in unserem gemeinsamen Leben die Macht zu nehmen.

Es geht darum, alte Strukturen zu verabschieden und zu revolutionieren

Und schließlich geht es wohl in gewisser Weise darum, dass das Persönliche politisch ist und umgekehrt. In jeder Generation kommen wir an einen Punkt in unserem Leben, an dem alle unsere Freund:innen heiraten, und wir freuen uns für sie. Aber soweit ich mich zurückerinnern kann, war es queeren Menschen nicht erlaubt, dies zu tun. Und so haben wir in einer Welt, in der die Sicherheit dieses Rechts fadenscheinig erscheint - wie so viele andere - beschlossen, dass es jetzt an der Zeit ist, alles einzufordern, was uns rechtmäßig zusteht. Nach Rechten zu suchen, bevor sie uns entzogen werden. Hier zu sein und präsent zu sein, um diese alten Strukturen zu brechen und sie neu und viel schöner zu machen, als sie vorher waren.

Dieser Artikel erschien ursprünglich auf Vogue.com. Adaption von Claudia Beran.