Interview

“Sport Illustrated”-Model und Trans-Aktivistin Valentina Sampaio über die Bedeutung von Self-Care

In den letzten Jahren hat die 23-jährige Brasilianerin viele Meilensteine gesetzt: Sie war das erste Trans-Model, das auf dem Titelblatt der Vogue Paris erschien; das erste Trans-Model, das in der Victoria’s Secret-Familie willkommen geheißen wurde, und nun das erste Trans-Model in der “Sports Illustrated”. Hier verrät sie, was diese Errungenschaften für sie bedeuten.
“Sport Illustrated”Model und TransAktivistin Valentina Sampaio über die Bedeutung von SelfCare
Tommaso Boddi

Valentina Sampaio: “Sport Illustrated”-Model und Trans-Aktivistin

Die 23-jährige Valentina Sampaio wurde als eines von sieben Kindern in eine Familie von FischerInnen und SpitzenklöpplerInnen in einem kleinen Fischerdorf im Norden Brasiliens geboren. Als erste Transfrau in der “Sports Illustrated” in die Geschichte einzugehen, hatte sie nicht geplant – doch genau dort ist sie heute angekommen. Und es ist nicht einmal das erste Mal, dass sie einen so bedeutenden Meilenstein gesetzt hat: 2017 war sie das erste Transmodel, das auf der Titelseite der Vogue Paris erschien, während sie 2019 als erste Transfrau in die Victoria’s Secret-Familie aufgenommen wurde. “Jedes ‘First’ ist wertvoll, denn es ist ein Schritt nach vorn, nicht nur für mich, sondern für die gesamte Trans-Community”, schreibt sie per E-Mail.

Valentina Sampaio über die Bedeutung von Self-Care

Während Trans-Sichtbarkeit in der Mode zum Teil des kulturellen Gesprächs geworden ist, haben wir weltweit noch einen langen Weg vor uns, nicht nur in Bezug auf Repräsentation, sondern auch in Bezug auf die Sicherheit von Trans-Personen und sogar ihre Rechte. “Ich komme aus einem Land, das die höchste LGBTQ+- und Transgender-Mordrate hat – und sie steigt”, sagt sie. “‘Forbes’ berichtete, dass 2019 weltweit 331 Transsexuelle ermordet wurden – 130 davon hier in Brasilien. Die MörderInnen haben für ihre Verbrechen wenig oder keine Konsequenzen zu tragen. Wir werden behandelt, als wären wir entbehrlich.” Sampaio nutzt ihre Plattform aus diesem Grund dafür, um die Menschen in ihrer Community zu stärken. Im Juni nahm sie gemeinsam mit Barack Obama und Taylor Swift am jährlichen Stonewall Day von Pride Live teil, einer virtuellen Veranstaltung, um das Bewusstsein und die Unterstützung für das Vermächtnis von Stonewall zu stärken. Kurz nach Veröffentlichung der neuen "Sports Illustrated"-Ausgabe sprachen wir mit dem Model über die Bedeutung von Self-Care und ihre Hoffnungen für die Zukunft.

Wie kamen Sie zum Modeln?

Während meines Modedesign-Studiums an der Universität von Fortaleza fragte mich jeder, ob ich Model sei. Also beschloss ich, es auszuprobieren, und von da an bekam ich die ersten Jobs als Model angeboten. Ich begann mit Fotoshootings und ging dann auf den Laufsteg, bevor ich international tätig wurde.

Wie würden Sie Ihre Erfahrung als Model beschreiben?

Es war nicht leicht. Am Anfang hatte ich einen hochkarätigen Model-Job, von dem ich plötzlich gefeuert wurde, als sie merkten, dass ich trans war. Die Freude und den Stolz auf einen Job mit FreundInnen und Familie zu teilen, nur um dann beschämt und abgewiesen zu werden, ist herzzerreißend. Von diesem Moment an beschloss ich, dass ich alles, was ich im Leben tun werde, nicht nur für mich selbst tun werde, sondern für alle Menschen, die mit Diskriminierung konfrontiert werden.

Was ist die größte Herausforderung, der Sie sich gestellt haben?

Es gab Momente, da wurde meine einfache Existenz als “Sünde” bezeichnet. Transsexuell geboren zu sein und mein Wesen zu leben wurde mit grausamen Urteilen, Kritik und Beleidigungen begegnet. Grundlegende Dinge wie mein Recht, mich als Frau zu kleiden, die Universität zu besuchen und zu arbeiten, waren für mich eine stressige Herausforderung. Transsexuell zu sein bedeutet oft, vor einer verschlossenen Tür zu den Herzen der Menschen zu stehen. Es bedeutet oft, sich der Ablehnung durch die Familie, traumatisierendem Mobbing in der Schule und sehr begrenzten, würdigen beruflichen Möglichkeiten zu stellen.

Sie haben Geschichte als erstes Trans-Model auf dem Cover der Vogue Paris geschrieben und sind jetzt in der “Sports Illustrated”. Was bedeutet das für Sie?

Ich weiß, dass ich sehr viel Glück hatte und bin zutiefst dankbar. Ich halte es außerdem für äußerst wichtig, positive Meilensteine und Siege zu teilen. Wenn irgendetwas, was ich sage oder tue, einen Samen der Liebe, Akzeptanz oder Hoffnung in einer anderen Person auf irgendeine geringfügige Weise einpflanzen kann, dann habe ich meine Plattform zum Wohle aller Menschen genutzt.

Was sollte die Beauty- und Modeindustrie tun, um die Repräsentation von LGBTQ+-Communitys zu verbessern?

Ich wünsche mir, dass Menschen, Brands und Unternehmen offener dafür werden, die Transgender-Community furchtlos mit Mitgefühl und Respekt zu empfangen; dass sie Menschen aufklären und mehr Ressourcen für die LGBTQ+-Community zur Verfügung stellen.

Wie sieht es bei Ihnen in puncto Self-Care aus? Wie halten Sie sich geistig und körperlich gesund?

Für mich hat Self-Care eine sehr persönliche und tiefe Bedeutung: mich um Körper, Geist und Seele zu kümmern. Wahre Selbstfürsorge geht über das hinaus, was wir für unseren physischen Körper tun können. Im Kern geht es um ein echtes Gefühl der Liebe und des Respekts für uns selbst und für andere. Wir sind alle physisch einzigartig, doch alle vereint in dem gemeinsamen Wunsch, so akzeptiert und geliebt zu werden, wie wir sind.

Was sind Ihre Lieblingstipps für Beauty und Skincare?

Verwenden Sie täglich Sonnenschutz, [verwenden Sie ein] Hyaluronsäure-Serum, trinken Sie viel Wasser, essen Sie gesund und treiben Sie Sport. Ich denke, Yoga ist eine sehr gesunde Praxis, um Körper und Geist zu fokussieren.

Was bedeutet Beauty für Sie?

Schönheit ist etwas, das über Ihren Körper hinausgeht. Sie kommt aus der Seele, wenn man sich selbst akzeptiert und liebt, wenn man seinen Wert kennt. Dennoch leben wir nach wie vor in einer Gesellschaft, die “Standards” und Stereotypen auferlegt und Menschen als “richtig” oder “falsch” abstempelt.

Was sind Ihre Hoffnungen für die Zukunft?

Ich wünsche mir, dass die Welt mit mehr Liebe erfüllt wird. Dass es mehr Einheit und Freundlichkeit unter uns geben wird, sodass die Menschen ungehindert sie selbst sein können, ohne Urteile.

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